Negativ existenzquantifizierende Nominalphrasen

Wenn in der folgenden, im Bild dargestellten Situation geäußert wird "Kein Kater springt in die Luft", dann ist dieser Satz offensichtlich wahr: Weder Kater Tiger noch Kater Miù weisen hier die Eigenschaft auf, in die Luft zu springen. Die Nominalphrase kein Kater referiert daher nicht auf einen der beiden Kater. Welchen Bezug hat sie aber? Vergleichen wir dies mit der existenzquantifizierenden Nominalphrase ein Kater:

Im Vertiefungstext über existenzquantifizierende Nominalphrasen wurde gesagt, dass ein Kater sich sukzessive auf alle in einer Situation vorkommenden Katerobjekte bezieht. In Analogie dazu könnte man annehmen, dass die negierte Nominalphrase sukzessive auf alle Nicht-Kater-Objekte referiert. Da unser Satz wahr ist, und da ein Satz dann wahr wird, wenn das vom Satzsubjekt bezeichnete Ding die vom Prädikat bezeichnete Eigenschaft hat, müsste nun entsprechend mindestens ein Nicht-Kater-Objekt in die Luft springen. In der oben dargestellten Situation gibt es aber kein Nicht-Kater-Objekt. Und selbst wenn es solche Objekte gäbe, wäre der Satz wahr - ganz unabhängig davon, ob diese Objekte in die Luft springen oder nicht.

Für die semantische Interpretation des Satzes Kein Kater springt in die Luft. ist es also völlig irrelevant, welche Eigenschaften Nicht-Kater-Objekte haben. Es muss vielmehr auch hier danach gefragt werden, was die im Kontext vorhandenen Kater tun: Wie im Fall der existenzquantifizierenden Nominalphrasen referiert kein Kater sukzessive auf alle Katerobjekte; wenn keines davon in die Luft springt, ist der Satz wahr. Diese Überlegung zeigt nun auch, dass die im Artikel kein enthaltene Negation gar nicht in die referentielle Funktion der Nominalphrase mit eingeht: der Bezug auf entsprechende Objekte geschieht genau so wie bei der existenzquantifizierenden Nominalphrase, nur dass hier nach erfolgter Referenz noch festzustellen ist, ob das jeweilige Objekt die entsprechende Eigenschaft hat oder nicht.

Dies wird aber nicht über die Nominalphrasenbedeutung allein festgestellt, sondern zusätzlich durch die Bedeutung des Prädikats und dem Zusammenwirken beider, d. h. über den ganzen Satz. Daraus folgt aber, dass die Negation nicht semantisch gesehen nicht Teil der Nominalphrase sein kann, sondern Skopus über den Satz hat. Diese Tatsache scheint zu einem unüberbrückbaren Widerspruch zu führen, nämlich dass einerseits Nominalphrasen syntaktische Einheiten sind und nach dem Fregeprinzip der Semantik als solche auch einen "Bedeutungsblock" haben, andererseits aber die Negation nicht in diese Bedeutung integrierbar scheint.

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Autor(en)
Helmut Frosch
Bearbeiter
Roman Schneider
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