Aufmerksamen Hörerlesern fällt immer wieder auf, dass Präpositionen (siehe dazu auch die Systematische Grammatik) in gleichen Kontexten variieren. So heißt es zum Beispiel schon innerhalb der Wochenzeitung Die Zeit:
Ist denn alles richtig? Ist alles geeignet, das auszudrücken, was wir ausdrücken wollen?
Ein zentraler Verwendungskontext für Präpositionen ist das Wohin, diese Präpositionen werden auch direktionale Präpositionen genannt. Wir stellen sie meist in Kontexte mit Verben oder Verbgefügen der Bewegung wie gehen, laufen, eilen, schlendern, fahren, sich begeben, sich auf den Weg machen, sich auf die Socken machen, zum Beispiel Sie geht heute in die Stadt oder er fährt morgen aufs Land. Andere Belege:
Die meisten Präpositionen sind für diesen Wohin-Kontext geeignet, zum Beispiel:
Zunächst ist zu unterscheiden zwischen speziellen und vagen Präpositionen.
Die meisten Präpositionen sind spezielle Präpositionen. Mit speziellen Präpositionen wie vor, neben oder in legen wir ganz speziell fest, wie die Bewegung ausgeht: Am Ende meiner Bewegung stehe ich vor dem Haus oder zwischen den Beeten. Ich begebe mich unter die Leute, also mitten hinein.
So gehen wir zum Beispiel auch speziell an Gewässer — es sei denn, wir gehen baden oder laufen Schlittschuh...
Gewässer | |
an | Ich fahre .... an den Rhein .... an den Rio Grande .... an den Ammersse .... ans Mittelmeer .... an den Pazifischen Ozean |
Speziell ist auch die Präposition auf. Wer auf den Berg geht, ist am Ende seiner Bewegung oben auf dessen Gipfel. Mit auf verbinden wir auch Verben, die eine heftige, überwältigende, gewaltsame Bewegung ausdrücken. Heftige Bewgungen wirken offenbar so auf uns, als würden sie erst irgendwo ganz oben enden. So marschieren wir aufs Rathaus, das heißt: nehmen es ganz und gar bis unters Dach ein, oder stürmen auf das Rednerpult:
Besonders Deutschlerner verblüfft immer wieder, dass man im Deutschen auch auf die Sparkasse geht. Damit will niemand aussagen, dass sich einer aufs Dach der Sparkasse begibt; gesagt wird lediglich, dass einer in die Sparkasse hineingeht, um seine Angelegenheiten zu regeln. Auch wer auf die Uni geht, steigt nicht auf das Dach des Universitätsgebäudes, sondern besucht die Institution regelmäßig als Student.
Für spezielle Kontexte brauchen wir also spezielle Präpositionen: Wenn wir betonen möchten, dass wir vor das Haus gehen, werden wir die Präposition vor wählen und nicht vage sagen, dass wir zum Haus gehen.
Mit vagen Präpositionen wie zu können wir relativ offen lassen, wo sich jemand nach seiner Wohinbewegung befindet: Wenn ich zum Rathaus gehe, muss ich nicht unbedingt auch hineingehen. Ich kann mich abschließend vor dem Rathaus, neben dem Rathaus oder hinter dem Rathaus befinden und dort auf jemanden warten. Vage Präpositionen geben eine ungefähre Richtung an, bestimmen also das Verhältnis zwischen den Sachen nur ungefähr und lassen das Resultat weitgehend unbestimmt. Das macht vage Präpositionen vielseitig einsetzbar. Ich kann zum Rathaus, zum Amazonas und zu meiner Großmutter fahren.
In vielen Kontexten kann man verschiedene Präpositionen verwenden. Im Laufe unserer Sprachgeschichte haben sich allerdings bestimmte Präpositionen für bestimmte Kontexte etabliert.
So kombinieren wir geografische Namen meist mit dem vagen nach, mitunter aber auch mit dem speziellen in: nach Frankreich, in die Schweiz. Dabei gilt als Faustregel, dass geografische Namen, die für gewöhnlich ohne Artikel verwendet werden (Frankreich ist ein amüsantes Land), ein nach haben, geografische Namen mit Artikel dagegen (Die Schweiz ist ein amüsantes Land) ein in. Daraus folgt auch, dass Städtenamen mit nach verbunden werden: nach Paris; Namen von Gegenden, von Gebirgen und so weiter dagegen mit in: ins Elsaß, denn wir verwenden Städtenamen meist ohne Artikel (Paris ist eine amüsante Stadt), Gegenden, Gebirge und so weiter meist mit Artikel (Das Elsaß ist eine amüsante Gegend).
Ländernamen | Städtenamen | Namen für Gegenden, Gebirge usw. | |
nach | Ich fahre .... nach Frankreich .... nach Deutschland .... nach Pakistan .... nach Indien .... nach China .... nach Marokko | .... nach Paris .... nach Köln .... nach Islamabad .... nach Mumbai .... nach Beijing .... nach Marrakesch | |
in | .... in die Schweiz .... in die Niederlande .... in die Slowakei .... in die Vereinigten Staaten .... in den Sudan | .... ins Elsaß .... in die Alpen .... ins Engadin .... in den Himalaya .... ins Rifgebirge |
Bezeichnungen für Gebäude, Institutionen usw. werden mit zu kombiniert.
Gebäudebezeichnungen | |
zu | Ich fahre .... zum Rathaus .... zum Supermarkt .... zum Stehimbiss .... zum Museum .... zur Sparkasse |
In vielen Fällen können wir aber auch hier das speziellere in verwenden. Als Faustregel gilt, dass in mit allen Bezeichnungen für konkrete Räume kompatibel ist: Ich gehe ins Institut für Deutsche Sprache, ins Rathaus, in die Sparkasse.
Nicht kompatibel ist in dagegen mit Bezeichnungen für abstrakte Institutionen. Schief ist etwa Ich laufe heute *in VW, *in Mercedes, *in die Mannheimer Verkehrsvereinigung oder *in die Unicef - jedenfalls wenn wir von konkreten Bewegungen sprechen. Bezeichnungen für Institutionen, also Körperschaften, werden grammatisch offenbar genauso behandelt wie Bezeichnungen für körperliche Personen.
Personenbezeichnungen kombinieren wir in vagen Wohin-Kontexten mit zu.
Personenbezeichnungen | |
zu | Ich fahre .... zur Großmutter .... zum Bäcker .... zu Herrn Müller .... zu Tante Martha |
Oft hört man als umgangssprachliche Variante auch bei, zum Beispiel:
Spezielle Wohinkontexte können wir außerdem durch die speziellen Präpositionen ausdrücken. Wenn möglich, vermeiden wir, über Tante Martha zu fahren. Vgl. auch Umfährt er ihn oder fährt er ihn um? — Komplexe Verben. Aber wenn man Science-Fiction-Filmen glauben darf, werden wir bald als miniaturierte Menschlein in Tante Martha fahren können.
Eine vage Präposition ist auch nach. Sie wird mitunter alternativ zur vagen Präposition zu verwendet. Zumindest liest man immer mal wieder in Grammatiken, dass es Ausnahmen der Art nach Aldi, nach Lidl, nach dem Bahnhof gebe. Der Duden 2005 vermutet: "Auf das Norddeutsche beschränkt und damit nicht standardsprachlich ist nach in der Bedeutung 'zu': nach dem Bahnhof gehen". Der Atlas zur deutschen Alltagssprache (AdA) präzisiert: "Wo gehen Sie hin? Gefragt war im Beispielsatz nach der Verwendung von Präpositionen bei Namen von Supermärkten. So sagt man in Norddeutschland überwiegend: Ich gehe zu Aldi/Lidl. Im Ruhrgebiet, im nördlichen Rheinland, im Westmünsterland und in Ostfriesland geht man oft auch nach Aldi/Lidl (vgl. ndl. naar ...). In der Schweiz geht man teilweise auch in (den) Lidl/Aldi. Im restlichen deutschen Sprachgebiet geht man meist zum Aldi/Lidl. Auch hier gibt es eine Luxemburger Variante: Ich gehe bei Lidl/Aldi."
Aufgeschriebene Belege dafür finden sich allerdings selten: So beinhalten die Korpora der geschriebenen Sprache des Instituts für Deutsche Sprache mit mehreren Milliarden laufender Wörter das Dudenbeispiel nach dem Bahnhof überhaupt nicht (Stand 2009). Und sogar im Internet, in dem sich ja bekanntlich alles findet, lassen sich Belege für die räumliche Lesart kaum belegen:
Auch mit geografischen Namen wird nach kaum kombiniert. Hier einige der raren, regional allerdings nicht eindeutigen Belege:
Selbst das berühmte nach Aldi kommt fast ausschließlich im Kontext des berühmten Witzes vor; die meisten Belege haben erst gar keinen Wohin-, sondern einen anderen Kontext, etwa die drittstärkste Marke nach Aldi. Auch Internetforen ergeben zahlreiche Treffer, nämlich dort, wo heftig diskutiert wird, ob es zu Aldi oder nach Aldi heißen "muss", etwa in www.wer-weiss-was.de, in www.stanger.org oder in www.gutefrage.net.
Immerhin scheint nach Ikea gesamtdeutsch etabliert, offenbar unter Ikea-Kunden sogar Kult. Zwar findet es sich nicht in den Korpora der geschriebenen Sprache des IDS, aber häufiger im Internet. Eine Bloggerin aus Essen bekennt:
Und in einem Online-Artikel der FAZ heißt die Headline: