Allgemeine Funktionsbestimmung von Konjunktiv und Indikativ
Der Beschreibung des Konjunktivgebrauchs in den unterschiedlichen Kontextsorten Indirektheitskontext und Modalitätskontext liegt diese allgemeine Funktionsbestimmung für den Konjunktiv zugrunde:
Bei Verwendung des Konjunktivs ist also der Doppelbezug auf den aktualen Sprecher und seine aktual vorfindliche Welt nur noch mittelbar hergestellt. Wird ein Propositionsausdruck p im Verbmodus Konjunktiv formuliert, muss nicht gelten:
Die Dinge verhalten sich so, wie p das besagt | Darauf lege ich mich fest | |
aktuale Welt | aktualer Sprecher |
Die beiden Konjunktivgruppen sind primär jeweils einem der beiden Aspekte zugeordnet: Der Konjunktiv der Präsensgruppe zeigt Brechung in Bezug auf den aktualen Sprecher an (Indirektheitskontexte), der Konjunktiv der Präteritumgruppe Brechung in Bezug auf die aktuale Welt (Modalitätskontexte). Beide Konjunktivgruppen reichen jedoch in die Domäne des anderen hinein: Der Konjunktiv Präsens in Heischesätzen (Sätzen im Heische-Modus) ist mit einem volitiven Redehintergrund nur noch mittelbar auf die vorfindliche Welt bezogen, der Konjunktiv Präteritum in Indirektheitskontexten zeigt an, dass sich der aktuale Sprecher nicht auf die Geltung des Gesagten festlegt.
Der Konjunktiv der Präteritumgruppe in Modalitätskontexten hat zwei Verwendungsweisen, die jeweils unterschiedlichen Verhältnissen zwischen aktualer und nur möglicher Welt entsprechen.
Im Potentialis gilt es als mit dem Sprecherwissen vereinbar, dass nicht gilt, was der Propositionsausdruck besagt. Dies entspricht der generellen Konjunktivbedeutung und gilt unter anderem auch für zukunftsbezüglichen Gebrauch. Im Irrealis oder im kontrafaktischen Gebrauch ist diese Bedingung verschärft, und es gilt als mit dem Sprecherwissen unvereinbar, dass p gilt. Dies ist meist bei vergangenheits- oder gegenwartsbezogenem Gebrauch der Fall.
In bestimmten Fällen, etwa bei Modalverben, in Relativsätzen, ohne ... dass-Sätzen usw., kann der Konjunktiv der Präteritumgruppe auch zur Blockierung einer Faktizitäts-Implikatur gebraucht werden. Auch diese Verwendungen sind in Einklang mit der generellen Bedeutung des Konjunktivs.
Der Indikativ hingegen zeigt für sich genommen keinerlei Brechung der primären interpretativen Bezugnahme an. Er ist daher der Modus, der gewählt werden muss, wenn der Sprecher sich darauf festlegen will, dass sich die Dinge so verhalten, wie dies die Proposition besagt, die er vorbringt. Der Indikativ kann aber auch dann gewählt werden, wenn Mittelbarkeit des interpretativen Bezugspunktes bereits durch andere sprachliche Mittel signalisiert ist, etwa durch lexikalische Mittel wie Modalverben, die Redehintergründe einbringen, oder durch Verben und Nomina, die Indirektheit anzeigen.
Indikativ und Konjunktiv kommen in allen möglichen Sätzen vor als Ober- oder Untersatz. Die Verbmodi Indikativ und Konjunktiv sind offenkundig nur indirekt auf den Modus des jeweiligen Satzes bezogen. Mit der Festlegung des aktualen Sprechers auf die aktualen Verhältnisse in seiner Welt (Indikativ) oder dem Abrücken von dieser Festlegung (Konjunktiv) spezifizieren sie Aspekte möglicher Wissensqualitäten, die mit bestimmten Satzmodi verträglich oder unverträglich sind. So kann die Unmittelbarkeit bezüglich des aktualen Sprechers nur im Aussage-Modus aufgehoben werden.
Nur der Aussage-Modus ist verträglich mit Indirektheitskontexten, wobei allerdings Indirektheit explizit angegeben werden muss. Ein Vollsatz im Konjunktiv Präsens wie etwa Er habe sich stets korrekt verhalten ist nur dann ein korrekter Aussagesatz der indirekten Redewiedergabe, wenn ein Indirektheitskontext mit geeigneten Sprachmitteln eröffnet und noch nicht wieder geschlossen wurde oder wenn er unmittelbar in Anschluss daran eröffnet wird:
Dagegen ist Mittelbarkeit in Bezug auf die aktuale Welt mit allen Modi kommunikativer Minimaleinheiten verträglich außer mit dem Exklamativ-Modus, der auch sonst in verschiedener Hinsicht eine Sonderstellung einnimmt.