Als uns diese Frage erreichte, schien die Antwort den meisten Kollegen sofort klar. Dumm nur, dass sie nicht bei allen gleich ausfiel: "Natürlich nur ich behelfe mir!" – "Unsinn, korrekt ist: ich behelfe mich. Schließlich sagst du doch auch nicht ich bedanke mir oder ich begnüge mir". Bemerkenswert war dabei vor allem die Sicherheit, mit der die jeweilige Position vertreten wurde, was zeigt, wie recht die Fragestellerin mit ihrem Hinweis auf große Uneinigkeit hatte.
Grund genug, den allgemeinen Sprachgebrauch genauer zu untersuchen. Doch die Hoffnung, über Recherchen in großen Textkorpora zu einer Entscheidung zu kommen, erfüllte sich nicht. Nicht einmal eine eindeutige Tendenz ist zu erkennen, was möglicherweise auch damit zu tun hat, dass behelfen nicht gerade zu den Rennern unter den deutschen Verben zählt: Im Deutschen Referenzkorpus (DeReKo) des Instituts für Deutsche Sprache fanden sich (am 5. 3. 2010) unter 3.600.000.000 Wortformen gerade mal 3.733 Belege für die verschiedenen Formen von behelfen. Zum Vergleich: Von helfen finden sich 473.184 Formen, von gehen gar 4.490.388 Formen. Eine Suche Ende Februar 2010 mit Google im WorldWideWeb lieferte für die Grundform behelfen auf Seiten aus Deutschland immerhin ca. 69.000 Fundstellen, für die Grundformen von helfen und gehen freilich 17.800.000 bzw. 23.300.000.
Weitaus die meisten der an sich schon seltenen Belege für Formen von behelfen sind Formen der 3. Person (sie behalf sich, er hat sich beholfen) oder Plural-Formen (wir behelfen uns, sie behalfen sich), mithin Formen, bei denen kein Unterschied zwischen Dativ- und Akkusativ-Formen zu erkennen ist. Im DeReKo stehen gerade mal 15 Belegen mit Akkusativ (mich/dich) ganze 14 Belege mit Dativ (mir/dir) gegenüber, nahezu eine Gleichverteilung, aber von derart geringer Frequenz, dass das Ergebnis keine brauchbare Basis für Aussagen über den allgemeinen Sprachgebrauch abgibt.
Recherchen mit Internetmaschinen liefern hier wesentlich mehr Daten, und die zeigen ein Bild, das vor allem konservativere Sprachteilhaber einigermaßen überraschen dürfte, denn ein Blick zurück in die Sprachgeschichte hätte anderes erwarten lassen.
Tatsächlich wäre die Antwort auf die Titelfrage noch vor wenigen Jahrzehnten ganz eindeutig ausgefallen: Es muss heißen Ich behelfe mich, du behalfst dich. Bei einer Suche in Texten der Digitalen Bibliothek (Deutsche Literatur von Luther bis Tucholsky) fanden sich unter insgesamt 468 Belegen für Formen von behelfen 73 Belege für behelfen mit eindeutig erkennbarem Akkustativ (mich/dich) und lediglich ein Beleg mit Dativ (mir) bei Gottfried Keller.
Aus Texten der Digitalen Bibliothek:
Ganz anders, was Recherchen mit Google erbrachten:
Verbform | mir | mich |
habe ich ... mit ... beholfen | 5.460 | 6.240 |
ich habe ... mit ... beholfen | 4.820 | 4.120 |
behalf ich | 1.850 | 1.550 |
ich behalf | 16.900 | 4.890 |
ich behelfe | 260.000 | 67.200 |
ich ... behelfen | 631 | 229 |
du behilfst | 2.160 | 212 |
du ... behelfen | 7.710 | 448 |
behilfst du | 3.790 | 872 |
Hier zeigt sich, insgesamt betrachtet, ein deutliches Übergewicht der Dativ-Formen. Bemerkenswert ist jedoch, dass dies nicht durchgängig der Fall ist: am deutlichsten bei den Formen der 2. Person (du behilfst, ...), gar nicht bei der 1. Person Perfekt mit Verberst-Stellung (habe ich ... beholfen).
Bemerkenswert ist in Anbetracht einer solchen Datenlage, wie überzeugt die meisten von uns Befragten davon waren, dass ihre Einschätzung die richtige sei. Etwas mehr Selbstzweifel hätte man erwarten können. Die Erklärung dafür kann nur tentativ sein: Wie immer und überall stützen Sprachteilhaber sich in ihrem Sprachgebrauch auf Analogien und Regularitäten, die sie zu erkennen glauben. Bei hochfrequenten Erscheinungen kommen sie dabei sehr bald zu Einschätzungen, die hinreichend ähnlich sind, um keine Uneinigkeit aufkommen zu lassen. Bei eher selten gebrauchten Ausdrücken und Ausdruckssequenzen können sich alternative Einschätzungen jedoch nachhaltig nebeneinander etablieren. Im Fall von behelfen mit Dativ bzw. Akkusativ dürften diese in der Sache inkommensurablen Überlegungen oder auch intuitiven Einschätzungen ausschlaggebend gewesen sein:
Die Antwort auf die Frage, was denn nun korrekt sei, steht damit immer noch aus, und, so viel sollte klar geworden sein, das wird sich auch kaum ändern, solang die Frage rein sachlich zu entscheiden ist. Ängstlichen Sprachteilhabern, die sehr auf korrekte Ausdrucksweise bedacht sind, wird dies nicht gefallen, aber ihnen bleibt als Trost, dass niemand in der Lage ist, ihnen in dieser Sache ernstlich einen Fehler nachzuweisen.