Er besteht auf seinem Recht oder auf sein Recht? — Dativ oder Akkusativ nach verbbestimmten Präpositionen

Für eilige Leser ist die Frage im Titel schnell zu beantworten: Sie können die eine oder die andere Form wählen. Zwar kommen Formen vom Typ auf seinem Recht bestehen (Dativ/Wemfall) wesentlich häufiger vor als solche vom Typ auf sein Recht bestehen (Akkusativ/Wenfall). Doch trifft man auch so häufig auf Akkusativformen, dass diese nicht begründet als unkorrekt zu werten sind, zumal keine verbindliche Norm besteht.

Doch dies gilt so nur für auf in Verbindung mit bestehen sowie beharren und insistieren, also Verben mit ähnlicher Bedeutung. Will man die exemplarisch gemeinte Frage grundsätzlich beantworten, muss man weiter ausholen.

Präpositionalphrasen als Präpositivkomplemente

Phrasen wie auf seinem Recht, auf sein Recht, in die Stadt, hinter dem Haus werden als Präpositionalphrasen bezeichnet. Solche Phrasen können im Satz in verschiedenen Funktionen auftreten. Hier ist vor allem ihre Verwendung als Präpositivkomplement von Interesse. Das hört sich sehr technisch und kompliziert an, meint jedoch durchaus alltägliche Erscheinungen wie die in diesen Sätzen markierten Ausdrucksfolgen:

Er sah mich mitleidig an und antwortete: "Ich halte ihn für einen Musiker, einen sehr, sehr großen Musiker."
[die tageszeitung, 17.09.1990, S. 15-16 ]
Die Spende setzt sich zusammen aus dem Erlös der Tombola bei der Drömlingmesse, für die das DRK die Lose verkaufte und die Gewinne ausgab, sowie einem Zuschlag, mit dem der Verkehrsverein die Summe aufstockte.
[Braunschweiger Zeitung, 13.11.2007]
Letztlich haben sich die Sorgen aber als unbegründet erwiesen. Denn die Tochter kommt ganz nach dem Vater: Als Maturaarbeit am Lehrerseminar in Kreuzlingen baute sie eine Solaranlage aufs Dach der Schule.
[St. Galler Tagblatt, 02.07.2011, S. 31]

Mehr zu den syntaktischen Funktionen von Präpositionalphrasen finden Sie in der Systematischen Grammatik.

Bei Präpositionen wie aus, nach, für ergeben sie dabei keine speziellen Schwierigkeiten. Man muss, wie bei jeder Verwendungsweise dieser Präpositionen, einfach wissen, welcher Kasus auf sie zu folgen hat. Doch bei den Präpositionen in, auf und an, auf die grundsätzlich zwei verschiedene Kasus folgen können, ist auch das Verb in Rechnung zu stellen, zu dem die Präpositionalphrase als Präpositivkomplement tritt:

Ich dachte an den Preis des Flugtickets und an meinen Auftrag, und ich fühlte mich falsch.
[Berliner Zeitung, 16.09.2000, S. 3]
Daß der Branchenriese den Miniaturisierungsrekord knapp verfehlte, lag einzig und allein an dem seitlich ausschwenkbaren Flüssigkristall-Bildschirm des Geräts.
[Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.11.1997]
"Stellen Sie sich vor, sie verlieren durch eine Operation ihre Brust, dieser Schock, ich versetzte mich in die Lage der Patientin und baue eine Vertrauensbasis auf", erzählt Gabriele Schmidl.
[ Kleine Ztg., 05.07.1998 ]
Wer Meister wird, steht in den Sternen.
[http://www.sebastian-bartoschek.de/cms/topics/wer-meister-wird-steht-in-den-sternen.php — Suche am 26. 6. 2012]
Das Bürgerbegehren steht auf der Kippe, weil Garmischer Olympiagegner bedroht werden.
[die tageszeitung, 26.01.2011, S. 19]
Die agile Seniorin achtet sehr auf ihre Gesundheit.
[Rhein Zeitung 06.05.2009]

Welcher Kasus bei Präpositivkomplementen?

Ob auf in, an oder auf eine Präpositionalphrase im Dativ oder im Akkusativ zu folgen hat, hängt bei freier Verwendung solcher Phrasen als sogenannte Supplemente (auch: freie Angaben) oder als Adverbialkomplemente allein davon ab, ob damit ein Ort oder eine Richtung angegeben werden soll. Handelt es sich um eine Ortsangabe, ist stets die Dativform zu wählen:

Petra sitzt im Schatten eines Baumes.
Die Kugeln hängen an dem Baum.
Der Wellensittich sitzt auf einem Baum.

Bei Richtungsangaben ist hingegen der Akkusativ zu wählen:

Der Wanderer legte sich in den Schatten eines Baumes.
Der Gast hängt seinen Mantel an den Kleiderhaken.
Mit letzter Kraft steigen sie auf den Berg.

Bei Präpositivkomplementen greift diese inhaltsbezogene Unterscheidung nicht in vollem Umfang. Die Wahl des Kasus wird hier vom Verb mitbestimmt – mitbestimmt, weil immer nur infrage kommt, was grundsätzlich bei der gegebenen Präposition möglich ist. Soweit das jeweilige Verb zur Charakterisierung von Zuständen oder Ereignissen dient, die als ortsgebunden oder aber auf ein Ziel ausgerichtet verstanden werden können, führt die Kooperation von Verb und Präposition zu klaren Ergebnissen. So können zwar auf an in Verbindung mit schreiben sowohl Dativ- wie Akkusativformen folgen, doch die Zuordnung erfolgt stets so wie bei diesen Beispielen:

Dativ bei Angabe eines bearbeiteten Objekts:

Er schreibt an einem der zentralen Artikel.
[Zürcher Tagesanzeiger, 01.09.1997, S. 13]
Dann traf ich Gehrig: Er schrieb an seiner Vita.
[Victor Klemperer, Zeugnis ablegen [Tagebücher 1941], 1995, Bd. 1, S. 570]
Aglaya Veteranyi von der «Wortpumpe» schreibt an ihrem ersten Roman.
[St. Galler Tagblatt, 11.11.1997]

Akkusativ bei Adressaten:

Von wegen Kinderkram: Immer mehr Erwachsene schreiben an den Weihnachtsmann.
[Braunschw. Z., 23.12.2009]
Sie schreiben an ihre befreundeten Abgeordneten über E-Mail-Verteiler oder suchen das Gespräch.
[die tageszeitung, 28.01.2011, S. 03]
Wer sich für einen der Berufe interessiert, erhält mehr Informationen unter der Telefonnummer 88 75 50 50 oder schreibt an Trainico, Flughafen Schönefeld, 12521 Berlin.
[Berliner Zeitung, 24.03.1999, S. 18]

Recht eindeutig gelingt die Zuordnung etwa auch bei beruhen auf (Dativ), sich berufen auf (Akkusativ), warten auf (Akkusativ), enden in (Dativ) oder umwandeln in (Akkusativ):

Von der Antike bis ins 18. Jahrhundert war Freundschaft eine Sache unter Männern und beruhte auf ständischen Prinzipien.
[die tageszeitung, 07.02.2011, S. 16]

Zu beruhen auf fanden sich bei einer Suche in den Korpora des Instituts für Deutsche Sprache am 29.6.2012 unter 17.436 Fundstellen 14876 Belege für Dativformen neben 2553 unbestimmbaren Formen gerade mal 7 Akkusativformen, bei denen es sich vermutlich um simple Schreibfehler – n statt m handeln dürfte, wie etwa bei diesem Beleg:
Das Gesetz beruht auf einen alten Entwurf aus Zeiten der rot- grünen Bundesregierung; lediglich die Verrechnung des Kindergeldes beim Unterhalt sei geändert worden.
[dpa, 05.04.2006]

Er berief sich auf "geheime Quellen" seiner Organisation.
[Frankfurter Rundschau, 20.03.1997, S. 2]

Zu sich berufen auf fand sich bei einer Suche am 28.6.2012 unter insgesamt 13.528 Treffern kein einziger Beleg für eine nachfolgende Dativform.

Dort wartete auf die Drillinge ein köstliches Ritteressen und im Anschluss wurde bis in die Morgenstunden gefeiert.
[Niederösterreichische Nachrichten, 19.08.2009, S. 64]

Zu warten auf fanden sich bei einer Suche am 29. 6. 2012 zwar durchaus Dativformen, doch handelte es sich dabei durchweg um Ortsangaben, wie etwa bei diesem Beleg:
Freundin Viola wartete auf dem Parkplatz.
[Die Zeit, 21.03.2001, S. 7]

Eine Demonstration am Mittwochabend endete in gewalttätigen Ausschreitungen, Kleingruppen zogen randalierend durch die Stadt.
[die tageszeitung, 04.02.2011, S. 21]
Statt Urwald nahm er den Großstadtdschungel, den Wilden Westen modelte er zum Börsenabenteuer, die skandinavischen Seen mutierten zum Springbrunnen, den Esprit der flotten Lotte versuchte er durch einen harten, aber glücklichen Arbeitstag zu ersetzen, die Minderheitenfeindlichkeit wandelte er um in generösen Artenschutz, multikulturelle Atmosphäre wurde zu klassenübergreifender Freundschaft, und den Gedanken der »happy few« wollte er in den Feierabend hinüberretten.
[die tageszeitung, 18.10.1990, S. 24]

Doch nicht immer fällt die Deutung als ortsgebunden oder zielgerichtet eindeutig aus. Bei bestehen auf, beharren auf und insistieren auf lassen sich Gesichtspunkte finden, die für beides sprechen könnten: dafür

  • dass, wer auf etwas besteht, beharrt oder insistiert, sich nicht von der Stelle bewegt — deshalb Dativ;
  • dass, wer auf etwas besteht, beharrt oder insistiert, darauf hinaus will, dass bestimmte Entwicklungen eintreten oder auch nicht eintreten — deshalb Akkusativ.

Wie sich Sprachgebrauch erheben lässt

Schon eine erste informelle, nicht repräsentative Umfrage unter Bekannten und Freunden ließ erkennen, wie es dabei um die Sicherheit im Sprachgebrauch bestellt sein dürfte: Zwar glaubte jede und jeder Befragte auf Anhieb zu wissen, welche Form denn nun korrekt sei, doch bereits einfacher Widerspruch (Sollte man nicht eher so sagen?) brachte die meisten dazu, an ihrem eigenen Sprachgebrauch zu zweifeln. Will man herausfinden, was denn nun als allgemeiner Sprachgebrauch betrachtet werden könnte, helfen nur Recherchen in möglichst großen Textsammlungen weiter. Weitaus die größte Menge an Texten wäre sicher im Internet zu finden, doch derzeit kann – ohne privilegierten Zugang – darauf nicht in geeigneter Weise zugegriffen werden. Immer noch beachtlich ist die Datenbasis, die das DeReKo (Deutsches Referenzkorpus) bietet. Suchen mit dem Recherchesystem COSMAS 2 (am 24. 6. 2012) und nachgeordneter Auswertung der Fundstellen mittels regulärer Ausdrücke führten für bestehen auf, beharren auf und insistieren auf zu diesen Ergebnissen:

Kasusformenbesteh* aufbeharr* aufinsistier* auf
insgesamt11.15510.343412
einschlägig827210285311
Dativ5411 (65,4%)7317 (71,1%)190 (61,1%)
Akkusativ784 (9,5%)415 (4,0%)76 (24,4)
unbestimmbar2077 (25,1%)2553 (24,9%)45 (14,5%)

Gesucht wurde dabei ausschließlich nach Wortfolgen, bei denen auf die verschiedenen Verbformen von bestehen, beharren und insistieren unmittelbar auf folgte. Als unbestimmbar wurden alle Formen gewertet, die nicht eindeutig als Dativ- oder Akkusativformen zu erkennen sind.

Auf Wortfolgen des Typs bestand die damalige Bremer Stadtverwaltung auf Einhaltung ... musste verzichtet werden, da diese mit vertretbarem Aufwand nicht auszuwerten gewesen wären. Stichproben lassen jedoch vermuten, dass sich dabei keine signifikant andere Verteilung von Dativ- und Akkusativformen ergeben hätte.

Nicht auszuschließen ist auch, dass man zu etwas anderen Ergebnissen käme, wenn man auch Sätze berücksichtigte, bei denen die Verbform der Präposition folgt, also etwa ..., dass er auf sein/seinem Recht bestehe. Doch auch solche Konstruktionen wären nur mit extrem hohem Aufwand auszuwerten, da hierbei in Rechnung zu stellen wäre, dass zwischen dem auf des Präpositivkomplements und dem Verb mehrere Wörter auftreten können, was wiederum zur Folge hätte, dass man Unmengen nicht einschlägige Fundstellen erhielte, etwa alle Textpassagen, bei denen auf das einleitende auf im Abstand von vier, fünf Wörtern eine Verbform von bestehen folgt, also etwa Passagen wie Das alte Haus auf der kleinen Insel bestand ganz aus Lehm oder Sie atmete auf, als sie die Prüfung bestanden hatte.

Die Verteilung Dativ/Akkusativ scheint über die letzten Jahrhunderte recht stabil gewesen zu sein. Eine Recherche in historischen literarischen Texten von Luther bis Tucholsky ergab unter 116 Fundstellen sieben Fälle von Akkusativ – überwiegend aus der Zeit Ende des 18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts.

Interpretation der Korpusrecherchen

Eine Tendenz zum Gebrauch von Dativformen ist unverkennbar, doch treten zu häufig auch Akkusativformen auf, als dass man diese als simple Schreibfehler abtun könnte.

Dass es gerade bei bestehen auf, beharren auf und insistieren auf zu keiner eindeutigen Konvention bei der Wahl des Kasus kam, ist wohl darauf zurückzuführen, dass manche Sprecher/Schreiber hier eher einen lokalen Aspekt sehen, andere wiederum eher einen direktionalen Aspekt. Da die Dinge, auf die man oder auf denen man besteht, beharrt oder insistiert, grundsätzlich von verschiedener Art sein können, ist durchaus damit zu rechnen, dass mancher Sprecher/Schreiber sogar von Fall zu Fall eine andere Wahl treffen könnte, etwa so: Ich bestehe auf meinem Recht, denn mein Recht ist etwas, das ich hier und jetzt habe, doch ich bestehe auf baldige Erledigung der Aufgaben, denn diese liegt ja noch in der Zukunft.

Man könnte vermuten, dass sich die beobachteten Unterschiede bei der Wahl des Kasus systematisch auf Überlegungen dieser Art zurückführen lassen, doch diese Vermutung bestätigt sich nicht, wenn man die Ergebnisse der Korpusrecherchen daraufhin auswertet. Festgehalten werden kann nur, dass unterschiedliche sachbezogene Einschätzungen die Ausbildung einer stabilen, einheitlichen Konvention behindern. Insofern ist dann auch die Frage, ob man ich bestehe auf meinem Recht oder auf mein Recht sagen sollte, anders zu verstehen als die Frage, ob es wegen des Regens oder wegen dem Regen heißt. Während es sich bei wegen um – überwiegend groß-regionale – Varianten ohne Unterschied in deren Bedeutungen handelt, sind bei bestehen auf mit Dativ versus bestehen auf mit Akkusativ zum einen signifikante regionale Unterschiede im Gebrauch nicht zu erkennen, zum andern bleiben die Überlegungen, die zur Wahl des einen oder des anderen Kasus führen können, dauerhaft wirksam.

Spätestens wenn man auf eine Form stößt, die vom eigenen, noch unbedachten Sprachgebrauch abweicht, wird man sich fragen, welcher Kasus denn nun korrekterweise zu wählen sei - und man wird keine eindeutige Antwort darauf finden.

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Bruno Strecker
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