2.5 Neutralisation von Vokalhöhe ([±tief])

Die drei tiefen Vokale {/a/, /ɑ/, /æ/} zeigen kein einheitliches Neutralisationsverhalten. Die Verteilung des regional begrenzten Vokals /æ/ ist charakteristisch für markierte Vokale: wie die gerundeten Vorderzungenvokale kommt auch /æ/ gewöhnlich nur in wort- oder fuß-initialer Position vor (vgl. (28)). Die Verteilung von {/a/, /ɑ/} hingegen ist für maximal unmarkierte Vokale innerhalb des phonologischen Worts charakteristisch (vgl. (25)). Eine vielleicht unerwartete Beschränkung gegen diese maximal unmarkierten Vokale zeigt sich allerdings in monosilbischen Stämmen, deren Reim nur aus einem Nukleus besteht. Hier ergibt sich aufgrund der Position in einer offenen Silbe eine Beschränkung auf periphere Vokale, wobei /ɑ/ abgesehen von einigen Partikeln (ja, da) fast nur in wenigen nichtfrequenten Lehnwörtern auftritt. Schon der Vergleich mit dem eigentlich weit weniger frequenten /æ/ weist darauf hin, dass hier eine aktive Beschränkung gegen /ɑ/ vorliegt:

(40)/ɑ/(/iɑ/ <ja>, /dɑ/ <da>), /nɑ/ <nah-en>, /ʃɑ/ <Schah>, /ʃvɑ/ <Schwa>, /ʃpɑ/ <Spa>
/æ//iæ/ <jäh>, /tsæ/ <zäh>, /ʃmæ/ <schmäh-en>, /hæ/ <Häh-er>, /mæ/ <mäh-en>, /næ/ <näh-en>, /næ/ <Näh-e>, /ʃpæ/ <späh-en>, /blæ/ <bläh-en>, /kʀæ/ <kräh-en>, /fæ/ <fäh-ig>

Für SprecherInnen, deren Phoneminventar /æ/ nicht enthält, fallen die in (40b) genannten Beispiele in die in (41) gezeigte Klasse der monosilbischen auf /e/ endenden Stämme, die das Bestehen einer Lücke in (40a) auf eindrückliche Weise bestätigt:

(41)/e/(/ie/ <je>, /e/ <eh>), /ze/ <See>, /ze/ <seh-en>, /te/ <Tee>, /fe/ <Fee>, /le/ <Lee>, /ʃne/ <Schnee>, /kle/ <Klee>, /ʀe/ <Reh>, /ve/ <Weh>, /e/ <eh-e>, /e/ <Eh-e>, /dʀe/ <dreh-en>, /ɡe/ <geh-en>, /ʃte/ <steh-en>, /ʃe/ <ge-scheh-en>, /le/ <Leh-en>, /fle/ <fleh-en>, /ʃle/ <Schleh-e>, /tse/ <Zeh>

Auch hinsichtlich der phonetischen Korrelate deuten die Positionen in den Formantkarten (2a,b) auf eine Zweiteilung der drei tiefen Vokale hin, dahingehend, dass nur {/a/, /ɑ/} eine klare Abgrenzung zu den nichttiefen Vokalen zeigt. Erst der Vergleich der im nächsten Abschnitt ermittelten relevanten Vokalkorrespondenzen zwischen tiefen und den jeweils maximal ähnlichen nichttiefen Vokalen zeigt ein einheitliches phonetisches Korrelat des Merkmals [±tief], das in 3.5. beschrieben ist.

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Autor(en)
Renate Raffelsiefen
Bearbeiter
Steffen Knapp
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