Wenn wir von Menschen sprechen, haben wir offenbar nicht immer das Bedürfnis, explizit
von männlichen oder weiblichen zu sprechen; wir denken einfach nur an Menschen an sich. So
ist im folgenden Zeitungstext das biologische Geschlecht nicht eigens ausgedrückt, es geht
um die Ärzte und den Arzt an sich, um Menschen einer bestimmten Berufsgruppe, deren
Geschlecht uns hier nicht wirklich interessiert:
Nur wenn wir explizit auf das biologische Geschlecht aufmerksam machen möchten, gehen wir ins Detail:
Ein Problem ist diese Regelung eigentlich nur, wenn man glaubt, dass man das biologische Geschlecht, besonders das weibliche, immer und überall bewusst machen sollte. Oder wenn man das grammatische mit dem biologischen Geschlecht verwechselt.
Grammatisches und biologisches Geschlecht stimmen meist, aber nicht immer überein: So meinen wir zwar tatsächlich mit der Unhold einen Mann und mit die Hexe eine Frau; dagegen meinen wir mit die Memme einen Mann und mit der Blaustrumpf eine Frau. Vgl. ausführlich Genus und Sexus.
Mit einigen Bezeichnungen für Menschen können wir uns sexusneutral ausdrücken: Mit die Person etwa bezeichnen wir sowohl eine Frau als auch einen Mann:
Solche Bezeichnungen haben, wie man in der Linguistik sagt, ein generisches Genus (zu lat. generatim 'klassenweise, im Allgemeinen'). Generisch können alle drei Genera verwendet werden: Der Mensch, das Kind, die Person bezeichnen Menschen beider Sexus. Vgl. ausführlich Generische Genera. Weil es im Deutschen sowieso viele Maskulina gibt, verwundert es nicht, dass es auch viele generische Maskulina gibt, deutlich mehr jedenfalls als generische Feminina oder Neutra. Auch die meisten Berufsbezeichnungen sind generische Maskulina: der Arzt, der Lehrer, der Schreiner, der Bäcker, der Chemiker, der Pilot, der Linguist.
Feministen mögen das generische Maskulinum nicht. Sie wollen, dass das weibliche Geschlecht eines Menschen immer und überall bewusst gemacht wird, und das wollen sie durch einen Eingriff in die Sprache erreichen: Hardlinerinnen hätten gerne, dass als generische Ausdrücke nur noch Feminina zugelassen sind. Das scheint auf gewisse Widerstände zu treffen.
Durchgesetzt wurde im Deutschen aber ein anderer feministischer Vorschlag, nämlich generische Genera zu ignorieren und mit Maskulina nur noch Männer, mit Feminina nur noch Frauen zu bezeichnen. Für Berufsbezeichnungen in Stellenausschreibungen ist das verbindlich geregelt im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, das seit dem August 2006 rechtskräftig ist. Danach sollen Stellenangebote explizit auch Frauen ansprechen. Beliebt, wenn auch kompliziert zu lesen sind grafische Lösungen wie diese:
Unter anderen Stickel (1998) beschreibt, welche sprachlichen Verumständlichungen die dauernde Sichtbarmachung des biologischen Geschlechts mit sich bringt. Namentlich in justiziablen Texten wird es hier holprig:
Ganz korrekt müsste dieser Text übrigens heißen:
Das biologische Geschlecht immer und überall zu nennen, bringt übrigens auch noch
andere Probleme mit sich:
Üblicherweise stimmen ein Wort und seine
korrespondierenden Einheiten formal überein:
Das Mädchen ist erst zwei Jahre alt, aber
es kann schon seinen Namen schreiben.
Fehlt ein Mitglied mehr als einmal
unentschuldigt, muss die/der Vorsitzende es schriftlich
ermahnen.
Entgegen dieser Regel wird bei Wörtern mit einem Genus, das nicht dem Sexus des
Bezeichneten entspricht, mitunter eine dem Sexus entsprechende Form
gewählt:
Das Mädchen ist erst zwei Jahre alt, aber sie kann
schon ihren Namen schreiben.
Fehlt ein
Mitglied mehr als einmal unentschuldigt, muss die/der Vorsitzende
sie/ihn schriftlich ermahnen.
Für Wörter wie Arzt sind Schrägstrichlösungen nun allerdings nicht optimal, weil sich Arzt durch den Umlaut vonÄrztin unterscheidet. Hier werden deshalb häufig beide Formen ungekürzt nebeneinander gestellt. Auch das ist relativ umständlich:
Nur selten noch wird Arzt als generisches Maskulinum eingesetzt, als Oberbegriff für weibliche wie männliche Ärzte. Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz müssen dann beide Sexus noch einmal eigens expliziert werden:
Außerhalb von staatlich beobachteten Stellenausschreibungen wird neben der Schrägstrichvariante vor allem die informelle Binnen-I-Variante präferiert. Die tageszeitung ist bekannt dafür, dass sie das Binnen-I konsequent anwendet:
Im folgenden Beleg fragt man sich dann aber doch, ob es an deutschen Universitäten keine Professorinnen, Elevinnen und Hochschullehrerinnen gibt. Wenn schon, denn schon...
Wie auch dieser Beleg zeigt, wird mitunter auf alternative Ausdrücke ausgewichen: So gilt es als politisch besonders korrekt, nicht mehr generisch der Student zu sagen, sondern nach Sexus zu unterscheiden in der Studierende und die Studierende. So auch: der Lehrende, die Lehrende, der Vorsitzende, die Vorsitzende. Der Plural die Studierenden soll dann offenbar eher als die Studenten sowohl weibliche wie männliche Personen einbeziehen. Dennoch halten sich quantitativ beide die Waage: In Google fanden sich am 15.11.2007 rund 1.700.000 Belege für die Studierenden neben ebensovielen für die Studenten.
Vgl. auch Frau Professor oder Frau Professorin? — Deutsche Wortbildung und Political Correctness
Die Rubrik „Grammatik in Fragen und Antworten“ greift Hauptschwierigkeiten und Zweifelsfälle der deutschen Sprache in Form einfacher Fragen exemplarisch auf. Spezifisch für diese Rubrik ist, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung Grammatik des IDS in diesen glossenartigen Beiträgen häufig gestellte, konkrete Fragen nicht nur anhand der Beleg- und Forschungslage beantworten, sondern auch eigene Standpunkte vertreten und ggf. Empfehlungen aussprechen.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des IDS beschreiben in Fachzeitschriften und auch in populärwissenschaftlichen Beiträgen verschiedene Gesichtspunkte rund um das Thema „geschlechtergerechte Sprache“. Das heißt: Das IDS beobachtet die momentanen Entwicklungen im Sprachgebrauch, wir geben aber keinen Umgang mit geschlechtergerechter Sprache vor. Die gesellschaftliche Vielstimmigkeit zu dieser Frage und verschiedene sprachwissenschaftliche Positionen und Schreibungen spiegeln sich daher auch in Publikationen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Internet- und Social-Media-Angeboten wider.