2009, im Jahr 2009, im Jahre 2009 oder in 2009 — Was darf wann vor einer Jahreszahl stehen?

Die Präposition „in“ vor einer Jahreszahl ist ein lästiger Anglizismus, der vor allem im Wirtschaftsjargon allgegenwärtig ist. Die deutsche Sprache ist jahrhundertelang ohne diesen Zusatz ausgekommen und braucht ihn auch heute nicht. (Bastian Sick im Zwiebelfisch, zuletzt abgerufen am 06.04.2017)

Der Kritiker sind viele. Die Konstruktion in + Jahreszahl ist auch in Duden und Wahrig – hier mehr, dort weniger – ein Stein des Anstoßes. Allgemein vertreten wird dabei folgende Meinung: Standardsprachlich ist nur die Jahreszahl ohne Präposition oder die Fügung im Jahr(e) + Jahreszahl. Somit ist der folgende Beleg ein Beispiel für falschen Gebrauch, und besser müssten die Versionen (a) und (b) sein:

* Unter Heterosexuellen kletterte die Zahl der Neuinfektionen um 25 Prozent von 276 in 2004 auf 344 in 2005. (dpa, 23.05.2006; Globale Aidsepidemie auf neuem Höhepunkt - Zunahme in Deutschland)
(a) Unter Heterosexuellen kletterte die Zahl der Neuinfektionen um 25 Prozent von 276 2004 auf 344 2005.
(b) Unter Heterosexuellen kletterte die Zahl der Neuinfektionen um 25 Prozent von 276 im Jahr 2004 auf 344 im Jahr 2005.

Das Problem ist gelöst. Wirklich? Bei einem sensiblen Sprachbenutzer regt sich doch leiser Zweifel: Ist in + Jahreszahl immer falsch? Und wenn die Konstruktion in bestimmten Bereichen gang und gäbe ist, wie das die Kritiker behaupten, was heißt dann in diesem Zusammenhang standardsprachlich? Dieser Beitrag nimmt sich der Probleme um die Konstruktion in + Jahreszahl und ihre viel prominenteren Konkurrenten noch einmal an.

Häufigkeit der Varianten

Wenn man in den IDS-Korpora der geschriebenen Sprache, die wohlgemerkt bildungssprachlich geprägt sind, nach in + Jahreszahl sucht, wird man sehr wohl fündig. Erfasst man die Jahreszahlen zwischen 1600 und 2009, so findet man die Konstruktion in dem rund zwei Milliarden Wörter umfassenden Archiv W immerhin über 6.000 Mal. Aber spätestens der Vergleich der Häufigkeiten aller Konstruktionen, die als Konkurrenten in Frage kommen, rückt die Verhältnisse zurecht: So nimmt z. B. bei den Jahreszahlen von 2000 bis 2009 in + Jahreszahl nicht einmal 1% der Gesamtheit ein, welche aus den Vorkommen von in + Jahreszahl (ca. 4.200 ), im Jahr + Jahreszahl (87.282), im Jahre + Jahreszahl (12.229) und bloßer Jahreszahl (ca. 596.700 ) besteht.

Nicht bei allen Fügungen in + vierstellige Zahl und bloßen vierstelligen Zahlen handelt es sich um die gesuchten Konstruktionen, und bei der automatischen Recherche war es nicht möglich, alle unzutreffenden Fundstellen auszuschließen. Dies konnte nur für Stichproben geleistet werden, die dazu genau durchgesehen werden mussten. Bei den gerundeten Häufigkeitsangaben für in + Jahreszahl und bloße Jahreszahl handelt es sich daher um Hochrechnungen anhand von Zufallsstichproben, deren Umfang (zwischen 200 und 800 Treffern) zuverlässige Schätzungen (mit einer Sicherheit von 95% und einer Genauigkeit von unter +/- 3,5% der Gesamtheit jeweiliger Fundstellen) erlaubte.

Kreisdiagramm

Abbildung: Anteil der einzelnen Varianten an der Gesamtheit der Vorkommen aller Konstruktionen in den Korpora des „Archivs der geschriebenen Sprache W“

Es scheint, dass wir erleichtert aufatmen können: Die deutsche Sprache steht – zumindest im Bereich der Jahresangaben – noch nicht unmittelbar vor dem Untergang. 85% aller Formen gehen an die Verwendungen der bloßen Jahreszahl, die sich damit von den anderen Varianten deutlich abhebt. Die anderen haben alle die Präposition in gemeinsam, und es drängt sich die Frage auf, ob sie dadurch nicht spezifische Verwendungsbedingungen aufweisen. Nicht, dass die Möglichkeit einer so genannten freien Variation bestritten wird. Nein, es wird nur nach Faktoren gesucht, die den Gebrauch der Konstruktionen mit der Präposition fördern. Man kann unsere Frage auch einfacher fassen: Wann können die Konstruktionen mit der Präposition in von Vorteil sein? So einfach die Frage, so komplex die Antwort. Wie sich herausstellen wird, sind hier semantische, syntaktische, kontextuelle Aspekte und noch einiges mehr zu bedenken.

Die Zeitraum-Perspektive und die Zeitpunkt-Perspektive

Betrachten wir zunächst semantische Aspekte: Die zur Diskussion stehenden Zeitangaben können aus der einen Perspektive einen konkreten Zeitraum von einem Jahr, aus der anderen ein kürzeres Zeitintervall bzw. einen Punkt auf der Zeitachse bezeichnen.

Die präpositionalen Konstruktionen sind aufgrund der (prototypisch räumlichen) Bedeutung von in gut geeignet, wenn es darauf ankommt, ein bestimmtes Jahr als einen Zeit-Raum aufzufassen, innerhalb dessen etwas geschieht oder gilt, und zwar vor allem:

  • einen Zeitraum, in dem alle Ereignisse stattfinden, die zu einem bestimmten Ergebnis (typischerweise Umsatz, Gewinn, Haushalt, Neuverschuldung, Wachstum o. ä.) führen, bzw. in dem etwas seine Geltung behält, z. B.:
Laut dem Zeitungsbericht würden diese Pläne den Gewinn aus dem Verkauf von Internet-Mitgliedschaften in den USA von 1,6 Milliarden US-Dollar im laufenden Geschäftsjahr auf 800 Millionen Dollar in 2009 halbieren.
[dpa, 11.07.2006; 'WSJ': Time Warner erwartet bei AOL Ergebniseinbruch]
Laut dem Zeitungsbericht würden diese Pläne den Gewinn aus dem Verkauf von Internet-Mitgliedschaften in den USA von 1,6 Milliarden US-Dollar im laufenden Geschäftsjahr auf 800 Millionen Dollar in 2009 halbieren.
[dpa, 11.07.2006; 'WSJ': Time Warner erwartet bei AOL Ergebniseinbruch]
Im Jahre 2002 werden zusätzliche Ausgaben bis zu 500 Mio. DM erforderlich. Sie werden aus den zusätzlichen Anti-Terror-Mitteln finanziert."
[Frankfurter Allgemeine, 16.11.2001, "Militärische Mittel unverzichtbar"]
Radio 2000 musste Einschränkungen bezüglich des Verbreitungsgebiets in Kauf nehmen: Nur noch der Raum St. Gallen und Umgebung war gedeckt, während sie letztes Jahr auch Richtung Deutschland und Österreich senden konnten. «Wenns mit der Frequenz im Jahr 2002 nicht klappt, gehen wir zum Fernsehen», meint Fuchs.
[St. Galler Tagblatt, 27.01.2001, Radio 2000: Bilanz nach der zweiten Staffel]
  • einen Zeitraum, in den eine gewisse Anzahl bestimmter Sachverhalte (Ereignisse, Zustände, Verhältnisse) fällt, z. B.:
Bei fremdenfeindlich motivierten Straftaten gab es eine leichte Zunahme: Von 141 Fällen in 2002 auf 150 Fälle im vergangen Jahr.
[die tageszeitung, 17.02.2004, S. 22; Die Kriminalität in Berlin sinkt]
Von den 9.765 Selbstgetöteten im Jahre 2006 in Deutschland waren 7.225 Männer.
[die tageszeitung, 04.12.2007, S. 13; Irrtümer und Wahrheiten über den Suizid]
In absoluten Zahlen haben sich die Ausbildungsverhältnisse nach 1222 im Jahr 2002 und dem Einbruch auf nur noch 978 in 2003 auf 1118 in 2004 wieder stabilisiert.
[Mannheimer Morgen, 23.11.2004, Zahl der Lehrstellen im Kreis steigt wieder an]
  • einen Zeitraum, in den ein tendenziell punktuelles, nicht näher datierbares Einzelereignis fällt, z. B.:
Über Salzgehaltsmessungen zum Beispiel wollen sie herausfinden, wie viel Einfluss der Drei-Schluchten-Damm am Jangtsekiang - der größte Staudamm der Welt - nach seiner voraussichtlichen Fertigstellung in 2009 auf seine Umwelt hat.
[spektrumdirekt, 21.03.2006; Mit Satelliten auf der Spur von Mittelmeerwasserwirbeln]
Sprecher Hans-Herrmann Lochen bestätigt allerdings, dass der Entwurf voraussichtlich demnächst in die erste Lesung in den Bundestag gehen wird. Eine endgültige Verabschiedung im Jahre 2000 sei demzufolge realistisch.
Berliner Zeitung, 27.09.1999; Datschen-Gesetz soll im kommenden Jahr nachgebessert werden [S. 32])]
Schulen, die moderne Technik erhalten sollen, stehen sicherlich nicht an erster Stelle auf der Prioritätenliste. Eine Schule, die bereits über einen Chemieraum verfügt, wird sich auch im Jahr 2000 noch über moderne Technik freuen.
[Frankfurter Rundschau, 19.03.1999, S. 26]

„in […]:

1. (räumlich) a) <mit Dativ> kennzeichnet den Ort eines Geschehens, eines Zustands, eines Vorkommens usw. als im Innern, innerhalb von etw. Bestimmtem gelegen: er ist, wohnt, lebt in Berlin; der Schlüssel ist in der Tasche; Ü er ist [Mitglied] in einer Partei;
[…]
2. (zeitlich) a) <mit Dativ> zur Angabe eines Zeitraums, innerhalb dessen etw. geschieht, der Fall ist usw.: in diesem Sommer hat es viel geregnet; (nicht standardspr.; nach engl. Vorbild:) in 1999; […].“ (Duden 2003)

Temporale in-Phrasen fassen Zeiträume als "inkludierende" Intervalle, sei es bei der zeitlichen Situierung von Ereignissen in längeren Zeiträumen (im 9. Jahrhundert, im Jahre 1987, in der letzten Woche, in der Nacht), sei es beim telischen [d. h. einen Endpunkt setzenden] Gebrauch (in einer Stunde drei Glas Bier trinken).“
(siehe Übertragungen der Grundbedeutung von in. ).

Die Konstruktionen, die man in solchen Verwendungen mit "im gesamten Jahr ...", "im Laufe des Jahres …" oder "innerhalb des Jahres …" paraphrasieren kann, sind an der Herstellung einer Zeitraum-Perspektive beteiligt, in der die gesamte Zeit vom Anfang bis zum Ende des betreffenden Jahres genau betrachtet wird.

Zwei Perspektiven

Abbildung: Die Zeitraum-Perspektive und die Zeitpunkt-Perspektive

Die Zeitraum-Verwendungen sind in den Korpora für die Jahreszahlen 2000-2009 bei allen Jahreszahlkonstruktionen mit in im Übergewicht. Besonders häufig sind sie bei in + Jahreszahl feststellbar, wo sie in den untersuchten Stichproben über 85% aller in+Jahreszahl-Verwendungen erreichen. Wie erwartet sind sie auch bei bloßer Jahreszahl zu finden. Allerdings liegt hier ihr Anteil unter 25% aller Verwendungen der bloßen Jahreszahl. Damit das entstehende Bild nicht verzerrt wird: Aufgrund allgemeiner Häufigkeitsunterschiede sind in der Zeitraum-Verwendung bloße Jahreszahlen immer noch etwa 34 Mal häufiger als in+Jahreszahl-Verbindungen.

Die entsprechenden Beispielbelege für die bloßen Jahreszahlen seien hier nachgeliefert:

Der Umsatz stieg 2005 im Vergleich zum Vorjahr um 15,7 Prozent. Und das nicht nur wegen Harry Potter.
[dpa, 18.03.2006; Ansturm junger Leser: Von Pisa auf Leipziger Buchmesse keine Spur]
Damit wird auch Geld für Neuanschaffungen frei: 1999 und 2000 sollen je sieben neue Großbusse mit 70 Sitzplätzen gekauft werden.
[Salzburger Nachrichten, 13.03.1999; Takt für den Flachgau]
Wir alle im Senat können uns die Kunsthalle eher am Hamburger Bahnhof vorstellen", sagte Manuela Damianakis. Sie gehe davon aus, dass der Schloss-Bau noch 2009 beginne.
[Berliner Zeitung, 18.04.2007, Dreharbeiten in Ruinen (S. 24)]

Bei bloßer Jahreszahl werden die Zeitraum-Verwendungen von der anderen Verwendung in den Hintergrund gedrängt, in der die Jahreszahl ein feststehendes kleineres Zeitintervall oder einen Zeit-Punkt datiert. Die Jahreszahl bestimmt auf diese Weise z. B.:

  • ein feststehendes (auch genauer datierbares) Ereignis oder speziell
  • den Beginn oder das Ende einer Periode am Anfang oder Ende des betreffenden Jahres.
Er flüchtete ins Ausland, bevor er 2005 aus den USA in die Bundesrepublik abgeschoben wurde.
[Mannheimer Morgen, 16.03.2007; Der Chemiker mit den absurden Thesen]
Doch seine Stelle läuft 2007 aus. Ob es danach weitergeht, wird heute entschieden.
[die tageszeitung, 19.01.2005, S. 1; Sparzwang bedroht die Kleinsten]

Diese Zeitpunkt-Verwendung ist auch bei den Konstruktionen mit in zu finden, aber weit seltener. Besonders selten ist sie in den untersuchten Stichproben bei in + Jahreszahl (unter 15% aller Vorkommen dieser Verbindung). Bei der bloßen Jahreszahl hat die Zeitpunkt-Verwendung dagegen einen Anteil von über 75%. Das Gros der Belege machen dabei zwei spezifische Verwendungen aus, in denen

  • die Jahreszahl attributiv eine Instanz eines wiederkehrenden Ereignisses identifiziert bzw. eine Momentaufnahme einer Entwicklung datiert, z. B.:
Andreas Schlütter gewann bei der WM 2001 in Lahti und bei den Olympischen Winterspielen 2002 jeweils Bronze, bei der WM 2003 in Val di Fiemme und der WM 2005 in Oberstdorf jeweils Silber mit der Staffel.
[Srbauer; 0: Andreas Schlütter, In: Wikipedia - URL:http://de.wikipedia.org: Wikipedia, 2005]
Der Kreuzweg zur Karwoche 2000 wurde klassenübergreifend gestaltet: "Mir gefällt es hier echt, weil wir unternehmen so viel miteinander. Die Schwester Oberin hat uns erzählt, dass wir uns später einmal alle im Himmel wieder treffen werden."
[Neue Kronen-Zeitung, [20.04.2000]
Auf dem Parteitag im Februar musste Diepgen angesichts seiner geschwächten Hausmacht in der Partei widerwillig ein Personalpaket akzeptieren, in dem Schmitt für den Posten des Parteimanagers vorgesehen war. "Ich werde nicht vergessen, woher ich komme", hatte damals der 42-Jährige versichert, der einst zum Diepgen-kritischen Gesprächskreis "Union 2000" zählte.
[die tageszeitung, 28.06.2000, S. 19; Querschläger in der CDU]
  • die Jahreszahl das Erscheinungsjahr eines Werkes (Buches, Filmes, Gesetzes o. ä) angibt.
Das Pseudnoym [sic] hatte der Exmanager für seinen Enthüllungsroman „Rubio spuckt's aus. A Story from a Pharma-Insider” gewählt, den er zusammen mit Olaf Nollmeyer im Trafo Verlag Berlin 2006 veröffentlichte.
[die tageszeitung, 12.01.2007, S. 18; Eine Milliardengeschäft für den Pharmakonzern Eli Lilly]
„Der Mann ohne Vergangenheit”. Regie: Aki Kaurismäki. Mit Markku Peltola, Kati Outinen u. a. Finnland 2002, 97 Min.
[die tageszeitung, 14.11.2002, S. 16, Container "mit Meerblick"]

Die zweite der beiden Verwendungen, in der die bloße Jahreszahl mehr oder weniger ohne Alternative bleibt, braucht hier nicht weiter problematisiert zu werden. In der ersten ist schnell die Grenze zum komplexen Eigennamen überschritten, vgl. auch den folgenden Beleg:

Ergebnis war die Kampagne „Jubilee 2000”, die mehr als 24 Millionen Unterschriften zusammenbrachte.
[die tageszeitung, 02.06.2007, S. VI-VII; Von Rambouillet nach Heiligendamm]

Variation in der Attributfunktion

Bereits eine der zuletzt diskutierten Spezialverwendungen war attributiv. Es lohnt sich einen Blick auf die Alternation zwischen der bloßen Jahreszahl und den in-Konstruktionen in dieser syntaktischen Funktion zu werfen. Sie scheint zum Teil der Unterscheidung zwischen der Zeitraum- und der Zeitpunkt-Perspektive geschuldet zu sein wie im folgenden Beleg:

Die australische Regierung unterstützt eine rassistische Hysterie gegen die Aborigines vor der Bundeswahl später in 2007 (wie gegen Flüchtlinge vor der Wahl 2001).
[die tageszeitung, 25.06.2007, S. 12; Zynische und rassistische Logik]

Innerhalb der Zeitpunkt-Verwendungen wiederum kann sie öfter diffizile, einander überlagernde Gründe haben. So erscheinen die folgenden attributiven Konstruktionen mit im Jahr nicht ohne weiteres ersetzbar durch bloße Jahreszahlen. Dies ist zum einen dadurch verursacht, dass bloße Jahreszahlen nach komplexen Nominalphrasen mit mehreren Nomina tendenziell auf das letzte Nomen bezogen werden, was in den ersten drei Fällen falsch wäre, zum anderen dadurch, dass bloße Jahreszahlen eine restriktive Interpretation des Attributs suggerieren können, die auch in den einzublendenden Fällen unzutreffend wäre:

Der an einem Magengeschwür erkrankte russische Präsident Boris Jelzin will bis zum Ende seiner Amtszeit im Jahr 2000 an der Macht bleiben.
[Vorarlberger Nachrichten, 20.01.1999, S. A1; Jelzin will bis 2000 an der Macht bleiben]
Nach Ablauf seines Vertrages bei Bayer im Jahr 2001 übernimmt Daum das Amt so oder so.
[Mannheimer Morgen, 30.06.2000; Matthäus rechnet ab]
Die Liechtensteinische Ingenieurschule (LIS), welche seit Jahren unter permanentem Platzmangel leidet, wird nach der Adaptierung der Räume im Jahr 2000 den größten Teil des Gebäudes für seine schulischen Zwecke (Schulräume und Werkstätten) als Mieter nutzen.
[Vorarlberger Nachrichten, 02.05.1997, S. V30; Vaduz kauft Fabriksgebäude]
Teamchef Frank Williams stockte Schumachers Salär freiwillig auf. Der 24-Jährige dürfte nun bis zum Vertragsende im Jahr 2003 etwa 525 Mill. S verdienen.
[Vorarlberger Nachrichten, 02.10.1999, S. C3; SPORTKULISSE...)]
„Wir haben die Stadt erobert; wir bereiten uns auf die Präsidentschaft vor", verkündete Cardenas, dem gute Chancen für die Präsidentschaftswahl im Jahr 2000 gegeben werden.
[Salzburger Nachrichten, 08.07.1997; Politisches Profil]
Nach anfänglichem Zögern habe sich sogar Oberbürgermeister Gerhard Widder auf die CDU zubewegt, was den Fraktionsvorsitzenden zuversichtlich stimmt: "Bis zur nächsten OB-Wahl im Jahr 2007 werden wir gemeinsam mit dem OB eine konstruktive Politik zum Wohle der Bürger machen."
[Mannheimer Morgen, 11.06.2004; Soziale Kontrolle für ein solidarisches Miteinander]

Wirtschaftskontext

Im Eingangszitat sieht Bastian Sick den "Wirtschaftsjargon" als die Hauptdomäne der Konstruktion in + Jahreszahl an. In den untersuchten Stichproben für die Jahreszahlen 2000-2009 liegt der Anteil der in Wirtschaftskontexten genutzten Verwendungen von in + Jahreszahl etwa bei 60% der Vorkommen dieser Konstruktion. Die Erklärung für die extensive Nutzung aller Konstruktionen mit in in Wirtschaftskontexten liegt auf der Hand: In solchen Kontexten geht es häufig darum, Prozesse über einen bestimmten Zeitraum hinweg zu beobachten, und die Konstruktionen mit in sind – wie bereits dargelegt – für die Zeitraum-Verwendung wie geschaffen. Bei in + Jahreszahl speziell weisen die Kritiker auch oft auf den Einfluss englischsprachiger Vorbilder hin, und die sind im Bereich der Wirtschaft bekanntlich allgegenwärtig. Unsere Aufmerksamkeit zieht aber vorerst ein anderer Faktor auf sich: Die Tatsache, dass in Wirtschaftskontexten Jahreszahlen oft von anderen Zahlen umgeben sind, z. B. von Prozent-, Mengen- und Geldbetragsangaben, vgl.:

- Abbau des Vorsteuerabzugs für Pkw-Aufwendungen auf 70 Prozent in 1999, 60 Prozent in 2000 und 50 Prozent in 2001: 1,1 Milliarden.
[Frankfurter Rundschau, [Tageszeitung], 10.11.1998, S. 5; Die Kürzungsliste der Koalition zur Steuerreform]
Rund 4000 deutsche Unternehmen erwirtschafteten in 2005 in der Russischen Föderation einen Gesamtumsatz von rund 35 Mrd. €. Rund 1000 russische Firmen sind inzwischen in Deutschland aktiv.
[VDI Nachrichten, 15.12.2006, S. 29; Mit Geld allein lässt sich Reputation nicht kaufen]
Wie das im TecDAX notierte Unternehmen am Mittwoch in Saarbrücken mitteilte, stieg der Umsatz von 318 Millionen Euro in 2005 auf 353 Millionen Euro. Die Durchschnittsprognose der Analysten lag bei 345 Millionen Euro.
[dpa, 17.01.2007; IDS Scheer 2006 über den Erwartungen]

Rund 50% der Belege für in + Jahreszahl erscheinen in den untersuchten Stichproben in derartigen Zahlenkontexten. Hier trägt die Präposition vor der Jahreszahl zur übersichtlichen Gestaltung der Darstellung bei, indem sie die Interpretation der Jahreszahl als solche vorbereitet. Die Präposition wirkt auf jeden Fall entzerrend, wenn ansonsten die Jahreszahl unmittelbar nach einer anderen Zahl stünde. Man versuche etwa die Präposition im folgenden Beispiel zu tilgen:

Zurzeit hat die ATW 45 Mitarbeiter in der Ausbildung und 124 im Arbeitsbereich. Insgesamt wuchs die Zahl der Beschäftigten von 124 im Jahr 1995 auf 149 in 2001 und jetzt 169. "Das kennzeichnet den Bedarf", betont Hoffmann.
[Mannheimer Morgen, 02.10.2002; Handarbeit ist Stärke bei Abwicklung von Aufträgen]

Durch Zahlen geprägte Darstellungen in Wirtschaftstexten haben oft einen überblicksartigen, schematischen oder tabellarischen Charakter, bei dem möglichst eindeutige, aber auch platzsparende Darstellungsformen bevorzugt werden, und hier ist schließlich die Konstruktion in + Jahreszahl konkurrenzlos. Sie kann natürlich nicht nur in Wirtschaftskontexten genutzt werden, sondern überall dort, wo Jahresangaben von Zahlen umgeben sind:

Zahlen, Daten, Fakten
Verfahrensdauer bei Jugenddelikten: 4,3 Monate im Jahr 2001, 5,2 Monate in 2003 Staatsanwälte: 14 plus in 2002, bis 2005 Streichung von 20 und Einfrierung weiterer 10 Stellen Verbrechensaufklärungsquote: 46,5 % in 2001, 43,7 % in 2003 Polizisten: 500 plus bis 2002, Wegfall von bis zu 350 bis 2009 Lehrer: 14.083 in 2001, 13.766 in 2004 Kitas: 68.243 Plätze in 2002, 67.992 in 2003 Krippen: 5.053 Plätze in 2002, 4.815 in 2004 Kita-Etat: 338 Mio. Euro in 2004, 285 Mio. Euro in 2006 Wohnungsneubau: 5.045 in 2001, 3.862 in 2003 Bestand an Sozialwohnungen: 153.551 in 2001, 140.000 in 2004 Arbeitslose: 68.986 in 2001, 84.392 in 2004 Verschuldung: 21,1 Mrd. Euro in 2001, 23,9 Mrd.
[T04/JUL.42648 die tageszeitung, 28.07.2004, S. 21, Ressort: Hamburg Aktuell; Zahlen, Daten, Fakten]

Dieser Beleg macht es noch einmal deutlich: In derart verdichteten Zahlenkontexten sind in+Jahreszahl-Konstruktionen einerseits eindeutiger als bloße Jahreszahlen, andererseits bieten sie die Kürze, was sie gegenüber im Jahr(e)-Konstruktionen auszeichnet (man beachte den Wechsel von im Jahr zu in am Anfang des obigen Belegs).

Wir wollen festhalten: Es gibt mindestens zwei vom Einfluss der englischen Sprache unabhängige Faktoren, die den Gebrauch der Konstruktionen mit der Präposition in in Wirtschaftskontexten begünstigen:

  • ihre Affinität zur Zeitraum-Verwendung,
  • ihre Eignung, Zahlenkontexte eindeutiger zu gestalten.

Bei in + Jahreszahl speziell kommt hinzu, dass diese Konstruktion für knapp angelegte Zahlenkontexte besser geeignet ist als im Jahr(e) + Jahreszahl.

Ausbreitung

Nachdem wir die Vorteile der Konstruktion in + Jahreszahl diskutiert haben, kommen wir zu der Frage, ob sie sich in jüngerer Zeit besonders stark ausbreitet. Zunächst bietet sich ein Blick in die weiter zurückliegende Vergangenheit an: In der folgenden Tabelle werden die Häufigkeiten der Varianten mit den Jahreszahlen von 1600 bis 1999 in den historischen Korpora des Archivs HIST zusammengetragen. Die Korpora umfassen über 65 Millionen Wörter, und weisen einen Schwerpunkt im Bereich der Quellen aus dem 18. und 19. Jahrhundert auf.

in + Jahreszahlim Jahre + Jahreszahlim Jahr + Jahreszahlbloße Jahreszahl (unbereinigt)
Archiv HIST11113729517478

Tabelle: Varianten für die Jahreszahlen 1600-1999 in den historischen Korpora des „Archivs HIST“

Hier und im Folgenden kann bei bloßer Jahreszahl auf eine rigorose Eliminierung aller unzutreffenden Belege verzichtet werden, da die ermittelten Zahlen lediglich einem Vergleich zwischen verschiedenen Epochen bzw. Zeitabschnitten dienen und der Anteil unzutreffender Belege in allen Recherchen einigermaßen konstant bleibt.

Unerwarteterweise finden sich auch in den historischen Korpora einige Belege für in + Jahreszahl, allesamt aus dem 19. Jahrhundert, z. B.:

Wie sehr der Weg über Bremen jedem andern vorzuziehen ist, bezeugt die fortwährende Zunahme der Beförderung von Passagieren über hier und welche im letzten Jahre die Anzahl von 58,551 erreichte, gegen 37,500 in 1851 und 27,800 in 1850.
[Deutsche Auswanderer Zeitung, 29.03.1853 (S. 108)]
Die Gesammtausfuhr in 1844 an fabricirten Gegenständen, wobei jedoch z. B. der Spiritus und andere Producte fehlen, belief sich auf 860,7 Mill. Francs.
[Hasemann, J.: Gewerbe [Abhandlung] (Original: 1857). In: Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste (Erste Section, 65. Theil), hg. v. Ersch, J. S. ; Gruber, J. G. Graz 1973, S. 352-406 (S. 371)]

Sollte die These vom Vorbild der englischen Sprache stimmen, müsste dieses also schon erstaunlich früh wirksam gewesen sein. Außerdem könnte es sich zu damaliger Zeit mindestens genauso gut um den Einfluss der französischen Sprache gehandelt haben.

Der zunehmende Gebrauch von Fügungen wie in 1870 wird übrigens schon Ende des 19. Jhs. vom Sprachpfleger Gustav Wustmann in seinen berühmten "Allerhand Sprachdummheiten" (1891) beklagt (ich danke Jörg Kilian für entsprechenden Hinweis, M. K.). Wustmann spricht in diesem Zusammenhang von "willkürliche[r] Nachäfferei des Französischen [!] und des Englischen".

Anhand der folgenden Abbildungen können die ermittelten Ergebnisse aus den historischen Korpora mit den Ergebnissen aus den moderneren Korpora des "Archivs W" verglichen werden (wohlgemerkt, alle gefunden Konstruktionen mit den Jahreszahlen 2000-2009 entstammen Quellen aus der Zeit nach 1991). Die Abbildungen sehen einander überraschend ähnlich, allerdings ist das Verhältnis der Varianten im Jahre und im Jahr zueinander umgekehrt.

Abbildung: Varianten für Jahreszahlen 1600-1999 in den historischen Korpora des „Archivs HIST“.

Abbildung: Varianten für Jahreszahlen 2000-2009 in den Korpora des „Archivs der geschriebenen Sprache W“ (bloße Jahreszahl unbereinigt)

Schauen wir uns im zweiten Schritt die Entwicklung der Häufigkeitswerte seit den Sechszigerjahren an. Auch von dieser Betrachtung kann man sich einen Beitrag zur Klärung der Frage nach dem eventuellen Einfluss des Englischen versprechen. Dabei wird angenommen, dass dieser Einfluss im Allgemeinen in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat, was sich auch darin widerspiegeln müsste, dass in + Jahreszahl im Vergleich zu den übrigen Varianten im Laufe der Zeit ebenfalls zugenommen hat. Tabelle und Abbildung, die folgen, informieren über die Verwendung der Varianten für die Jahreszahlen 1960-1969 in den Quellen der Jahre 1960-1969 aus dem "Archiv W".

in + Jahreszahlim Jahre + Jahreszahlim Jahr + Jahreszahlbloße Jahreszahl (unbereinigt)
Jahre 1960-1969 9125172894

Tabelle: Varianten für Jahreszahlen 1960-1969 in den Quellen der Jahre 1960-1969 aus den Korpora des „Archivs der geschriebenen Sprache W“

Bei bloßer Jahreszahl konnte hier auf eine rigorose Eliminierung aller unzutreffenden Belege verzichtet werden, ohne dadurch die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu verschiedenen Zeitabschnitten zu gefährden.

Abbildung: Varianten für Jahreszahlen 1960-1969 in den Quellen aus den Jahren 1960-1969

Die Abbildung erinnert an die Abbildung zu Jahreszahlen 2000-2009 weiter oben, obwohl die Größen der jeweiligen Grundgesamtheiten wie auch die Zusammenstellung der jeweiligen Korpora sehr verschieden sind. Und wieder liegt der Hauptunterschied darin, dass sich das Verhältnis von im Jahre zu im Jahr umkehrt.

Unsere Betrachtung der historischen Entwicklung der Variantenhäufigkeit scheint also dafür zu sprechen, dass

  • sich die Konstruktion in + Jahreszahl in den letzten Jahrzehnten nicht wesentlich ausgebreitet hat und dass
  • sie sich weitgehend unabhängig vom Einfluss der englischen Sprache auf das Deutsche entwickelt.

Als einzige auffällige Entwicklung der letzten Jahrzehnte ist die starke Abnahme des Dativ-e feststellbar, die sich in der Stärkung von im Jahr + Jahreszahl und der Schwächung von im Jahre + Jahreszahl ausdrückt.

Fazit

Die bloße Jahreszahl ist bei weitem die häufigste unter den untersuchten Varianten und scheint in ihrer Dominanz ungefährdet. Die Konstruktionen mit der Präposition in eignen sich besonders, um Zeiträume als solche zu kennzeichnen und wenn es um die eindeutige und übersichtliche Gestaltung von Zahlenkontexten geht. Sie erscheinen daher besonders häufig in wirtschaftlichen Zusammenhängen. Die Konstruktion in + Jahreszahl speziell zeigt ihre Vorteile in besonders knapp angelegten Zahlenkontexten. Die Betrachtung ihrer historischen Entwicklung konnte nicht die Vermutung bestätigen, dass sie sich in den letzten Jahrzehnten aufgrund eines immer stärker werdenden englischen Einflusses ausgebreitet hat.

Unter dem Eindruck dieser Ergebnisse kann man dem verunsicherten Sprachbenutzer folgende Empfehlungen geben:

  • Die bloße Jahreszahl ist eine neutrale Variante, mit der man in den meisten Situationen auskommt.
  • Die Konstruktionen mit der Präposition in können wiederum besonders geeignet sein, wenn nicht ein Zeitpunkt, sondern ein Zeitraum gemeint ist. Abgesehen davon wirken im Jahr + Jahreszahl und insbesondere das veraltende im Jahre + Jahreszahl gehobener als die bloße Jahreszahl.
  • Alle Konstruktionen mit der Präposition in sind manchmal hilfreich, wenn es um die Interpretation der Jahresangabe als solche geht oder um die Verdeutlichung dessen, worauf sich die Jahresangabe bezieht.
  • In besonders verdichteten Präsentationsformen wie Tabellen, schematischen oder statistischen Darstellungen, insbesondere im Kontext anderer Zahlen, kann man ruhig auch zum prägnanten in + Jahreszahl greifen.

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Marek Konopka
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