4.6 Zusammenfassung

Die Opposition von peripheren versus zentralisierten Vokalen besteht nur in betonten Silben, hier veranschaulicht durch die Paare /i/ : /ɪ/ (sieben, dribbeln), /u/ : /ʊ/ (gute, Mutter), /e/ : /ɛ/ (Geste, Gäste), /o/ : /ɔ/ (Kot, Genosse) und /ɑ/ : /a/ (Sprache, Rache). In unbetonten Silben besteht die Opposition nicht. Hier deuten die Formantwerte der nichttiefen Vokale darauf hin, dass die in notwendig offenen Silben erscheinenden Vokale den jeweiligen peripheren Oppositionsgliedern zuzuordnen sind, während die in notwendig geschlossenen Silben auftretenden Vokale eine Gruppe mit den jeweils zentralisierten Oppositionsgliedern bilden. Für die tiefen Vokale sind die fraglichen Gruppen nur schwach differenziert.
Die Annahme, dass die in den unbetonten Silben auftretenden Vokale als kontextuell bestimmte Allophone der in den betonten Silben erscheinenden Oppositionspaare fungieren, ist mit allen Daten konsistent. So ist der letzte Vokal in Juni ein Allophon des betonten Vokals in sieben, und nicht des betonten Vokals in dribbeln. Der letzte Vokal in Plastik ist ein Allophon des betonten Vokals in dribbeln, und nicht des betonten Vokals in sieben.
Während sich die relevanten allophonischen Relationen mit Bezug auf Formantwerte motivieren lassen, erlaubt der Bezug auf Vokaldauern keinerlei Zuordnung. Diese Feststellung stützt die Auffassung, dass die Vokale des Deutschen durch unterschiedliche Qualitäten phonemisch unterschieden sind, die Dauern hingegen ausschließlich aufgrund des Erscheinens in unterschiedlichen prosodischen Kontexten bestimmt sind (z.B. periphere Vokale werden in fußinitialer Position gedehnt). Vokaldauer ist somit keine phonemische Eigenschaft, auch nicht für tiefe Vokale.

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Autor(en)
Anja Geumann, Renate Raffelsiefen
Bearbeiter
Jana Mathy
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