2. Neutralisationserscheinungen
Das Auftreten des maximalen Kontrastpotenzials ist gewöhnlich auf bestimmte Kontexte beschränkt, sogenannte Relevanzstellungen. Die fünfzehn Vollvokale des Deutschen etwa kontrastieren nur vor bestimmten Einzelkonsonanten (sowie vor wenigen homorganen Konsonantverbindungen wie /st/, /nd/) in hauptbetonten Silben. In den übrigen Positionen, den sogenannten Aufhebungsstellungen, ist das Vorkommen der Vokale beschränkt. So sind die Kontrastmöglichkeiten der Vokale im Deutschen etwa vor den meisten Konsonantenverbindungen oder in unbetonten Silben weitgehend aufgehoben, d. h. das Potenzial ist auf bestimmte Vokale beschränkt. Ein Vergleich der jeweiligen Relevanz- und Aufhebungsstellungen gibt Aufschluss über aktive Markiertheitsbeschränkungen und die Zugehörigkeit von Phonemen zu Oppositionsklassen. Für deutsche Vokale sind fünf solcher Oppositionsklassen relevant: [±peripher], [±hinten], [±rund], [±hoch], und [±tief]. Diese werden im Folgenden durch Neutralisationserscheinungen motiviert.
Es stellt sich zudem die Frage, auf
welcher Basis sich die einzelnen Oppositionsglieder einander zuordnen lassen. Aus
phonologischer Sicht wären hier Verletzungen von Korrespondenzbeschränkungen zu nennen, die
systematische Alternationen zur Folge haben. Derlei Korrespondenzbeschränkungen betreffen
sowohl Laute in paradigmatisch verwandten Wörtern als auch Laute in bestimmten
syntagmatischen Kontexten (Reimen, Assonanz).
Die Neutralisationserscheinungen
werden im folgenden für jedes der Merkmale einzeln behandelt (s. 2.1 [±peripher], 2.2 [±hinten], 2.3 [±rund], 2.4 [±hoch],
2.5 [±tief]). Jeder dieser Abschnitte
enthält einen weiteren Verweis auf die relevanten Korrespondenzbeziehungen (s. 2.1.1 [±peripher], 2.2.1 [±hinten], 2.3.1 [±rund], 2.4.1 [±hoch], 2.5.1
[±tief]). Der Abschnitt 2.2 enthält zudem
einen weiteren Abschnitt 2.2.2, in dem
die Markiertheitsverhältnisse unter den hinteren Vokalen behandelt werden.