Vertiefung: Zum Vollverbgebrauch der Modalverben

Deontisch verwendete Modalverben können sich wie Vollverben verhalten und drücken dann semantisch mehr als nur die Modalität aus. Sie übernehmen sozusagen die Bedeutung des fehlenden Infinitivs mit:

1a) Modalverb + Nominalphrase im Akkusativ (Akkusativkomplement)
können im Sinne von beherrschen, besonders im Zusammenhang mit sprachlicher Beherrschung:

(1) Er kann Deutsch.
(2) Kannst du das Gedicht?

mögen (auch im Konjunktiv) und wollen:

(3) Magst du Katzen?
(4) Möchtest du ein Bier?
(5) Ich will keinen Ärger.

Mögen stellt insofern einen Sonderfall dar, als es tatsächlich nur selten einen Infinitiv regiert. Als Entsprechung des französischen aimer faire qqch treffen wir statt dessen viel häufiger ein finites Verb in Verbindung mit gern an, also: Ich schlafe gern aus eher als Ich mag ausschlafen.
Im Sinne von etwas/jmdn gern haben (aimer, bien aimer qqch/qqn) scheint mögen sich als Vollverb semantisch weitgehend verselbständigt zu haben. So ist zum Beispiel in (3) keine Ergänzung durch einen Infinitiv denkbar.
Die konjunktivische Form möcht- wird als höfliche Variante von wollen empfunden.

1b) mit deiktischem das:

(6) Das darfst du nicht.
(7) Willst du das wirklich?
(8) Das kann er noch nicht.

2) mit was in Fragen, in denen Skepsis oder Empörung zum Ausdruck gebracht werden:

(9) Was willst du eigentlich? ("Mais que veux-tu?" "Qu'est-ce que tu veux, en fait?")
(10) Was kannst du überhaupt? ("Que sais-tu faire?" "Qu'est-ce que tu sais faire au juste?")
(11) Was soll das? (Ausdruck der Empörung gegenüber einer Situation, einem bestimmten Verhalten usw.: "Ca veut dire quoi, ça?" "Qu'est-ce que ça veut dire?")

Kontrastiv betrachtet:
Syntaktisch zeigen die französischen Modalverben weniger spezifisches Verhalten als die deutschen. Insbesondere sind die elliptischen Formen im Französischen nicht möglich. Es muss zu einem vollen Verbalkomplex mit Infinitiv ergänzt werden:

Ich muss nach Hause. Je dois rentrer.
Peter kann jetzt nicht weg. Pierre ne peut pas partir maintenant.

Auch die Vollverbfunktion mit Akk-Komplement ist nicht in allen Konstellationen möglich:

Er will Geld. Il veut de l'argent.
Er kann Englisch. Il sait parler anglais. / Il sait l'anglais.
Sie kann vieles. Elle sait faire beaucoup de choses.

Dieser Befund führt zu der Annahme, dass im Französischen deutlicher zwischen echten NP-Komplementen und elliptischen Infinitivgruppen unterschieden wird als im Deutschen.

3) Modalverb + dass- oder wenn-Satz:

Mögen im Konjunktiv und wollen können mit einem dass-Satz als direkter Ergänzung auftreten:

(12) Ich möchte / will, dass Sie sich entschuldigen.

Mögen im Indikativ kann durch einen wenn-Satz ergänzt werden, der durch ein kataphorisches es angekündigt werden kann:

(13) Ich mag (es) nicht, wenn man mir etwas verschweigt.

4) können und wollen als Partizip II auch in prädikativer Verwendung:

(14) War dieser Effekt wirklich gewollt?
(15) Das war gekonnt!

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