Zur Subklassifikation von Geltungsspezifikationen
Dass Geltungsspezifikationen keine Propositionsspezifikationen sind, bedeutet nicht, dass sie nicht in ähnlicher Weise wie diese zu systematisieren wären. Wie mit den sprechenden Bezeichnungen angedeutet, finden sich allgemeine Gesichtspunkte, unter denen sich Klassen gleichartiger Geltungsspezifikationen definieren lassen. Traditionell - wenngleich mit anderer theoretischer Einordnung - werden diese Gesichtspunkte unterschieden:
? die Dauer
? die Häufigkeit
? die Ursache, der Grund oder das Motiv
? der Erwartungsverstoß
? das Ziel, der Zweck oder die Absicht
? die Folge
? die Substitution
? der Kontrast
Gefunden werden solche Gesichtspunkte auf dem Weg der Verallgemeinerung individueller Spezifikationen im Hinblick auf die Funktionen, die im Zuge kommunikativer Handlungen zu erfüllen sind. Da grundsätzlich verschiedenste Verallgemeinerungen möglich wären, entbehren die so getroffenen Klassifikationen nicht einer gewissen Willkür. Ganz willkürlich sind sie jedoch nicht. Das zeigt sich, wenn man Dikta betrachtet, die gleich mehrere Geltungsspezifikationen einschließen: Gleichartige Geltungsspezifikationen können koordiniert werden, auch wenn die Ausdruckseinheiten, mit denen sie realisiert werden, formal verschieden sind:
Verschiedenartige Geltungsspezifikationen können, mit einer bemerkenswerten Ausnahme, nicht auf diese Weise verbunden werden. Die Ausnahme bilden Kausalspezifikationen und Finalspezifikationen:
Zu erklären ist diese Ausnahme wohl mit dem engen Zusammenhang zwischen Gründen und Zwecken: Die Verfolgung eines Zwecks kann immer auch als Grund für die Handlungen ausgegeben werden, die dem Erreichen des Zwecks dienen sollen.
Letztlich zu rechtfertigen ist die Klassifikation der Geltungsspezifikationen nur im Rahmen einer Theorie des kommunikativen Handelns, denn, anders als im Fall der pauschalen Unterscheidung von Propositionsspezifikationen und Geltungsspezifikationen, lassen sich keine hinreichenden strukturellen Gründe für die Unterscheidungen finden. Die Vermutung, die Klassifikation könnte doch strukturell begründet werden, bestätigt sich nicht: Zwar finden sich für alle Klassen von Geltungsspezifikationen typische Ausdrucksformen, doch sind die entsprechenden Ausdrucksklassen - etwa weil- und wenn-Sätze - in ihrer Verwendung keineswegs auf einen Typus von Geltungsspezifikation oder auch nur auf Geltungsspezifikationen allgemein beschränkt.
Für Klassen von Geltungsspezifikationen, die erfragbare Informationen bereitstellen, finden sich einschlägige Fragen. Erfragbar sind Informationen zu Häufigkeit, Dauer, Ursachen, Gründen, Zielen, Absichten, Zwecken und Folgen: wie oft? wie lang? warum?wozu? Die verfügbaren Fragen sind allerdings nicht ohne weiteres bestimmten Typen von Geltungsspezifikationen zuzuordnen. So können etwa die Fragen
durch Angabe eines Grundes oder durch Angabe eines Zwecks einer Handlung beantwortet werden. Jedenfalls werden im Alltag oft beide Arten von Antworten auf solche Fragen akzeptiert. Auch wenn auf eine Frage wie (16) eine Angabe zum Ziel der Handlung akzeptiert wird, heißt das nicht, dass ein Ziel erfragt wird. Erfragt wird durchaus ein Grund.
Vor einer detaillierten Betrachtung der verschiedenen Klassen von Geltungsspezifikationen noch drei allgemeine Feststellungen zu gemeinsamen Eigenschaften aller Klassen:
Dikta dieser Art wird mancher nicht als gleichermaßen wohlgeformt betrachten, doch sie kommen vor und belegen, dass, was formal von derselben Art scheint, auf ganz verschiedene Weisen interpretiert werden kann. Die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten sind dabei keineswegs auf Mehrdeutigkeit seitens der verwendeten Ausdrucksmittel zurückzuführen: Ein weil- und ein obwohl-Satz ist nicht schon deshalb mehrdeutig, weil solche Sätze auf verschiedenen Ebenen ausgewertet werden können. In gewisser Weise leisten diese Ausdrucksmittel stets dasselbe, nur eben an anderem Ort und deshalb mit anderen Folgen für das Ganze. Wo sie auszuwerten sind, wird ausschließlich auf der Basis von Welt- und Situationswissen entschieden.
Nähe zu dyadischen Operationen zeigt sich auch darin, dass neben den subordinativen Strukturen, mit denen die hier behandelten monadischen Geltungsspezifikationen zum Ausdruck zu bringen sind, auch koordinativ gebildete Dikta zu finden sind, deren eines Konjunkt unter kommunikativem Aspekt nahezu dasselbe zu leisten vermag wie eine Geltungsspezifikation: