Konsequenzen des Propositionsprinzips für die indirekte Wiedergabe von Äußerungen
Originaläußerungen in den 'expressiven' Satzmodi
Exklamativ-Modus und Wunsch-Modus entziehen sich einer Umsetzung in indirekte Rede. Bei Originaläußerungen wie
können zwar in der Sache wiedergegeben und hinsichtlich der zum Ausdruck gebrachten Einstellung beschrieben werden, doch ist in den Wiedergabeformen der Modus der Originaläußerung nicht mehr erschließbar. Es hätte sich jeweils auch um eine andere Originaläußerung handeln können:
Nicht-finit Einheiten und Ellipse
War die Originaläußerung nicht-finit oder eine Ellipse, ist bei indirekter Redewiedergabe ebenfalls mit dem Verlust des ursprünglichen Status zu rechnen. Sie müssen, zumindest, wenn es sich um die erste wiedergegebene Äußerung handelt, zu satzförmigen Propositionsausdrücken ergänzt werden:
Originaläußerung | Wiedergabe |
Nicht hinauslehnen! | An dem Fenster befand sich ein Schild mit dem Hinweis, man solle sich nicht hinauslehnen. |
So nicht! | Er hat dann gesagt, so gehe das nicht. |
Eigentlich schade! | Er meinte dann, das sei eigentlich schade. |
Bei elliptischen Originaläußerungen wie
oder
muss bei indirekter Wiedergabe sowohl der gemeinte Sachverhalt als auch der interaktive Stellenwert rekonstruiert werden:
Originaläußerung | Wiedergabe |
Ich
bin gegen Heimlichtuerei. Meine Frau übrigens
auch. | Er sagte, er sei gegen Heimlichtuerei. Seine Frau übrigens auch. |
Jens:
Du musst das gleich erledigen. Dennis: Wieso
ich? | Jens sagte, Dennis müsse das gleich erledigen. Der protestierte, wieso er. |
Bei Wiedergabe ganzer Gespräche allerdings können nachfolgende analeptische Äußerungen auch analeptisch wiedergegeben werden:
In literarischen Texten finden sich gelegentlich solche nicht recht umsetzbaren situationsgebundenen Äußerungen als direkte Rede eingestreut in Kontexte indirekter Rede:
[E. Stucken; zit. nach Kaufmann 1976: 47]
[Max Brod, August Nachreiters Attentat, NDE, 64; zit. nach Kaufmann 1976: 47]
Weitere nicht-propositionale Aspekte
Auch weitere nicht propositionale Aspekte von Originaläußerungen können indirekter Redewiedergabe entfallen: Die ursprüngliche Fokusstruktur geht verloren, wenn das Referierte durch einen abhängigen Verbletztsatz ausgedrückt wird, für den die Intonations- und Wortstellungsmöglichkeiten des vollständigen Satzes nicht gelten:
Originaläußerung | Wiedergabe |
Den
Kerl bring ja nicht mehr
mit! | Sie hat von mir verlangt, dass ich den Kerl ja nicht mehr mitbringen soll |
Dagegen ist fokussierende Spitzenstellung von Phrasen in Verbzweit-Untersätzen der Redewiedergabe durchaus möglich:
Hier wurde der gesamte Untersatz und in ihm die Phrase den Kerl in Spitzenstellung gebracht.
Abtönungspartikeln
In einer Originaläußerung verwendete Abtönungspartikeln werden in der Regel in die indirekte Redewiedergabe nicht übernommen, doch können bestimmte Partikeln auch hier auftreten:
Es ist allerdings nicht eindeutig, ob die Partikeln als Teil der wiedergegebenen Äußerung zu betrachten sind oder als interpretierende Zutat. Gleiches gilt für wertende und kommentierende Ausdrücken, etwa wertende Personenbezeichnungen (Schimpfwörter) oder wertende Adverbialia wie leider, glücklicherweise:
Interjektionen, Vokative
Äußerungsbestandteile, die im Diskurs unmittelbar zur Lenkung von Gesprächspartnern eingesetzt werden, also Interjektionen und Vokative, haben bei indirekter Redewiedergabe keinen Ort.
Formelhafte Originaläußerungen
Formelhafte Originaläußerungen, etwa Begrüßungsformeln, Kontaktformeln allgemein ohne propositionalen Gehalt können nicht indirekt wiedergegeben werden.
Alle auf das Propositionsprinzip zurückzuführenden Regularitäten sind durch die Situationsentbindung zu erklären, die beim Übergang von einer Originaläußerung zur indirekten Redewiedergabe stattfindet. Bei direkter Redewiedergabe wird die Gesamtäußerung zitiert, der Satzmodus bleibt erhalten, expressive und partnersteuernde Momente können wiedergegeben werden. Nur so kann versucht werden, die Originaläußerung insgesamt, also einschließlich ihrer prosodischen Gestaltung, der Dialektfärbung oder Stimmlage des Sprechers zu imitieren.