Die Lkw oder die Lkws? — Plural von Kurzwörtern

Heißt es die Lkw oder die Lkws? Und warum begegnen uns überall beide Formen?

Auch die Lkw, die später die neu sortierten Waren abholen, geben sich am Hallentor mit einem Transponder zu erkennen. (Die Zeit, 13.5.2004, S. 40)
... und immer dominieren die weißen Pick-ups, Landrover und Lkws der Vereinten Nationen das Bild einer Straße ohne Regelwerk. (Die Zeit, 26.2.2004, S. 13)

Bei dieser Frage geht es um Kurzwörter. Kurzwörter sind - wie der Name schon sagt - Wörter, die durch Kürzung entstehen. Nach der Art ihrer Kürzung zu unterscheiden sind:

  • Unisegmental, das heißt an einem Segment gekürzte Wörter, zum Beispiel Prof aus Professor
  • Multisegmental, das heißt an mehreren Segmenten gekürzte Wörter, zum Beispiel Lkw aus Lastkraftwagen
  • Partiell gekürzte Wörter, zum Beispiel U-Bahn aus Untergrundbahn

Vgl. ausführlich: Die Kurzwortbildung.

Kurzwörter sind zwar immer Dubletten der weiter parallel existierenden Langformen und können in gleichen Kontexten gleich verwendet werden, entwickeln sich aber grammatisch mitunter von den Langformen weg. So wird zum Beispiel die feminine Langform die Fotografie zum Neutrum das Foto gekürzt. Auch der Plural richtet sich nur bei partiell gekürzten Wörtern wie U-Bahn nach dem Plural des zweiten ungekürzten Segmentes: O-Säfte, O-Töne, SB-Läden, T-Träger, U-Bahnen. Bei den ersten beiden Kurzwortarten dagegen weichen die Plurale der Langformen meist von den Pluralen der Kurzwörter ab. Es gibt folgende Möglichkeiten der Pluralisierung:

Der unmarkierte Plural

Ganz gleich, welchen Plural die Langform hat, wird speziell für multisegmental gekürzte Wörter wie Lkw aus einem nicht ganz erklärlichen Prinzip mitunter der unmarkierte Plural gewählt:

Plural der LangformPlural des Kurzwortes
die Lastkraftwagendie Lkw
die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmendie ABM
die Technischen Überwachungsvereinedie TÜV
die Strafgesetzbücherdie StGB

Hier einige Belege für diese Praxis:

Als Mittel der Sozialpolitik sind die ABM bei vielen Experten anerkannt - ob sie den Betroffenen aber tatsächlich helfen, wieder einen festen Job zu finden, ist hingegen zweifelhaft. (Die Zeit, 09.07.1998, S. 19)
Ein Verweis auf die StGB der jeweiligen Länder bzw. Regionen, auf Musterprozesse oder die Haltung von Betroffenenverbänden und -organisationen kann dann immer noch hinzugefügt werden. (Wikipedia-Diskussion, 2017, http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Schuldhafte_Infektion_mit_HIV)
Doch selbst wenn die Zahl der Vereine weiter schrumpft, der harte Wettbewerb der Technik-Kontrolleure bleibt - und die Frage, wie er der Sicherheit bekommt. Denn auf der Jagd nach Aufträgen lassen sich die TÜV gelegentlich auf umstrittene Geschäfte ein. (Die Zeit, 06.09.1996, S. 25)

Das Plural-s

Zur Pluralisierung aller unisegmental gekürzten Wörter wie Prof und zur Pluralisierung vieler multisegmental gekürzten Wörter wie Lkw wird häufig das Plural-s gewählt, und zwar für Kurzwörter aller drei Genera:

MaskulinumNeutrumFemininum
Profs, LkwsFotos, AKWsInfos, AGs

Dabei scheint es regionale Unterschiede zu geben:

Aus: Variantengrammatik des Standarddeutschen (2018). http://mediawiki.ids-mannheim.de/VarGra/index.php/Lkw.

Hier einige Belege für diese Praxis:

Stimmt das Gerücht, dass einige USA Universities keine deutschen Abis annehmen? (www.uni-protokolle.de, 24.7.2008)
Die Studierenden an der Fachhochschule Gelsenkirchen sind von den Vorkommnissen wenig überrascht. Ein Endzwanziger mit Aktenkoffer sitz in der Cafeteria sagt: "Viele Studenten wussten, dass einige Profs komische Geschäfte gemacht haben. Die kommen nie wieder." (die tageszeitung, 24.03.2007, S. 1)
Es gibt eine »Wording-AG«, die sich Slogans ausdenkt. »Damit Deutschland gesund bleibt« lautet jetzt das Motto der gesamten Reform. Solche AGs hätten viel früher tagen müssen, vor allem im Kanzleramt. (Die Zeit, 12.08.2004, S.5)
540.000 notwendige Bücher konnten sich deutsche UBs im letzten Jahr nicht leisten, Zeitschriften-Abos wurden zu 30 Prozent abgebaut, die Humboldt-Universität musste auf Monografien verzichten, um noch Zeitschriften anbieten zu können. (die tageszeitung, 21.09.2001, S. 26)

Die Pluralbildung auf -s kommt auch sonst vor. Sie wird angewendet

"Bis in jüngste Zeit ruft die Bildung des Kurzwortplurals auf -s immer wieder Kritik hervor" (Kobler-Trill 1994, 186). Argumentiert wird gegen das Plural-s mit der Parallelisierung von Lang- und Kurzform: Kurzwörter, meinen die Kritiker, sollten keine anderen als die Plurale ihrer Langformen haben. Nach Kobler-Trill 1994, 186 sind solche "normativen Äußerungen oft sehr emotional gefärbt und beruhen auf nur schwer erkennbaren ästhetischen Vorstellungen". Besonders unvorstellbar ist für viele Normierer die Schreibung des Plural-s mit Apostroph, zum Beispiel AGB's.

Das spezielle Kurzwortplural-s ist verpönt; besonders verpönt ist aber das mit Apostroph abgesetzte Plural-s. Tatsächlich ist es zur Absetzung von Pluralmarkern im Deutschen sonst nicht gebräuchlich; apostrophiert wird in dieser Weise im wohl vorbildgebenden Englischen, allerdings auch nicht beim Plural, sondern beim singuralen Genitiv (Ernest's private heroe). Nun hat sich aber dieses Apostroph-s auch bei Kurzwörtern im Deutschen längst etabliert. In einem Leserbrief heißt es etwa:

Das gibt eine Rote Karte, Herr Bundesanwalt. Herr Hoyzer beeinflusste durch die vorgenommenen Manipulationen das Ergebnis. Das ist so selbstverständlich, dass keine AGB's, die Spielmanipulationen untersagen, notwenig sind (Hamburger Morgenpost, 01.12.2006, S. 7) .

Wie der Apostrophenforscher Michael Mann (2005) resümiert, werden auf den von ihm untersuchten privaten Internetseiten 65% dieser Kurzwörter mit Apostroph-s pluralisiert. Im deutschsprachigen Internet findet Google am 27.11.2024 neben rund 28 Millionen Seiten mit AGBs immerhin rund 7 Millionen Seiten mit AGB's. Aber auch in Zeitungstexten liest man sowas:

Nur einen Gutschein könnte sie ausstellen, so stehe es in den AGB's des Unternehmens. (Berliner Zeitung, 03.11.2003, S. 25)
Laut Beat Scherrer vom Ingenieurbüro Scherrer und Scherrer, der verantwortlichen Gemeindestelle für baulichen Zivilschutz, sind in einigen der neu definierten Kirchberger AGB's dennoch teilweise viel zu wenige Schutzplätze vorhanden. (St. Galler Tagblatt, 03.10.2001)

So auch: Lkw's, Lok's, Prof's, zum Beispiel:

Jede Menge Baustellen, einspurige Fahrbahnen, Lkw's im Schneckentempo und keine Möglichkeit zum Überholen - all das gehörte in den letzten Jahren zum Alltag auf der B7 der Brünnerstraße. (Niederösterreichische Nachrichten, 12.01.2010, S. 20)
Bis heute leisten diese Lok's noch Dienst im Harz und sind auf dem 132 km langen Streckennetz nicht wegzudenken. (Mitteldeutsche Zeitung, 08.02.2005)
An einer kleineren Hochschule sind die Prof's nicht so überlastet. (Sächsische Zeitung, 23.10.2006, S. 20)

Offenbar wird hier gerade eine neue Markierungsweise ins Deutsche eingeführt. Die Markierung mit Apostroph hat den Vorteil, dass die Besonderheit des Kurzwortplural-s markant angezeigt werden kann.

Auf einem anderen Diskussionsblatt steht, ob AGB's bzw. AGBs überhaupt sinnvoll ist: AGB bezeichnet ja bereits etwas Plurales, nämlich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Kurzwörter, die bereits auf pluralischen Langformen basieren, erhalten mitunter eine zusätzliche Pluralmarkierung. So ist AGB aus dem pluralischen Allgemeine Geschäftsbedingungen gekürzt, wird aber häufig mit dem kurzworttypischen Plural-s markiert: AGBs. Das wird besonders von Grammatiklaien gerne moniert. Typisch sind Internetforumsbeiträge wie dieser:

ps: gibt kein plural von agb, also nicht agb's sondern agb! (Die allgemeinen geschäftbedingungen). (http://www.allmystery.de, 8.1.2008)

Falls jemand an diesem Kommentar rummäkeln möchte: Standardsprachlich heißt es mit Akkusativ gibt keinen Plural und vor sondern steht regelmäßig das Komma. Wichtiger ist aber: Hat der Forumsbeiträger Recht?

Zunächst ist festzuhalten, dass beide Varianten sprachüblich sind:

In Zukunft müssten wohl alle Anpreisungen unterbleiben, die den Reisenden in Sicherheitsfragen täuschen könnten. Zumindest könnten sich die Veranstalter nicht mehr mit den AGB aus der Verantwortung stehlen. (Die Zeit, 27.6.2001, S. 64)
Die überarbeiteten AGB betreffen den Gelddienst im In- und Ausland, den Briefdienst im In- und Ausland, den Paketdienst im In- und Ausland, das Info-Mail mit persönlicher Anschrift sowie den Express Mail Service (EMS). (Vorarlberger Nachrichten, 1.10.1999, S. 2)
Bei gewerblichen Anbietern - und das sind viele Ebayer ohne es zu wissen - sind die drei häufigsten Gründe fehlende Widerrufsbelehrung, unzulässige AGBs und eine fehlende Anbieterkennzeichnung. (Berliner Zeitung, 27.02.2007, S. 23)
Oft wissen Unternehmer nämlich gar nicht, welche Konsumentenunfreundlichkeiten in ihren Geschäftsbedingungen stehen, weil sie die AGBs einfach von einem Mitbewerber übernommen (abgeschrieben) haben. (Kleine Zeitung, 11.10.1997)

Und dann ist die zusätzliche Kennzeichnung des Plurals einfach praktisch: Man sieht gleich, dass es sich hier um einen Plural handelt. Bereits im GfdS-Sprachdienst 24, 1980, 112 wird darauf hingewiesen, dass das Plural-s besonders bei Feminina sinnvoll ist, während Maskulina und Neutra ja auch durch einen Artikel als Plurale gekennzeichnet werden können:

SingularPlural
die AGBdie AGB
der Lkwdie Lkw
das StGBdie StGB

Andere Pluralmarker

Alternativ wird mitunter die Pluralendung der Langform gewählt, zum Beispiel TÜVe wegen Vereine oder AGen wegen Gemeinschaften, zum Beispiel:

Die einstige Monopolstellung der TÜVe wurde schrittweise bis 2007 durch die Marktliberalisierungsbestrebungen der Europäischen Union aufgehoben. (Wikipedia, 2017, http://de.wikipedia.org/wiki/TÜV_Thüringen)
Denn in Corniglia funktioniert sogar der Sozialismus. Die LPGen heißen hier "Cooperative Cinque Terre". (die tageszeitung, 23.04.2003, S. 12)
Bei den Ich-AGen plädiert der Handwerksverband eindringlich für das Auslaufen dieser nach Verbandsansicht wettbewerbsverzerrenden Maßnahme zum Ende 2005 und gegen den Plan der Regierung, diese noch bis Mitte 2006 zu verlängern. (Berliner Zeitung, 12.12.2005, S. 11)

Sonderfälle

Aus lautlichen Gründen haben Kurzwörter auf -s (VHS) oder -x (Dax) kein Plural-s; auch hier wird die Endung der Langform als Pluralmarker verwendet, etwa VHSen wegen Volkshochschulen und Daxe wegen Deutsche Aktien Indexe:

Vor ein paar Jahren haben wir alle nur schadenfroh gelacht, wenn an den Börsen Daxe und Footsies in den Keller gingen. Heute sind wir ein bisschen klüger (oder jedenfalls beteiligt) und sehnen deshalb das Ende der Talfahrt an den Aktienmärkten so heftig herbei wie höhere Außentemperaturen in diesem fiesen März. (Berliner Zeitung, 22.3.2001, S. 4)
Das frei nach dem griechischen Philosophen Heraklit gewählte Thema wird zum vierten Mal mit den VHSen Schopfheim, Steinen, Kandern, Grenzach-Wyhlen und Waldshut-Tiengen präsentiert. (Badische Zeitung, 02.09.2011, S. 17)

Fazit

1. Die Plurale der Kurzwörter weichen überwiegend von den Pluralen der Langformen ab.
2. Das Plural-s hat sich im Sprachgebrauch etabliert: Profs, Lkws.

Vgl. zum Genitiv auch: Eines Tags oder eines Tages? — Genitivformen kurz und lang.

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Autor(en)
Elke Donalies
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