Autor, Doktor, Friede, Funke — Problemfälle der Flexion?

Es gibt im Deutschen einige Nomina, deren Deklination im Singular Schwierigkeiten bereitet. Hierzu zählen u. a. solche, die im Nominativ Singular auf -or enden, z. B. der Autor, der Doktor:

Was ist korrekt – des Autors oder des Autoren?
Wird man zum Doktor oder zum Doktoren ernannt?

Ebenfalls problematisch scheinen Nomina, die im Nominativ Singular sowohl auf -e als auch auf -en enden können, z. B.:

Der Friede und der Funke oder muss es der Frieden und der Funken heißen?
Ist um des Friedens willen oder um des Frieden willen richtig?

Bei den hier behandelten Problemfällen besteht gelegentlich Unsicherheit bei ihrer Zuordnung zu einer bestimmten Deklinationsklasse. Die maskulinen Nomina Autor, Doktor, Friede, Funke schwanken zwischen der sog. "starken" und "schwachen" Flexion. In den meisten Fällen legt die Norm fest, zu welcher Deklinationsklasse ein Nomen gehört, und entscheidet somit, welche Kasusformen standardsprachlich korrekt und welche "falsch" sind bzw. von der Norm abweichen. Manchmal sind aber auch beide Formen zulässig, wobei die eine Variante meistens häufiger verwendet wird als die andere. Grundlage für unsere nachfolgenden Aussagen über die Häufigkeit der Varianten stellen Recherchen im Deutschen Referenzkorpus (DeReKo, Stand März 2024) dar.

Für eine ausführlichere Erklärung müssen zunächst einige Gemeinsamkeiten der hier behandelten Problemfälle genauer betrachtet werden:

  • Es handelt sich um maskuline Nomina (Maskulina).
  • Die Unsicherheiten ergeben sich bei den Kasusformen im Singular.
  • Die Problemfälle mit unsicheren Akkusativ-, Dativ- und Genitivformen bezeichnen Lebewesen. Ihre Genitivformen schwanken zwischen der Bildung mit -s oder mit -en, die Akkusativ- und Dativformen zwischen Endungslosigkeit und der Bildung mit -en.
  • Die Problemfälle mit unsicherer Nominativform schwanken zwischen der Bildung mit oder ohne -n. Ihre Genitivformen werden unregelmäßig mit der Endung -(e)ns gebildet.

Die spezifischen Probleme bei der Bildung der Kasusformen dieser und ähnlicher Fälle lassen sich erklären, wenn man einen Blick auf die Deklinationsklassen der Nomina wirft:

Starke und schwache Flexion

Es gibt eine Gruppe maskuliner Nomina, die im Akkusativ, Dativ und Genitiv im Singular die Endung -(e)n erhält und eine eigene Deklinationsklasse (Flexionsklasse) bildet. Traditionell wird diese Eigenschaft als "schwache" Flexion bezeichnet, die von der "starken" Flexion (wie z. B. bei der Tag – des Tag(e)s) unterschieden wird:

Kasusalle Femininaeinige Maskulina
(schwache Flexion)
Maskulina, Neutra und Eigennamen
(starke Flexion)
Nominativdie Frauder Löweder Tag, das Haus, Erika
Akkusativdie Frauden Löwenden Tag, das Haus, Erika
Dativder Fraudem Löwendem Tag(e), dem Haus(e), Erika
Genitivder Fraudes Löwendes Tag(e)s, des Haus(e)s, Erikas

Maskulina (und Neutra), die stark flektieren, erhalten im Genitiv die Suffixe -s bzw. -es (siehe: Eines Tags oder eines Tages? — Genitivformen kurz und lang). Maskulina, die schwach flektieren, erhalten im Akkusativ, Dativ und Genitiv Singular sowie im Plural (alle Kasus) die Suffixe -en bzw. -n. Bei den "schwachen" Maskulina können also nur zwei Flexionsformen unterschieden werden: die Form des Nominativ Singulars (ohne -(e)n) und die Form für alle anderen Kasus in Singular und Plural (mit -(e)n).

Charakteristisch für schwach flektierende Maskulina ist auch, dass sie fast durchweg Lebewesen bezeichnen, genauer gesagt Personen und höhere Tiere. Lebewesen bezeichnende Maskulina, deren Wortstamm im Nominativ Singular auf -e endet, flektieren stets schwach, z. B.:

(a) Bote, Franzose, Junge; Affe, Hase, Löweden/dem/des Boten usw.

Dies gilt ebenfalls für die meisten Maskulina, deren Wortstamm im Nominativ Singular nicht auf -e endet, sofern sie die Pluralendung -(e)n besitzen, z. B.:

(b) Bub, Demonstrant, Held, Soldat, Mensch; Bär, Spatzden/dem/des Bären usw.

Bei vielen schwachen Maskulina handelt es sich um Ableitungen (Derivate), die aus ganz bestimmten Einheiten der Wortbildung entstanden sind, z. B.:

der Bio log edes Bio log en
der Polizistdes Polizisten
der Lieferantdes Lieferanten

Obwohl ihr Bestand durch Wortbildung erweitert werden kann (und wird), stellen die schwach flektierenden Maskulina eine vergleichsweise kleine Gruppe dar. Die meisten maskulinen Nomina flektieren stark. Entsprechend ausgeprägt ist auch die Tendenz, im Zweifel lieber stark zu flektieren. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, dass dies nicht pauschal für alle Maskulina gilt.

Schwankung zwischen starker und schwacher Flexion

Nicht zu den schwach flektierenden Maskulina gehören grundsätzlich solche mit einem Wortstamm auf unbetontes -or. Obwohl sie wie die Beispiele in (b) den Plural mit -en bilden und häufig Lebewesen bezeichnen, flektieren sie im Standarddeutschen stark, d. h. sie bilden den Genitiv Singular wie die meisten Maskulina mit -(e)s. Ähnliche Eigenschaften besitzen auch einzelne belebte Maskulina auf unbetontes -er, die ebenfalls stark flektieren. Beispiele:

(c) Autor, Doktor (auch Vetter) → den/dem/des Autors usw.

Sie werden ausführlicher im Abschnitt Autor/Doktor behandelt.

Einige wenige Maskulina besitzen unregelmäßige Kasusformen im Singular, die sowohl Ähnlichkeiten mit der starken als auch mit der schwachen Flexion aufweisen und diesbezüglich als Mischtyp betrachtet werden können, z. B.:

(d) Friede(n), Funke(n), Name(n), Drache(n)

Sie werden ausführlicher im Abschnitt Friede(n)/Funke(n) behandelt.

Autor/Doktor

Folgende Varianten sind belegt:

(1) Es sind solche Kleinigkeiten, die diese Biographie von Charles Nicholl so lesenswert machen. Sie sagen etwas über die Freude des Autors aus, sich in das Leben des Genies da Vinci zu begeben. (VDI Nachrichten, 29.06.2007)
(2) Denn die Freude des Autoren bei der Lesung ist ansteckend. (Mannheimer Morgen, 10.10.2005)
(3) Die Augustana-Hochschule verleiht ihm im Luthersaal der Diakonie in Neuendettelsau die Würde eines Doktors der Theologie. (Nürnberger Zeitung, 12.02.2008)
(4) Für Paulus gibt es daher einen grundlegenden Unterschied zwischen der Autorität eines Apostels und der eines Doktoren der Theologie. (Schlier, H. (1989): Der Brief an die Galater. Göttingen. S 44.)

Die Zweifelsfälle Autor und Doktor besitzen einen Wortstamm, der auf unbetontes -or endet und flektieren, wie oben bei (c) erwähnt, standardsprachlich stark. Dies gilt auch für zahlreiche Personenbezeichnungen, z. B. Direktor, Mentor, Investor, Lektor, Professor, Senator und Sachbezeichnungen, z. B. Faktor, Monitor, Motor, Prozessor, Rotor, Vektor, Ventilator. Die Entstehung dieser Zweifelsfälle, aber auch anderer Maskulina mit unsicherer Kasusflexion im Singular, lässt sich mit einer Übergeneralisierung des Prinzips erklären, wonach belebte Maskulina, die den Plural wie in (b) mit -(e)n bilden, schwach flektieren. Ein Blick auf die Ergebnisse einer DeReKo-Recherche zeigt allerdings, dass die schwach flektierten Formen im Verhältnis zu den stark flektierten (standardsprachlich akzeptierten) Formen von Autor und Doktor äußerst selten sind. Gesucht wurden Genitiv-Singular-Formen in Verbindung mit unbestimmtem und bestimmtem Artikel:

Gen.Sg.-VariantenBelegeVerhältnis*
eines/des Autors110.28097,5%
eines/des Autoren2.8812,5%
eines/des Doktors4.13599,8%
eines/des Doktoren70,2%

*Prozentuales Verhältnis der beiden Varianten zueinander, bezogen auf die Summe der Belege beider Varianten.

Obwohl das schwach flektierte eines/des Doktoren in DeReKo nur siebenmal belegt ist, kann es dennoch als aussagekräftig betrachtet werden. Diese Annahme wird durch eine Internetsuche bestätigt, die zahlreiche Belege liefert. Dass schwach flektiertes eines/des Doktoren so selten ist, hat bestimmte Gründe: Berücksichtigt man jeweils alle Flexionsformen beider Nomina, sind die Formen von Autor im Korpus in der Summe etwa zwanzig Mal häufiger als die von Doktor. Bei dem selteneren Doktor handelt es sich zudem um ein Nomen, das auch als Titel verwendet werden kann, womit besondere Flexionseigenschaften verbunden sind, die wiederum zu anders gelagerten Zweifelsfällen führen können.

Bei Verbindungen aus Titel + Eigenname ohne vorangehenden Artikel bleibt der Titel generell unflektiert, z. B.:

...vielleicht mithilfe Doktor Antinoris, jenes berühmten Mediziners aus der Achsenmacht Italien. (zeit.de, 18.12.2002)

Aber auch mit vorangehendem Artikel kann der Titel unflektiert bleiben, z. B.:

„Das Kabinett des Doktor Parnassus“ (Filmtitel)

Siehe: Auf Wunsch Professor Müllers oder Auf Wunsch Professors Müller? — Genitiv bei Titeln in Verbindung mit Eigennamen.

Es gibt eine ganze Reihe ähnlicher Fälle, bei denen das Verhältnis von starken zu schwachen Varianten auf eine noch größere Unsicherheit schließen lässt:

Ähnliche Fälle

Auch bei anderen Maskulina mit unsicherer Kasusflexion im Singular lässt sich die Existenz von Varianten mit der Übergeneralisierung des "Belebtheit-Prinzips" erklären. Einige der Lebewesen bezeichnenden Maskulina, die standardsprachlich eigentlich stark flektieren, bilden schwach flektierte Varianten. Beispielsweise existieren zu Dämon (des Dämons) und Zwerg (des Zwerg(e)s) die schwach flektierten Varianten des Dämonen und des Zwergen, die vergleichsweise häufig belegt sind, z. B.:

Just diese Wahrnehmung scheut der Riese, er findet sie ganz einfach nicht lohnend genug. Lieber klammert er sich an den freundlichen Schein des Zwergen. (Die Zeit, 21.07.1995)

Umgekehrt gibt es auch bei den "schwachen" Maskulina, insbesondere bei denen vom Typ der Beispiele in (b), stark flektierte Varianten, z. B. den Studenten (Singular) (den Student), des Helden (des Helds), dem Bären (dem Bär). Obwohl diese Formen in der Regel nicht als standardsprachlich akzeptiert werden, tauchen sie in Korpora auf, z. B.:

Im Internet können Bewunderer des "Helds vom Hudson" jetzt ihrem Idol nacheifern und die erfolgreiche Notwasserung eines Flugzeugs auf dem New Yorker Fluss nachspielen. (ntv.de, 31.01.2009)
Gen.Sg.-VariantenBelegeVerhältnis
eines/des Bärs860,8%
eines/des Bären11.00199,2%
eines/des Zwergs34983,7%
eines/des Zwergen6816,3%
eines/des Dämons91877%
eines/des Dämonen27423%

In einigen Fällen sind sowohl die schwach als auch die stark flektierten Formen als Standard akzeptiert.

Die Duden-Grammatik (2006): 228ff. gibt an, dass folgende Maskulina standardsprachlich sowohl schwach als auch stark flektiert werden können:

Ahn, Bauer, Fratz, Greif, Lump, Nachbar, Oberst, Protz, Steinmetz, Typ

In einigen Fällen gelte die schwache Genitivform als regionalsprachlich, z. B. Fex (des Fexen), Hahn (des Hahnen), Pfau (des Pfauen) bzw. veraltet, z. B. Gevatter (des Gevattern), Hanswurst (des Hanswursten), Mai (des Maien), März (des Märzen), Prahlhans (des Prahlhansen).

Friede(n)/Funke(n)

Folgende Varianten sind belegt:

(5) Der Friede ist für Kant denkmöglich, objektiv möglich und real notwendig. (Jüttner, S./Schlobach, J. (Hgg.) (1992): Europäische Aufklärung. Hamburg. S.88)
(6) Der Frieden ist für Israel eine Existenzfrage. Aber wer bestimmt seinen Preis? (Berliner Zeitung, 04.01.2002)
(7) Das Gas ist schwerer als Luft, ein Funke genügt, um es explodieren zu lassen. (taz, 10.5.2007)
(8) Ein weiterer Punkt ist, dass bei Konzentrationen von ca. 10 % Wasserstoff und 90 % Luft nur ein Funken genügt, um eine Knallgasexplosion zu zünden. (www.solaranlagen-bayern.de/brennstoffe/wasserstoff, gesehen am 5.1.2011)

Die Ergebnisse der folgenden DeReKo-Recherche zeichnen ein uneinheitliches Bild. Im Fall von ein/der Frieden attestieren sie eine häufigere Verwendung der Variante mit -n, bei ein Funke ist die Variante ohne -n häufiger:

Nom.Sg.-VariantenBelegeVerhältnis
ein/der Friede9.44131,8%
ein/der Frieden20.20468,2%
ein Funke*4.45157,7%
ein Funken*3.26642,3%

*Suche ohne bestimmten Artikel aufgrund des Formenzusammenfalls Nom.Sg./Gen.Pl. von der Funken

Die Zahlen sind hier allerdings nur bedingt aussagekräftig, da die Belege nicht nach Lesarten differenziert sind, die teilweise unterschiedliche Präferenzen für die eine oder andere Variante aufweisen. Das fällt insbesondere bei Funk(e) ins Gewicht.

Bei Funke(n) lassen sich verschiedene Lesarten abgrenzen, die zum Teil sehr unterschiedliche Präferenzen bei der Wahl der Kasusformen aufweisen. Dies lässt sich gut zeigen, indem man gezielt nach ganz bestimmten Wortverbindungen sucht, die für eine Lesart typisch sind:

Funke(n) als "glühendes Teilchen" wie in den Beispielen (7) und (8), bzw. im übertragenen Sinne, z. B.:

(9) Der Funken springt immer auf das Publikum über, das mit Carlos und seiner Band bei Konzerten eine überschwängliche Rock-Fiesta feiert. (Mannheimer Morgen, 12.05.2010)

Eine Suche in Verbindung mit einer Form (3. Person Singular) des Verbs springen im Präsens, Präteritum oder Partizip II im selben Satz ergibt eine sehr eindeutige Präferenz für die Nominativ-Singular-Variante ohne -n:

Nom.Sg.-VariantenBelegeVerhältnis
ein/der Funke + springt/sprang/gesprungen1.50995%
ein/der Funken + springt/sprang/gesprungen795%

Funke(n) mit der Bedeutung "bisschen", z. B.:

(10) Wenn in der Behauptung aber nur ein Funken Wahrheit steckt, liegt hier viel Geld brach. (Braunschweiger Zeitung, 13.04.2010)

In dieser Lesart folgt auf Funke(n) fast immer direkt ein Nomen als Attribut. In DeReKo sind die drei häufigsten Kollokationspartner Hoffnung, Anstand und Wahrheit. Im Gegensatz zur Lesart in Beispiel (9) ist hier eine – wenn auch nicht ganz so eindeutig ausgeprägte – Präferenz für die Nominativ-Singular-Variante mit -n erkennbar:

Nom.Sg.-VariantenBelegeVerhältnis
ein/der Funke Hoffnung/Anstand/Wahrheit52427,1%
ein/der Funken Hoffnung/Anstand/Wahrheit1.40672,9%

Daneben existieren noch spezifische regionale Verwendungen:

Der Funke (meistens im Plural verwendet) als "Figur des [Kölner] Karnevals" und Bezeichnung der historischen Kölner Stadtsoldaten (vgl. Duden – das große Wörterbuch der deutschen Sprache), z. B.:

Nach den ersten umjubelten Zooshows trat Petermann bei Dutzenden von Prunksitzungen im Karneval auf, als Tanzmariechen und roter Funke, mit Narrenkappe Kölsch trinkend, tanzend, radfahrend, shakernd. (die tageszeitung, 10.10.1995)

Der Funken (vorwiegend stark flektiert) als regional (Süddeutschland, Österreich, Schweiz) verbreiteter "Frühjahrsbrauch" und "Scheiterhaufen für das Fastnachtsfeuer" (vgl. Duden – Wörterbuch des österreichischen Deutsch), z. B.:

Höhepunkt des Abends ist der Funken, an den um ca. 21 Uhr Feuer gelegt wird, und das grosse Feuerwerk um 22.30 Uhr. (St. Galler Tagblatt, 31.07.2008)

Im Mittelhochdeutschen handelte es sich bei vride bzw. vunke um schwach flektierende Maskulina, d. h. aus sprachhistorischer Sicht sind die Formen ohne -n im Nominativ Singular die älteren. Warum haben sich im Laufe der Zeit parallel zu Friede/Funke (und ähnlichen Fällen) die Formen mit n im Nominativ Singular gebildet, während sich bei anderen schwach flektierenden Maskulina keine solchen Varianten gebildet haben? Die schwache Kasusendung -n wurde offenkundig auf den Nominativ übertragen und damit als Teil des Wortstammes interpretiert. Dies kann als Versuch betrachtet werden, die beschriebenen Nomina regelhaft nach dem Vorbild der starken Flexion zu flektieren. Bei diesen und anderen, ähnlichen Fällen handelt es sich außerdem um keine Lebewesen. Der Übergang zur starken Flexion unterstützt also auch die im heutigen Deutsch eindeutige Tendenz, die Gruppe schwach flektierender Nomina auf belebte Maskulina zu beschränken.

Die Anpassung an die starke Flexion zieht auch eine Kennzeichnung des Genitiv Singulars mithilfe der Endung -s (je nach Nominativ-Singular-Form: -ns) nach sich: des Friedens/Funkens. Da auch zu Friede/Funke der Genitiv standardmäßig mit -ns (nicht nur -s) gebildet wird, muss man in diesen Fällen von einem eigenen Mischtyp zwischen starker und schwacher Flexions ausgehen. Die schwachen Genitivformen (des Frieden/Funken) sind im heutigen Deutsch selten, aber nicht ganz verschwunden:

Deshalb ist es ein Anliegen der Mayener Kirchengemeinden, gemeinsam für den Erhalt des Frieden zu beten. (RZ, 15.02.2003)
Die ausgedörrte Region bedarf nur noch eines Funken. Und auch den liefert meist der Mensch. (dpa, 24.10.2007)

Die Schwankungen bei Friede(n)/Funke(n) im heutigen Deutsch zeugen davon, dass die Entwicklung von der schwachen zur starken Flexion noch nicht vollständig abgeschlossen ist.

Starke Flexion, schwache Flexion und der Mischtyp am Beispiel Funke(n) (Kasusendungen sind fett gekennzeichnet):

Starke Flexion
(regelmäßig)
Mischtyp
(unregelmäßig)
Schwache Flexion
(regelmäßig, selten/veraltet)
NominativFunkenFunkeFunke
AkkusativFunkenFunkenFunken
DativFunkenFunkenFunken
GenitivFunkensFunkensFunken

Ähnliche Fälle

Neben Friede(n) und Funke(n) bilden auch die Maskulina Drache(n), Fels(en), Gedanke(n), Gefalle(n), Glaube(n), Haufe(n), Name(n), Same(n), Wille(n) hinsichtlich ihrer Deklinationsklasse einen Mischtyp zwischen starker und schwacher Kasusflexion: Obwohl sie eine Nominativ-Singular-Variante ohne -n besitzen, bilden sie ihre Genitiv-Singular-Form auf -(e)ns. Der Sonderfall Buchstabe besitzt nur eine Nominativ-Singular-Form (ohne -(e)n) aber Genitiv-Singular-Varianten auf -ns (Mischtyp) und -n (schwach flektiert).

Da auch in diesen Fällen der Prozess des Deklinationsklassenwechsels nicht abgeschlossen ist, schwankt der Großteil dieser Nomina zwischen der Nominativ-Singular-Form mit oder ohne -(e)n (z. B. der Drache – der Drachen; der Fels – der Felsen) und zwischen schwachen und starken Genitivformen (z. B. des Drachendes Drachens). Aus diesem Grund überrascht es auch nicht, für die endungslose Nominativform Fels die – wenn auch seltenere – Genitivform Felses anzutreffen, die v.a. in fachsprachlicher Verwendung belegt sind. Hier bildet die endungslose Nominativform die Grundlage für die starke Flexion, an die regelhaft im Genitiv ein -s (statt -(e)ns) angehängt wird. Beispiele:

Den Nichtalpinisten interessieren in Wirklichkeit weder die Beschaffenheit des Felses noch die Topographie des jeweiligen Berges [...]. (Vorarlberger Nachrichten, 08.01.2000)

Oft ist die Nominativ-Singular-Form auf -e standardsprachlich (noch) vorherrschend: der Name (der Namen); der Glaube (der Glauben); der Gedanke (der Gedanken).

Einige Formen auf -e sind im heutigen Deutsch veraltende/veraltete Varianten (der Gefalle, der Haufe, der Same). Gelegentlich werden die Varianten auch semantisch oder stilistisch differenziert verwendet, z. B. Drache für das Fabeltier und Drachen für das Fluggerät.

Fazit

Im Standarddeutschen wird die Genitiv-Singular-Form von Autor und Doktor auf -s gebildet: des Autors bzw. Doktors (starke Flexion). Die Nominativ-, Akkusativ- und Dativformen sind im Singular endungslos (der/den/dem Autor). Die Akkusativ-, Dativ- und Genitivformen auf -en, also den/dem/des Autoren bzw. Doktoren (schwache Flexion), sind demnach als standardsprachlich abweichend zu betrachten. Diese Regel gilt generell für Nomina, deren Nominativ Singular auf ein unbetontes -or endet, z. B. Direktor, Mentor, Ventilator, Monitor.

Bei den Nominativ-Singular-Formen der Friede/Frieden bzw. Funke/Funken sind jeweils beide Varianten standardsprachlich akzeptiert. Dies gilt auch für eine Reihe anderer Nomina wie z. B. Drache(n), Fels(en), Gedanke(n), Glaube(n), Haufe(n), Name(n), Wille(n). Bestimmte Varianten können teilweise in unterschiedlicher Bedeutung verwendet werden. Die Genitiv-Singular-Formen lauten des Friedens bzw. Funkens (Drachens, Namens usw.). Daneben existieren zum Teil auch schwach (mit -en) und stark (mit -(e)s) flektierte Varianten.

Dieser Beitrag findet sich in seiner Originalversion in der Festschrift für Bruno Strecker, den Erfinder der "Grammatik in Fragen und Antworten", über den IDS-Buchshop sowie den IDS-Publikationsserver.

Hagen Augustin (2012): Autor, Doktor, Friede, Funke — Problemfälle der Flexion. In: Marek Konopka / Roman Schneider: Grammatische Stolpersteine digital — Festschrift für Bruno Strecker zum 65. Geburtstag. Mannheim: Institut für deutsche Sprache. http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:mh39-14594

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