Konsequenzen des Propositionsprinzips für die indirekte Wiedergabe von Äußerungen

Originaläußerungen in den 'expressiven' Satzmodi

Exklamativ-Modus und Wunsch-Modus entziehen sich einer Umsetzung in indirekte Rede. Bei Originaläußerungen wie

Hat d e r einen hässlichen Hut!
Wäre sie doch hier!

können zwar in der Sache wiedergegeben und hinsichtlich der zum Ausdruck gebrachten Einstellung beschrieben werden, doch ist in den Wiedergabeformen der Modus der Originaläußerung nicht mehr erschließbar. Es hätte sich jeweils auch um eine andere Originaläußerung handeln können:

Sie hat ihr Erstaunen darüber geäußert, wie hässlich sein Hut war.
Ich wundere mich, dass der einen so hässlichen Hut hat.
Er hat den Wunsch ausgesprochen, dass sie in N. sein möge.
Ich wünsche mir, dass sie hier wäre.

Nicht-finit Einheiten und Ellipse

War die Originaläußerung nicht-finit oder eine Ellipse, ist bei indirekter Redewiedergabe ebenfalls mit dem Verlust des ursprünglichen Status zu rechnen. Sie müssen, zumindest, wenn es sich um die erste wiedergegebene Äußerung handelt, zu satzförmigen Propositionsausdrücken ergänzt werden:

OriginaläußerungWiedergabe
Nicht hinauslehnen! An dem Fenster befand sich ein Schild mit dem Hinweis, man solle sich nicht hinauslehnen.
So nicht! Er hat dann gesagt, so gehe das nicht.
Eigentlich schade! Er meinte dann, das sei eigentlich schade.

Bei elliptischen Originaläußerungen wie

Den Hammer, bitte!

oder

Der Geldbriefträger!

muss bei indirekter Wiedergabe sowohl der gemeinte Sachverhalt als auch der interaktive Stellenwert rekonstruiert werden:

Heinz rief mir zu, ich solle ihm den Hammer geben.
Tiziana sagte ganz erwartungsvoll, der Geldbriefträger ist da.

OriginaläußerungWiedergabe
Ich bin gegen Heimlichtuerei. Meine Frau übrigens auch.
Er sagte, er sei gegen Heimlichtuerei. Seine Frau übrigens auch.
Jens: Du musst das gleich erledigen. Dennis: Wieso ich?
Jens sagte, Dennis müsse das gleich erledigen. Der protestierte, wieso er.

Bei Wiedergabe ganzer Gespräche allerdings können nachfolgende analeptische Äußerungen auch analeptisch wiedergegeben werden:

In literarischen Texten finden sich gelegentlich solche nicht recht umsetzbaren situationsgebundenen Äußerungen als direkte Rede eingestreut in Kontexte indirekter Rede:

Und der Generalkapitän, der, wenn er wollte, bezaubern konnte, machte sich die Mühe, den kleinen Schreiber zu bezaubern (...) Und dann malte er ein Bild von Mexiko, vom Märchenland, vom Goldland Mexiko. Welche Möglichkeiten für unternehmende Männer! Der Notar sei ein Mann von Willenskraft und scharfsinnigem Verstand - das sehe man ihm an!
[E. Stucken; zit. nach Kaufmann 1976: 47]
... ; daher verbeugte er sich mit feierlichem Lächeln vor dem Freundespaar und fragte: "Wohl Kollegen in Apoll, wenn ich nicht irre?" Worauf Glück freundlich erwiderte, ja ganz richtig, sie seien beide Konservatoriumsschüler und ...
[Max Brod, August Nachreiters Attentat, NDE, 64; zit. nach Kaufmann 1976: 47]

Weitere nicht-propositionale Aspekte

Auch weitere nicht propositionale Aspekte von Originaläußerungen können indirekter Redewiedergabe entfallen: Die ursprüngliche Fokusstruktur geht verloren, wenn das Referierte durch einen abhängigen Verbletztsatz ausgedrückt wird, für den die Intonations- und Wortstellungsmöglichkeiten des vollständigen Satzes nicht gelten:

OriginaläußerungWiedergabe
Den Kerl bring ja nicht mehr mit!
Sie hat von mir verlangt, dass ich den Kerl ja nicht mehr mitbringen soll

Dagegen ist fokussierende Spitzenstellung von Phrasen in Verbzweit-Untersätzen der Redewiedergabe durchaus möglich:

Den Kerl solle ich (ja) nicht mehr mitbringen, hat sie von mir verlangt.

Hier wurde der gesamte Untersatz und in ihm die Phrase den Kerl in Spitzenstellung gebracht.

Abtönungspartikeln

In einer Originaläußerung verwendete Abtönungspartikeln werden in der Regel in die indirekte Redewiedergabe nicht übernommen, doch können bestimmte Partikeln auch hier auftreten:

Er sagte mir, ich solle doch mal bei ihm hereinschauen.
Er bestätigte, dass er ja wisse, ...

Es ist allerdings nicht eindeutig, ob die Partikeln als Teil der wiedergegebenen Äußerung zu betrachten sind oder als interpretierende Zutat. Gleiches gilt für wertende und kommentierende Ausdrücken, etwa wertende Personenbezeichnungen (Schimpfwörter) oder wertende Adverbialia wie leider, glücklicherweise:

Von ihm weiß ich, dass der Dummkopf glücklicherweise nicht kommt.

Interjektionen, Vokative

Äußerungsbestandteile, die im Diskurs unmittelbar zur Lenkung von Gesprächspartnern eingesetzt werden, also Interjektionen und Vokative, haben bei indirekter Redewiedergabe keinen Ort.

Formelhafte Originaläußerungen

Formelhafte Originaläußerungen, etwa Begrüßungsformeln, Kontaktformeln allgemein ohne propositionalen Gehalt können nicht indirekt wiedergegeben werden.

Alle auf das Propositionsprinzip zurückzuführenden Regularitäten sind durch die Situationsentbindung zu erklären, die beim Übergang von einer Originaläußerung zur indirekten Redewiedergabe stattfindet. Bei direkter Redewiedergabe wird die Gesamtäußerung zitiert, der Satzmodus bleibt erhalten, expressive und partnersteuernde Momente können wiedergegeben werden. Nur so kann versucht werden, die Originaläußerung insgesamt, also einschließlich ihrer prosodischen Gestaltung, der Dialektfärbung oder Stimmlage des Sprechers zu imitieren.

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