Ausblick zu AcI-Konstruktionen und Wie-Sätzen

Die sich oben andeutenden Unterschiede in den Gebrauchsbedingungen der beiden Konstruktionen im Bereich der (inhaltlichen) Domäne sollen künftig mithilfe einer verbesserten Domänenklassifikation geprüft und ggf. präzisiert werden. Zurzeit wird eine neue, automatische Domänenklassifikation erarbeitet (vgl. Bildhauer/Schäfer 2017), die bei den Arbeiten des Projekts Korpusgrammatik in absehbarer Zeit an die Stelle der aktuell verwendeten semiautomatisch zustande gekommenen Domänenklassifikation treten soll, die auf Weiß 2006 zurückgeht (vgl. auch Domäne ). Genauer untersucht werden soll auch noch der Einfluss der Zusammenhänge zwischen einzelnen Ausprägungen unterschiedlicher Faktoren wie etwa ‚Buch‘ (Faktor ‚Medium‘), ‚literarische Texte‘ (Faktor ‚Register‘) und ‚Fiktion‘ (Faktor ‚Domäne‘) einerseits und den Ausprägungen des Faktors ‚Jahrzehnt“ andererseits auf die Datenlage im Untersuchungskorpus.

Vor allem aber sollen die Untersuchungen zu sprachinternen Faktoren der Variation zwischen AcI-Konstruktionen und Wie-Komplementsätzen weiter vorangetrieben werden. Dabei muss eine genaue qualitative Auswertung der Korpusbelege eine wichtige Rolle spielen. Zu den Themen, die es verdienen, in diesem Kontext verfolgt zu werden, gehören etwa:

  • die Tatsache, dass die Wie-Komplementierung das Passiv sowohl im Wie-Satz als auch im Matrixsatz problemlos zulässt, während sich parallele Passiv-Konstruktionen im Falle der AcI-Komplementierung am Rande der Akzeptabilität bewegen bzw. in Korpora kaum zu finden sind (dazu in Ansätzen Fuß/Konopka/Wöllstein 2017), vgl.:
  1. a. Ich wollte es einfach hinter mich bringen, damit sie nicht sehen müssen, wie ihre Kunst Stück für Stück heruntergerissen wird. [dpa, 19.11.2013; Berühmtes New Yorker Graffiti-Zentrum "5Pointz" übermalt (Foto - Archiv)]
  1. b. ??… damit sie nicht ihre Kunst Stück für Stück heruntergerissen werden sehen müssen.
  1. a. Der MOPO liegen hingegen Aussagen von Zeugen vor, wonach beide mehrfach im Rathaus gesehen wurden, wie sie miteinander tuschelten. [HMP05/DEZ.02920 Hamburger Morgenpost, 29.12.2005, S. 11]
  1. b. … wonach beide mehrfach im Rathaus miteinander tuscheln gesehen wurden.

Die Schwierigkeit bei Beispiel 1b scheint damit zusammenzuhängen, dass der Ausdruck ihre Kunst, der im Akkusativ steht, gleichzeitig als Subjekt einer Passiv-Konstruktion fungieren müsste, das in regulären Passivsätzen im Nominativ steht. Die Schwierigkeit bei Beispiel 2b mag daran liegen, dass der Ausdruck beide zwar den regulären Nominativ für das Passiv liefert, aber nicht gleichzeitig als ein Akkusativ interpretiert werden kann, der in einer unter sehen eingebetteten AcI-Konstruktion zu erwarten ist.

  • die Intuition, dass die Komplexität des Gesamtsatzes und besonders der potenziell entstehenden Verbgruppe der Bildung einer AcI-Konstruktion im Wege stehen kann. Man vergleiche dazu schon die noch relativ „harmlosen“ Umformulierungen 1b (oben) und 3b (unten):
  1. a. Beide Male gab es keine Strahlenschützer, die hätten sehen können, wie der Schlosser das Diebesgut neben die Messgeräte legte. [Süddeutsche Zeitung, 31.07.2001, S. V2/7; Wie die Kontrollen zu umgehen waren]
  1. b. … die den Schlosser das Diebesgut neben die Messgeräte hätten legen sehen können.

Derartige Themen aufzuarbeiten ist die Aufgabe der theoretischen Linguistik. Idealerweise kann sie dabei präzise Hypothesen zu sprachinternen Regularitäten aufstellen, die mithilfe empirischer Analysen geprüft werden können. Als Ziel steht am Ende ein Gesamtbild, das sprachinterne Regularitäten mit den sprachexternen Variabilitätsfaktoren zusammenführt, deren erste korpusbezogene Analysen hier dokumentiert wurden.

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Autor(en)
Marek Konopka und Sandra Hansen
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