Erlebte Rede
Ein Verwendungszusammenhang, in dem die würde-Form kaum gegen den Konjunktiv Präteritum ausgetauscht werden kann, ist die sogenannte 'erlebte Rede' bzw. das 'erlebte Denken'. Hier nimmt ein Sprecher oder Schreiber die Sicht eines am Geschehen unmittelbar Beteiligten, um über denkbare Entwicklungen zu reflektieren:
[Christa Wolf, Christa T., 69; zit. nach Steube 1985: 394]
[Heute Journal, 28.8.1989]
[XDW, 36]
Hier ist mit Nachzeitigkeit zu einem durchgehaltenen epischen Präteritum zu rechnen, denn nicht Zukunftsbezogenes in 'erlebten Denkens' oder ein Bezug auf sichere Zukunft würde im Präteritum formuliert:
[AMB, 637]
Bei Nachzeitigkeit zum epischen Präteritum kann gelegentlich auch im Erzählerbericht selbst, also außerhalb der erlebten Rede, die würde-Form erscheinen.
Hier kann anstelle von würde auch sollte auftreten:
[LGB, 45]
In solchen Texten ist die würde-Form nicht als Konjunktiv einzustufen, sondern als Indikativ Futurpräteritum. Entsprechend sind auch Formen des Indikativ Futurpräteritumperfekt anzusetzen:
Der besondere - in Erzähltexten stilistisch genutzte - Effekt solcher würde-Formen beruht darauf, dass die 'normale' Dynamik der Betrachtzeitverschiebung unterbleibt: Die Betrachtzeit bleibt auf dem im Vortext erreichten Stand, es wird lediglich auf eine künftige Ereigniszeit vorausgegriffen.