3. Phonetische Korrelate distinktiver Merkmale

Für proportionale Oppositionen werden einheitliche phonetische Korrelate erwartet. Damit ist nicht gemeint, dass sich sämtliche Oppositionspaare in derselben Weise phonetisch unterscheiden, sondern dass in zumindest einer Hinsicht (z. B. Lippenrundung, Zungenhöhe) gleichartige Unterschiede bestehen. Hinsichtlich der Lippenrundung wäre ein einheitliches Korrelat dann gegeben, wenn Vokale in einer Lautklasse mit stärkerer Lippenrundung gesprochen werden als ihre jeweiligen zugeordneten Oppositionsglieder, auch wenn die Rundungsabweichungen für die einzelnen Paare höchst unterschiedlich ausfallen.

Als mögliche Korrelate werden in den folgenden Studien Formanten gewählt. Wie bereits erwähnt, sind die Formantwerte der Vokale durch die Größe und Form des Ansatzrohrs beeinflusst. Formanten erlauben somit Rückschlüsse auf artikulatorische Eigenschaften der Vokale. So besteht etwa ein Zusammenhang zwischen dem ersten Formanten (F1) und der Zungenhöhe, d.h. dem höchsten Punkt der Zunge während der Artikulation eines Vokals. Untersuchungen von F1-Werten bieten sich daher als direktes phonetisches Korrelat für die Vokalhöhenmerkmale [±hoch] und [±tief] an (s. 3.4 und 3.5). Ein weiterer Zusammenhang besteht zwischen dem zweiten Formanten (F2) und der Position des Zungenkörpers. (Je vorgezogener die Position des Zungenkörpers, desto höher ist F2.) Messungen von F2-Werten bieten sich entsprechend als Korrelat für das Merkmal [± hinten] an (s. 3.2).

Schwieriger gestaltet sich die Suche nach dem am ehesten geeigneten Korrelat für das Merkmal [±rund], da aufgrund der Lippenrundung alle Formanten, insbesondere aber F2 und F3, abgesenkt werden (s. 3.3). Am komplexesten ist die Bestimmung eines einheitlichen Korrelats für das Merkmal [±peripher]. Die relevante artikulatorische Eigenschaft betrifft, ausgehend von einer neutralen Zungenposition, eine extremere Bewegung der Zunge für periphere Vokale im Vergleich zu einer weniger extremen Bewegung für die jeweiligen zentralisierten Oppositionsglieder. Die Einheitlichkeit des fraglichen akustischen Korrelats lässt sich mit Bezug auf die F1- und F2-Werte der Vokale sowie einer berechneten Position der Vokalraummitte überprüfen (s. 3.1).

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Autor(en)
Renate Raffelsiefen, Anja Geumann
Bearbeiter
Steffen Knapp
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