Beispielaussagen zum Thema Standardsprache

Ammon (2005):

Aber auch in topischer, also regionaler Hinsicht bedeutet Standardsprachlichkeit keine völlige Einheitlichkeit – ob auch nicht in stratischer, also sozialer Hinsicht, möchte ich offen lassen.[…].
Im Moment setze ich voraus, dass sie als Leser die Tatsache einsehen, dass Standarddeutsch regional variiert […].
Die regionale Einheitsidee ist allerdings insofern richtig, als auf standardsprachlicher Ebene die Regionen, zwischen denen variiert wird, durchschnittlich größer sind als im Dialekt. Außerdem ist die Zahl variierender sprachlicher Einheiten weitaus beschränkter. Dies entspricht einem der Hauptzwecke sprachlicher Standardisierung, nämlich; dialektale Kommunikationsschranken zu überbrücken. (29)
Der Standard wird auch oft mit der Norm der Sprache schlechthin gleichgesetzt. Die Aussage „Das ist normwidrig im Deutschen“ meint dann einfach: ‚Es ist kein Standarddeutsch’ […]. (31)
Im Gegensatz zu Nonstandardvarietäten sind Standardvarietäten

  1. kodifiziert, d. h. es gibt für sie Sprachkodizes oder -kodexe im Sinne autoritativer Nachschlagewerke für den korrekten Gebrauch. Sie werden
  2. förmlich gelehrt, und sie haben
  3. amtlichen Status, schon durch die Schule, aber meist darüber hinaus.

Als Folge davon wird

  1. die Einhaltung der Normen kontrolliert von Sprachnormautoritäten von Berufs wegen, zu deren Berufsaufgaben die Korrektur von Sprachfehlern gehört, z.B. Lehrer oder Vorgesetzte auf Ämtern.

In diesem Sinne sind Standardvarietäten förmlich institutionalisiert Vorschriften – eine allerdings missverständliche Formulierung, für deren konstruktive Kritik ich dankbar wäre. (32)


Barbour (2005):

Ich gehe insbesondere von einer Auffassung des Begriffes Standardsprache aus, die in der britischen Soziolinguistik verbreitet ist; nach diesem Verständnis des Begriffes ist ein „standard language“ der in der Gesellschaft sowohl in geschriebener als auch in gesprochener Form als maßgeblich akzeptierter Sprachgebrauch. Nach diesem Verständnis des Phänomens ist Standardsprache (ich benutze aus Bequemlichkeitsgründen den deutschen Terminus, gemeint ist aber hier durchweg eher der englische Begriff) der gesamte Sprachgebrauch einer Bildungsschicht, d. h. sie umfasst alle sprachlichen Register dieser Schicht, und schließt demnach das ein, was man im Deutschen als Umgangssprache der Bildungsschicht bezeichnen würde. […]. Es handelt sich hier sowohl um gesprochene als auch um geschriebene Sprache, und sowohl um formelle als auch um informelle Sprache, also auch um Umgangssprache. Standardisiert ist diese Varietät vor allem in der Grammatik und der Orthographie, kaum in der Aussprache, und nur bedingt in der Lexik. Da es sowohl um gesprochene als auch um geschriebene Sprache geht, handelt es sich hier um einen Gebrauchsstandard oder eine Gebrauchsnorm, und nicht nur um einen kodifizierten Standard oder eine Sollnorm […]. (325)


Barbour/Stevenson (1998):

Die Erforschung der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern hat sich in den meisten Fällen als ein Studium von zwei sich deutlich voneinander abgrenzenden Sprachtypen erwiesen. […]. Der erste dieser Sprachtypen wird im Deutschen unter mehreren Bezeichnungen geführt. Man nennt ihn z.B. Hochsprache, Schriftsprache, Literatursprache, Einheitssprache oder auch Standardsprache. Es ist jene Art von Deutsch, die man traditionell sowohl mündlich als auch schriftlich an Schulen erwartet und weiterentwickelt, die in den meisten Grammatiken und Wörterbüchern zu finden ist und so gut wie allen ausländischen Deutschlernenden beigebracht wird. Die Aussprache der Standardvarietät wird ebenso wie ihre Grammatik und Orthographie u.a. im Duden, und darüber hinaus in Siebs Deutsche[r] Aussprache beschrieben. Gemessen an seinem sozialen Prestige gilt Standarddeutsch vielfach, doch nicht grundsätzlich, als die akzeptabelste Sprachform. (145)


Bußmann (2008):

Standardsprache [Auch: Hochsprache, Nationalsprache]. Seit den 70er Jahren in Deutschland übliche legitimierte, überregionale, mündliche und schriftliche Sprachform der sozialen Mittel- bzw. Oberschicht; in diesem Sinn synonyme Verwendung mit der (wertenden) Bezeichnung „Hochsprache“. Entsprechend ihrer Funktion als öffentliches Verständigungsmittel unterliegt sie (besonders in den Bereichen Grammatik, Aussprache und Rechtschreibung) weitgehender Normierung, die über öffentliche Medien und Institutionen, vor allem aber durch das Bildungssystem kontrolliert und vermittelt wird. (680)


Duden (1999):

Standardsprache […]: über den Mundarten, lokalen Umgangssprachen und Gruppensprachen stehende, allgemeinverbindliche Sprachform; gesprochene und geschriebene Erscheinungsform der Hochsprache. (3699)


Durell (1999):

Der Terminus Standardsprache hat sich als wissenschaftssprachliche Lehnübersetzung des englischen standard language seit etwa 1970 auch in der deutschsprachigen soziolinguistischen Literatur eingebürgert zur Bezeichnung der Prestigevarietät. Er ist vor allem nützlich, weil er sich auf ein weiteres Variantenspektrum beziehen läßt als der gemeinsprachliche deutsche Terminus Hochsprache, der oft ausschließlich mit der Sprache der Literatur identifiziert wird […]. (285)

Die aus einem Selektionsprozeß entstandene Standardsprache muß dann von allen Sprachteilhabern als alleingültige überregionale (bzw. nationale oder offizielle) Varietät in der Sprachgemeinschaft akzeptiert werden. Im typischen modernen Nationalstaat erfolgt in ihr die primäre Alphabetisierung, sie ist die Sprache der Rechtsprechung, der Behörden, und, mit sehr wenigen Ausnahmen, des gesamten Schriftverkehrs. (288)

Entsprechend dem Ursprung der Standardsprachen als Bildungsnormen, als Sprachen einer Bildungselite, was in diesem Fall für Deutsch und Englisch in gleicher Weise gilt, genießen sie hohes Ansehen auch unter denjenigen Bevölkerungsschichten, die sie vielleicht nur unvollkommen (wenn überhaupt) beherrschen […]. (289)

Die Kodifizierung von Standardsprachen hängt charakteristisch sehr eng mit der Erschaffung eines Nationalstaates zusammen. In dem diese Sprache eine symbolische Funktion als Ausdruck der nationalen Einheit ausübt. (296)

Dagegen kennt das Englische eine volle Elaboriertheit der sprachlichen Funktionen in der Standardsprache, während die deutsche Standardsprache erst in relativ neuerer Zeit auf den alltäglichen mündlichen Gebrauch ausgedehnt wurde und das informelle Register noch nicht universell als echt standardsprachlich akzeptiert ist. (304)


Eichinger (2005a):

Die Norm der deutschen Standardsprache existiert offenkundig, einigermaßen wissen wir auch über ihre Grenzen Bescheid. Nicht zuletzt im Verlauf der in diesem Band dokumentierten Tagung ist aber klar geworden, dass Variation, ja die Möglichkeit zur Variation zur Standardsprachlichkeit gehören. (363)

Als Vorbilder eines standardsprachlichen Schreibens und Sprechens werden allmählich die Sprachen der jeweiligen Leitmedien angesehen und akzeptiert. Das ist zunächst die Sprache, wie sie sich in den Zeitungen findet, später ist es das, was der Rundfunk und das Fernsehen an sprachlichen Formen mit sich bringen. (368)

Zum einen meint Standardsprachlichkeit, dass man den Festschreibungen auf den verschiedenen Ebenen der sprachlich-formalen Beschreibung von Aussprache bis Flexion, folgt, in diesem Sinn keine Fehler macht. Auf einer zweiten Ebene geht es dann allerdings schon darum, dass die Auswahl aus den Optionen, die sich hier im Prinzip bieten diamedial, aussageintentional und textsortenspezifisch variieren. Und zum dritten ist offenkundig, dass mit der Prätention auf standardsprachliches Verhalten ein sozialsymbolischer Anspruch verbunden ist, der ebenfalls die Beurteilung bestimmter Äußerungsformen steuert. (379f)


Eichinger (2005b):

Es ist wenig kontrovers, von den europäischen Kultursprachen, also dem Deutschen, Italienischen, Französischen oder Spanischen und weiteren zu sagen, sie hätten den Status der Standardsprachlichkeit erreicht, also jenen Zustand, in dem, um es direkt auf das deutsche Beispiel hin zu formulieren, eine als Druck- und Schriftsprache entwickelte Form auch weite Räume der öffentlichen und halböffentlichen Mündlichkeit eingenommen und dadurch die Sprechsprachen der Vergangenheit, die „Mundarten“, marginalisiert hat. (141f)

Es ist aber offenkundig, dass mit den medialen Umbrüchen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die tradierte schriftsprachliche Norm weniger und weniger als die alleinige Basis sozial angemessenen und sprachlichen Verhaltens angesehen, sondern dass umgekehrt Schriftlichkeit nunmehr auch auf verschiedene mündliche Praxen rückbezogen wird – gerade das Fernsehen kennt eine Menge von so gelagerten Formen. Dadurch verliert die schriftliche Standardnorm ihre strikte Dominanz. Das wirkt aus dem Grund nicht so auffällig, da diese Norm bei weitem nicht in allen Bereichen voll ausformuliert ist – und das betrifft nicht nur Wortschatzfragen. Damit gibt es einen erheblichen Spielraum, in dem die Ausgestaltung des Standards im Einzelnen der Übereinkunft der normgebenden Schichten und Instanzen entspricht. (142f.)

Unter diesen Bedingungen ist Standardsprache keine homogene Varietät und auch kein Bündel von Varietäten, sondern der durch zentrale und prototypische Kennzeichen ausgezeichnete Raum zwischen sprachlichen Leitplanken, deren genaue Setzung dem gesellschaftlichen Interessendiskurs (natürlich nicht völlig frei) anheim geblieben ist. Man kann das auch anders ausdrücken: die Standardvarietät ist nur dann noch eine Varietät, wenn an den verschiedenen Stellen eine Vielfalt von Varietät eingebaut ist. (143)

[…] Der durch die Textsorten und die Kommunikationssituation gesetzte Rahmen ruft durchaus verschiedene sprachliche Eigenheiten hervor, die mit diesem standardsprachlichen Kern als kompatibel angesehen werden. (ebd.)


Elspaß (2005a):

Historisch gesehen liegt einer Standardsprache ein hohes Maß an Variation zugrunde: Sie ist aus verschiedenen regional, sozial und funktional begrenzten gesprochenen und geschriebenen Sprachen entstanden […]. Standardsprache“ ist die heute in der Sprachwissenschaft übliche Bezeichnung für die Sprachform, die in einer Sprachbevölkerung überregional und über alle gesellschaftlichen Schichten hinweg akzeptiert ist. (294)

Als wichtiges Kennzeichen einer voll ausgebildeten Standardsprache wird häufig die Kodifizierung von Wortschatz, Grammatik und Rechtschreibung dieser Sprache gesehen. (297)


Elspaß (2005b):1

Ich bediene […] mich […] einer ‚internationaleren‘ Definition von Standard:

„Any vernacular (language or dialect) may be ‚standardized‘ by being given uniform and consistent norm of writing that is widely accepted by its speakers. It may then be referred to as a ‘standard’ language.” (Haugen 1994, S. 4340)

Die Unterschiede zwischen diesen beiden Definitionen sind augenfällig:

  • Bei Bußmann ist von einer Normierung auf gesprochener und geschriebener Ebene die Rede, bei Einar Haugen nur von einer einheitlichen Schreibnorm. […].
  • Außerdem fällt die sozialschichtenspezifische Einschränkung in der deutschen Definition auf, durch die offenbar rein deskriptive nicht mehr recht von wertenden Kriterien zu trennen sind […]. Die Rede von „speakers“ bei Haugen ist dagegen schichtneutral.
  • Ein notwendiges Kriterium für Standardsprache bei Haugen, das im „Lexikon der Sprachwissenschaft“ fehlt, ist das der breiten Akzeptanz der Schreibnorm in der Sprachgemeinschaft. (64)


Glinz (1980): 2

Ich möchte demgegenüber die gesprochene Sprache ausdrücklich einbeziehen […]. Es scheint mir gerade der Vorteil der Bezeichnung „Standardsprache“’ zu sein, daß sie den schriftlichen und den mündlichen Gebrauch zusammenzufassen gestattet […]. Dabei schlage ich eine Definition ex negativo vor: unter deutscher Standardsprache der Gegenwart verstehe ich die heute gehörte und gelesene, gesprochene und geschriebene deutsche Sprache, soweit sie als allgemein gebraucht, als nicht-mundartlich und als nicht-schichtenspezifisch betrachtet wird. (610)


Jäger (1980):

[Der zu benennende Gegenstand lässt sich umreißen als] die überregional gebräuchliche Sprache des größten Teils der Gebildeten einer Sprachgemeinschaft, insbesondere aber deren geschriebene Sprache. (376)

Nur vereinzelt wird auch gesprochene Sprache der Gebildeten, wenn sie sich durch eine große Nähe zur geschriebenen Sprache (Literatur-, Zeitungssprache usw.) und das Fehlen von Regionalismen auszeichnet, als (gesprochene) Standardsprache bezeichnet. (ebd.)

Da eine genaue Abgrenzung von ‚gesprochener Standardsprache‘ und ‚überregionaler Umgangssprache‘ weder möglich noch nützlich ist, empfiehlt es sich, den Terminus ‚Standardsprache‘ der geschriebenen Sprache vorzubehalten. (377)

Als Standardsprache wird die Sprache bezeichnet, die im Sprachverkehr der oberen und mittleren sozialen Schichten verwendet wird. Aus dem sprachlichen Verhalten dieser Schichten lässt sich die Sprachnorm dieser Schichten ableiten als derjenige Teil ihrer sprachlichen Gesamtkompetenz, der im allgemeinen die Grundlage für ihren Sprachverkehr bildet. (ebd.)


Lüdtke/Mattheier (2005):

Standardsprache ist diejenige Leitvarietät im Sinne eines „idioma cardinale“ (Dante), die eine institutionalisierte Verbindlichkeit in Normfragen aufweist. Die teilweise mit ihr konkurrierenden Begriffe Hochsprache, Literatursprache, Schriftsprache (Baum 1987) oder auch Nationalsprache greifen zu kurz. Die Standardisierung erarbeitet über eine Teilkodifizierung eine Varietät heraus, die normativen Charakter beansprucht. Die Standardsprache resultiert aus ihrer Geschichte. (15)



1Elspaß bezieht sich u. A. auf eine Definition Bußmanns, die weiter oben in der unveränderten Version von 2008 zitiert wird. [zurück]

2Glinz bezieht sich auf die weiter unten zitierte Definition Jägers (1980). [zurück]

Zum Text

Schlagwörter
Autor(en)
Marek Konopka
Letzte Änderung
Aktionen
Seite merken
Seite als PDF
Seite drucken
Seite zitieren

Seite teilen