Nach der Anmeldung können Sie auf rechtlich geschützte Korpusdaten zugreifen, Merk- und Literaturlisten verwalten und sich Seiten im PDF-Format ausgeben lassen. Sie haben noch keine Kennung? Dann nutzen Sie bitte das IDS-Registrierungsportal. Wählen Sie dort Registrierung beantragen und anschließend den IDS-Dienst Grammis – Grammatisches Informationssystem.
Konjunktivformen, die unter systematischem Gesichtspunkt zu bilden sind, werden häufig
ebenso geschrieben (homograph) und - bezogen auf die Standardsprache - häufiger noch ebenso
gesprochen (homophon) wie entsprechende Indikativformen.
Da der synthetische Konjunktiv ein eher
schriftsprachliches Phänomen ist, wird hier in der Regel von der Schriftform ausgegangen; die
Lautform ist nur bei Bedarf angegeben.
Zu Homographie kommt es, weil die Personalformen bei Stammgleichheit teilweise identisch
sind:
Indikativ
Präsens
Konjunktiv
Präsens
ich
komme
ich
komme
Zu Homophonie bei unterschiedlicher Schreibung kommt es, weil der Reduktionsvokal /ə/ in schwachen Silben nicht realisiert wird. Betroffen davon sind die möglichen
Oppositionen in der 2. Person Singular und Plural:
Indikativ Präsens
Konjunktiv Präsens
gesprochen
du gehst
du gehest
[ge:st]
ihr geht
ihr gehet
[ge:t]
sowie die 1. und 3. Person Präteritum bei bestimmten starken Verben:
Indikativ Präteritum
Konjunktiv Präteritum
gesprochen
ich lief
ich liefe
[li:f]
er lief
er liefe
[li:f]
Der so genannte "Schwa-Schwund" tritt nach
den Untersuchungen von Bausch 1979,137 ff. in normaler
Konversation nahezu immer ein, dagegen wird im "Lesestil" der Reduktionsvokal als [ə] realisiert.
Für den Konjunktiv Präsens von Vollverben gilt:
Nur die 3. Person Singular ist generell weder homograph noch homophon mit dem
Indikativ: er arbeitet : er arbeite, er gibt:
er gebe .
Dagegen sind die 1. Person Singular und Plural sowie die 3. Person Plural sowohl
homograph als auch homophon: ich arbeite : ich arbeite,
wir/sie arbeiten : wir/sie arbeiten.
Die 2. Person Singular ist bei den starken Verben mit Vokal wechsel <i>
versus <e>, <ä> vs. <a> weder homograph noch homophon: du gibst:
du gebest, du fällst : du fallest .
Alle übrigen Formen der 2. Person Singular und Plural sind bis auf die Gruppe
der auf <d>, <t> oder bestimmte Konsonantenkombination endenden Verben nicht homograph,
jedoch bei Schwa-Schwund homophon:
du singst
ihr singt
du singest
ihr singet
du kommst
ihr kommt
du kommest
ihr kommet
Bei der genannten Gruppe (Verben, deren Stamm auf <d> oder <t> bzw.
Konsonant (außer <l>, <r>) + <m>, <n> endet) ist bereits im Indikativ ein
<e> eingeschoben, so dass Homographie hinzukommt:
du atmest
ihr atmet
du atmest
ihr atmet
du arbeitest
ihr arbeitet
du arbeitest
ihr arbeitet
du spendest
ihr spendet
du spendest
ihr spendet
du rechnest
ihr rechnet
du rechnest
ihr rechnet
dagegen:
du wärmst
ihr wärmt
du wärmest
ihr wärmet
Die Modalverben (außer sollen ) sowie wissen
sind im Singular durch den Vokalwechsel in Schrift und Lautung differenziert: ich
kann / ich könne usw., im Plural jedoch bis auf die 2. Person homograph
(diese auch homophon).
Von den Hilfsverben ist der Konjunktiv von sein am stärksten
distinkt, nur in der 2. Person Plural tritt Homographie oder Homophonie auf . Bei werden
ist die 1. Person Singular und der gesamte Plural homophon und homograph; bei
haben verhält es sich ähnlich, nur die 2. Person Plural ist zwar homophon, nicht
jedoch homograph.
Für den Konjunktiv Präteritum gilt:
Beim gesamten Paradigma der schwachen Verben sind Indikativ und Konjunktiv
homograph und homophon.
Bei den starken Verben sind Indikativ und Konjunktiv in zwei Fällen klar
unterschieden: zum einen weisen starke Verben mit möglicher Umlautung des Präteritalstammes im
Konjunktiv Umlaut auf: trugen : trügen bogen
: bögen kamen : kämen
Hier bleibt auch bei /ə/-Ausfall in gesprochener Sprache
die Opposition in der 1. und 3. Person Singular gewahrt: ich kam :
ich käme gesprochen: [ka:m]:[ke:m] oder [kɛ:m]
Gesprochen allerdings kann die Auslassung von /ə/ und
die Aufhebung der Opposition /e:/ versus /ɛ:/ zum Synkretismus mit
Präsensformen führen: ich nehme : ich nähme
literarischer Standard: [ne:mə] versus [nɛ:mə] umgangssprachlicher Standard: [ne:m]
Bei Verben mit Ablaut +/ t /, der zweiten Gruppe mit unterschiedenen Formen,
unterscheiden sich Konjunktiv von Indikativ ebenfalls durch Vokalwechsel. Die Konjunktivformen sind
jedoch ungebräuchlich: kannte : kennte sandte
: sendte
Bei starken Verben ohne mögliche Umlautung des Präteritalstammes, also mit
Stammvokal /ɪ/ oder /i:/, liegt in gesprochener Sprache ebenfalls weitgehend
Synkretismus von Indikativ und Konjunktiv vor: ich ging : ich
ginge umgangssprachlicher Standard: [gɪŋ]
Bei den Kopulaverben/Hilfsverben sein und
haben und werden ebenso wie bei den Modalverben (außer
sollen und wollen) wird durch den Umlaut im Konjunktiv
Synkretismus verhindert.
er war
er wäre
er hat
er hätte
er wurde
er würde
er konnte
er könnte
er musste
er müsste
Formensynkretismus kann prinzipiell in unterschiedlicher Weise gedeutet werden: Wie
bisher hier angenommen, als Homonymie zwischen jeweils zwei Formen an jeweils zwei
Paradigmenstellen:
Indikativ
Präsens
Konjunktiv
Präsens
ich
komme
ich
komme
als modusspezifische 'Polysemie' auf der Basis eines Ausdrucks, wobei kontextuell
disambiguiert werden muss:
Indikativ Präsens
Konjunktiv
Präsens
er
kommt
er
komme
ich komme
als Modusreduktion auf die unmarkierte Form Indikativ:
Indikativ
Präsens
Konjunktiv
Präsens
er
kommt
er
komme
ich komme
Modusreduktion auf den Indikativ müsste dann auch im Gesamten Präteritum der schwachen
Verben angesetzt werden:
Indikativ
Präteritum
Konjunktiv
Präteritum
ich
arbeitete
-
du
arbeitetest
-
.
Die an sich attraktive Lösung einer Modusreduktion ist mit Blick auf die Verwendung von
Konjunktiven in Indirektheitskontexten und
Modalitätskontexten unterschiedlich zu bewerten:
In Indirektheitskontexten ist generell auch Indikativ möglich, sodass kein
Nachweis einer modusambivalenten Form möglich ist. Hier wäre es sinnvoll, stets Indikativ, also
Modusreduktion anzusetzen. In Textsorten mit obligatorischer Modusmarkierung indirekter
Redewiedergabe wird dann stets auf distinkte Konjunktiv-Präteritum-Formen oder die
würde-Form ausgewichen.
In Modalitätskontexten, insbesondere bei Konditionalen, hingegen zwingen
funktionale Gesichtspunkte dazu, eine Form wie z.B. arbeitete nicht nur als
Indikativ, sondern auch als Konjunktiv Präteritum zu interpretieren: Wenn er
arbeitete, erntete er viel Lob. hat zwei Interpretationen: irreal/potential
vs. vergangenheitsbezogen + aktual. Beide Interpretationen sind im folgenden Beispiel
modusdistinkt: Wenn er kam, ließ man ihn ein. Wenn er
käme, ließe man ihn ein. Dabei können die Indikative
kam/ließ keineswegs die Funktion des Konjunktivs übernehmen und
umgekehrt. Es ist daher sinnvoll, auch bei schwachen Verben zwei Paradigmenstellen anzusetzen, so
dass die funktionale Aufteilung gewahrt bleibt. Andernfalls müsste man den Indikativ Präteritum bei
schwachen Verben anders interpretieren als den Indikativ modusdistinkter starker Verben. Wie das
nächste Beispiel zeigt, wird jedoch keineswegs immer zur würde-Form gegriffen, um
Irrealität/Potentialität auszudrücken, so dass die unklaren Präteritalformen indikativisch
entlastet wären: Wenn er arbeitete, ließe man ihn ein. Es wäre
wenig hilfreich, das komplexe Geflecht von Verwendungsbeziehungen verschiedener Konjunktiv- und
Indikativformen unmittelbar im Paradigma der Konjunktivformen abzubilden.
Formensynkretismus von Konjunktiv und Indikativ. In: Leibniz-Institut für Deutsche Sprache: "Systematische Grammatik". Grammatisches Informationssystem grammis. DOI: 10.14618/grammatiksystem Permalink: https://grammis.ids-mannheim.de/systematische-grammatik/315