3.1 Phonetische Korrelate ([±peripher])
In 2.1.1 wurde für das Merkmal [±peripher] eine Reihe von Korrespondenzen ermittelt, die die relevante proportionale Opposition begründet. Der Vokal /æ/ ist hinsichtlich dieser Opposition wohl am ehesten als isoliert, d. h. ohne Oppositionsglied auftretend, zu betrachten. Alternativ dazu käme in Betracht für /æ/, wie für /e/, ebenfalls eine Korrespondenz mit /ɛ/ anzunehmen. Sämtliche Korrespondenzen zwischen peripheren und zentralisierten Vokalen im Deutschen sind in (P1) noch einmal zusammengestellt. (Für die Motivation dieser spezifischen Korrespondenzen siehe 2.1.1.)
(P1) | [+peripher] | [-peripher] |
/i/ | /ɪ/ | |
/u/ | /ʊ/ | |
/y/ | /ʏ/ | |
/e/ | /ɛ/ | |
/o/ | /ɔ/ | |
/ø/ | /œ/ | |
/ɑ/ | /a/ | |
/æ/ | ?/ɛ/ |
Wie eingangs erwähnt, erfordert der Nachweis eines einheitlichen phonetischen Korrelats
für die Opposition [±peripher] neben den inhärenten Werten für die einzelnen
Oppositionsglieder auch noch einen Bezug auf einen "neutralen" Fixpunkt. In der Abbildung in
(P2) wurde die Mitte des Vokalraums
gewählt, die wie folgt berechnet wurde:
Um zu erreichen, dass alle Vokale gleich
gewichtet sind, wurden zunächst für jeden der 15 Vokale der Frauen bzw. Männer des
Kielkorpus der Mittelwert für die Formanten F1 und F2 berechnet. Diese Mittelwerte der
jeweils 15 Einzelvokale dienen dann als Grundlage für die Berechnung der Mitte des
jeweiligen Vokalraums. In den folgenden Darstellungen ist die fragliche Position durch einen
Stern markiert. Die Generalisierung ist, dass die Distanz zwischen einem (in (P2a) mit rotem Punkt markierten) peripheren
Vokal zur Vokalraummitte (Stern) immer größer ist als die Distanz des jeweiligen (in
(P2a) mit blauem Punkt markierten)
zentralisierten Oppositionsgliedes zu diesem Fixpunkt. Zum Beispiel ist die mit einem
durchgezogenen Pfeil markierte Distanz zwischen /i/ und der
Vokalraummitte größer als die mit einem gestrichelten Pfeil markierte Distanz zwischen
/ɪ/ und der Vokalraummitte.
(P2a) Frauen [±peripher] als Distanz zur Vokalraummitte (insgesamt 5981 Belege)
(P2b) Männer [±peripher] als Distanz zur Vokalraummitte (insgesamt 6261 Belege)
Die Darstellungen in (P2) lassen deutliche Unterschiede zwischen den fraglichen Oppositionspaaren erkennen. Während z. B. der dem peripheren /y/ zugeordnete Pfeil um ein Vielfaches länger ist als der dem korrespondierenden Oppositionsglied /ʏ/ zugeordnete Pfeil, scheinen die Pfeillängen für die Paare /ɑ/ - /a/ oder /ø/ - /œ/ in etwa gleich. Um hier mehr Klarheit zu erhalten und den Aussagewert der Messungen allgemein zu erhöhen, erfolgen weitere Untersuchungen zur Variabilität der Pfeillängen.
Für genaue Berechnungen der fraglichen Pfeillängen ist es zunächst erforderlich, die Abstände zwischen den relevanten Punkten auf einer einheitlichen Skala zu betrachten. Das Verfahren dafür wird in (P3) illustriert. Im F1/F2-Vokalraum wird dabei für jeden Vokal die Differenz der F1-Werte (F1 des Vokals minus F1 des Zentralpunkts) zu der Differenz der F2-Werte (F2 des Vokals minus F2 des Zentralpunkts) addiert. Die genaue Berechnung ist in der Formel in (P3) angegeben. Das Ergebnis wird als Euklidische Distanz bezeichnet.
(P3) Berechnung des Abstands zur Vokalraummitte: Euklidische Distanz
Der Bezug auf Euklidische Distanzen ist wichtig für die Berechnung der Variabilität der Pfeillängen, die sich im Gesamtkorpus zeigt. Die Boxplots zeigen die Verteilung der Werte und deren Streuung, wobei die Messungen der Vokalaufnahmen der Sprecherinnen wie immer von denen der Sprecher getrennt behandelt wurden. Ungeachtet der Variabilität zeigen sich durchgängig höhere Euklidische Distanzwerte für die Mediane der peripheren Vokale als für die der jeweiligen korrespondierenden zentralisierten Oppositionsglieder, wobei der Unterschied für das Oppositionspaar /ø/ : /œ/ im Korpus der Sprecherinnen allerdings sehr gering ist. (Die Erklärung der Darstellung von Messergebnissen in Form von Boxplots findet sich in 1.2.2.)
(P4a) Frauen - Distanz zur Vokalraummitte berechnet [±peripher]
(P4b) Männer - Distanz zur Vokalraummitte berechnet [±peripher]
Hörbeispiele
Die Formantkarten in (P5a,b) enthalten Hörbeispiele, die durch das Anklicken der
Kreisflächen angehört werden können (s. die linke Spalte der Tabelle in 1.1, wo die Belege einzeln aufgeführt sind).
Insbesondere vermittelt die direkte Abfolge eines peripheren und des entsprechenden
zentralisierten Oppositionsglieds (s. die Tabelle in (P1)) einen auditiven Eindruck von der Opposition [±peripher] im
Deutschen.
(P5a) Frauen - Hörbeispiele [±peripher]
(P5b) Männer - Hörbeispiele [±peripher]