Das Mittelfeld in Gesprächen

Die Tatsache, dass alle nicht-verbalen Teile eines Satzes im Mittelfeld stehen können, und dass das Mittelfeld in den allermeisten Sätzen auch besetzt ist, verleitet zu der Annahme, dass dort auch die größte Menge an Informationen, vor allem neuen Informationen, die ja meist nominal ausgedrückt werden, ihren Platz haben. Mann könnte auch annehmen, dass das Mittelfeld i.d.R. auch statistisch die größte Anzahl von Konstituenten enthält. (Das suggeriert auch die Grafik zu allen Mittelfeldkomponenten im Rahmen der Hintergrund - Vordergrund-Struktur.) Diese Annahme mag für literarische Quellen und für ausgewählte Beispielsätze stimmen, sie trifft aber für Gespräche nicht unbedingt zu. Susanne Uhmann (Das Mittelfeld im Gespräch, in: Marga Reis, Wortstellung und Informationsstruktur, Linguistische Arbeiten 306, Tübingen 1993, 313-354) kommt anhand eines Korpus von 290 Mittelfeldern in vier Gesprächen (ein direktes Gespräch und drei Telefongespräche) zu folgenden Ergebnissen:

Nur 3,4% der untersuchten Mittelfelder enthalten mehr als ein nicht-pronominal realisiertes Argument. Und wenn man die nicht-pronominal realisierten Adverbialia (bei Uhmann "Modifikatoren") mit einbezieht, erhöht sich diese Zahl nur auf 13%. Mehr als zwei nicht-pronominale Mittelfeld-Stellungsglieder finden sich nur in 1,3%, also in vier der 290 Redezüge. In 25% der Fälle werden potenzielle Mittelfeldeinheiten in das Nachfeld gestellt. Dieser "Mittelfeldentleerung" in 56 Fällen standen aber 39 Fälle gegenüber, bei denen auf eine mögliche Auslagerung ins Nachfeld verzichtet wurde.

Diese Mittelfeldentleerungen führen in den meisten Fällen zu einer besseren Verstehbarkeit gemäß dem Prinzip der "Early Immediate-Constituents (EIC)" von Hawkins. Die 39 Fälle mit Verzicht auf die Auslagerung ins Nachfeld belegen zunächst, dass die treibende Kraft für die Veränderung der Abfolge der Stellungsglieder offensichtlich nicht die Erhöhung der EIC-Werte ist, wie Hawkins annimmt. Uhmann weist nach, das diese Fälle "im Spannungsverhältnis zwischen Organisation des Sprecherwechsels, Reparaturorganisation und Informationsstrukturierung" erklärt werden können.

Aus all dem kann man schließen, dass man die Befunde zum Mittelfeld aufgrund von schriftlichen Quellen nicht einfach auf die Rolle des Mittelfeldes in Gesprächen übertragen kann. In Gesprächen entscheiden z.T. andere Faktoren über die Besetzung oder Entleerung des Mittelfeldes.

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