Wegen mangelnden Dienstinteresses oder wegen mangelndes Dienstinteresses? — Flexion von Adjektiven nach einer Präposition

Kompetente Sprecher und Schreiber des Deutschen werden hier sofort antworten: Selbstverständlich muss es heißen wegen mangelnden Dienstinteresses, und – das zeigen Recherchen im Deutschen Referenzkorpus (DeReKo) überdeutlich — sie haben recht damit.

Folgt auf die Präposition wegen eine artikellose, von einem attributiven Adjektiv (Eigenschaftswort) eingeleitete Nominalphrase, wie im Fall der hier gestellten Frage, dann wird es sich meist um eine Phrase im Genitiv handeln (wegen schlechten Wetters, wegen groben Foulspiels, wegen alter Männer), seltener auch um Phrasen im Dativ (wegen gutem Wetter, wegen leerer Kasse, wegen vollen Taschen). In einer DeReKo-Stichprobe vom 11.06.2012 fanden sich unter 85.352 Belegen für Ausdrucksfolgen dieses Typs jedoch gerade mal 101 Belege, bei denen die Adjektive auf s endeten, also knapp 0,12%. Eine ergänzende Recherche am 17.12.2024 mit KorAP förderte unter 1.282.347 Belegen für direkte Abfolgen aus wegen, einem Adjektiv und einem Nomen ganze 18 Belege (allesamt aus Internetforen) zu Tage, bei denen das Adjektiv auf es endet. Davon passen 17 nicht zur vorliegenden Fragestellung, z.B.:

Von wegen gutes Vorbild und so. (Wikipedia-Benutzerdiskussion, 2017, http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer_Diskussion:1234567891011a)
Ich hatte gelöscht wegen "relevantes Lemma, aber nicht in dieser Artikelform". (Wikipedia-Benutzerdiskussion, 2017, http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer_Diskussion:Avron/Lederstreifige_Panzerung)

Nur ein einziger Beleg scheint einschlägig:

In deiner Version von dem Filmproduzenten Lorenzo di Bonaventura erwähnst du nur seine erste Station seiner Karriere, die wegen mangelndes Erfolges mit einer Kündigung endet. (Wikipedia-Benutzerdiskussion, 2017, http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer_Diskussion:Anstecknadel/Archiv)

Insgesamt treten solche Belege damit in etwa so häufig auf wie übliche Schreibfehler und sind deshalb kaum als alternative Ausdrucksformen zu werten.

Generell ist festzustellen, dass die Flexion von Adjektiven, die unmittelbar auf eine Präposition folgen, sich in keiner Weise von ihrer sonstigen Flexion unterscheidet.

Zu Problemen bei der Wahl der richtigen Kasusform kommt es wohl meist aufgrund von Unsicherheit, welcher Kasus überhaupt auf die jeweilige Präposition zu folgen habe.

Im Fall der Bildung von Genitivformen scheint jedoch noch ein besonderes Problem vorzuliegen: Zwischen einem auf s endenden Artikelwort und einem ebenso endenden Nomen (etwa eines ... Tages, dieses ... Hauses) steigt möglicherweise die Versuchung, auch dem Adjektiv eine solche Form zu geben. So jedenfalls könnte es zu erklären sein, dass man bei einer DeReKo-Suche neben 2.597 Belegen für eines schönen Tages auf immerhin 28 Belege für eines schönes Tages trifft, z.B.:

Nach seinem Teufelsschuss grölt er sich immer verzweifelter von dannen: "Don’t cry for me", eines schönes Tages bin ich zurück. (Badische Zeitung, 18.11.2012, S. 13)
Hoch droben über der Stadt beobachtete sie eines schönes Tages, wie die Sonne hinter den Dächern am Horizont versank, das Abendlicht zauberte eine milchig-gelbe Stimmung an den Himmel. (Sächsische Zeitung, 17.05.2016, S. 18)

Eine flankierende Internetsuche findet sogar noch mehr schönes-Anteile, darunter viele Genitive wie am Ende eines schönes Tages. Ob sich damit ein Trend abzeichnet, der eines fernen Tages zu neuen Konventionen bei der Flexion von Adjektiven im Deutschen führen wird, sei dahin gestellt.

Speziell zum Kasus nach wegen finden Sie ausführliche Informationen unter Wegen dem Regen oder wegen des Regens — Dativ oder Genitiv?

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Autor(en)
Bruno Strecker
Bearbeiter
Roman Schneider
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