Zum Geltungsbereich der Tempora
Tempusmorpheme sind zwar Verbalmorpheme, beziehen sich aber normalerweise in ihrer Bedeutung auf den ganzen Satz. Es kommt allerdings auch vor, dass Teilbedeutungen von Satzteilen aus der durch die Tempusform(en) ausgedrückten Zeitabhängigkeit herausfallen:
Hier trifft die Kennzeichnung der Jubilar nur zur Sprech- bzw. Schreibzeit zu, nicht aber zu der mit dem Präteritum eingeführten und von 1923 bis 1926 begrenzten Betrachtzeit. Die Kennzeichnung gehört mithin nicht zu dem tempuslosen Satzrest, der im Bereich des Tempus und des Temporaladverbiales steht. Derjenige, der 1923 bis 1926 das Handwerk erlernte, ist zwar dasselbe Individuum, das jetzt Jubilar ist, war aber damals kein Jubilar - oder zumindest nicht Jubilar aufgrund des hier zur Debatte stehenden Jubiläums.
In solchen Beispielen ist offensichtlich die Kennzeichnung außerhalb des Geltungsbereichs (Skopus) des Tempus. Eine verdeutlichende Paraphrase für das Beispiel wäre:
Durch die Annahme unterschiedlich weiter Skopoi kann es zu Mehrdeutigkeiten kommen:
Dieser Satz hat zwei Lesarten:
Ist die Kennzeichnung der Präsident im Bereich des Tempus, so ergibt sich die Lesart, dass es sich um den damaligen Präsidenten handelt, steht sie außerhalb, so haben wir die Lesart, dass es um den heutigen Präsidenten geht.
Entsprechend hat der Satz
gleich vier Lesarten, da zwei Kennzeichnungen auftreten, die sich jeweils innerhalb oder außerhalb des Skopus von Tempus und Temporaladverbiale befinden können. Mit etwas allgemeinem Weltwissen und - vor allem - in Kenntnis des Zeitpunkt, zu dem dieser Satz zum Zweck einer Feststellung geäußert wurde, lassen sich die Lesarten freilich auf eine einzige reduzieren.