Wie werden aus kleineren Einheiten größere kombiniert?

Die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten der Sprache sind die Morpheme. In Kombination miteinander oder auch als Einzelvorkommen bilden sie die Wörter einer Sprache.

Das Wort und besteht z. B. aus nur einem Morphem, es ist nicht weiter in bedeutungstragende Einheiten zerlegbar. Dagegen besteht das Wort Unding aus zwei (Un|ding), das Wort Umleitung aus drei Morphemen (Um|leit|ung).

So, wie Morpheme in der Wortbildung miteinander kombiniert werden können, können auch eigenständige Wörter miteinander zu komplexeren Wörtern kombiniert werden. Wir erhalten dann Wortzusammensetzungen oder Komposita. Um|leit|ungs|verkehrs|schild besteht aus fünf Morphemen oder auf Wortebene aus zwei Umleitungs|verkehrsschild oder sogar drei Wörtern Umleitungs|verkehrs|schild. Das Deutsche ist z. B. im Gegensatz zum Polnischen sehr kompositionsfreudig.

Der strukturelle Aufbau eines Satzes erschließt sich jedoch nicht einfach dadurch, dass man ihn als eine lineare Ansammlung einzelner Morpheme oder Wortformen auffasst. Zwischen Morphemen bzw. Morphemkombinationen oder Wortformen als Realisierungen einzelner Wortarten auf einer unteren Beschreibungsebene und dem Satz auf einer höheren liegt eine weitere Ebene, auf welcher einzelne Wortformen zu Wortgruppen, den Phrasen, zusammengefasst werden können. Phrasen sind Ausdruckseinheiten und können aus nur einer Wortform bestehen - das ist eher die Ausnahme - oder aus einer Aneinanderreihung mehrerer Wortformen. Besteht eine Phrase aus nur einer Wortform wie in Satz (1), dann muss diese notwendigerweise auch der Kopf der Phrase sein. Die Köpfe von Phrasen sind unterschiedlich ausbaubar. Am weitesten ausbaufähig ist die Nominalphrase:

(1) Fragen stehen im Raum.
(2) Die Fragen stehen im Raum.
(3) Die wichtigen Fragen stehen im Raum.
(4) Die meisten wichtigen Fragen stehen im Raum.
(5) Die meisten wichtigen Fragen der Teilnehmer stehen im Raum.
(6) Die meisten wichtigen Fragen der anwesenden Teilnehmer stehen im Raum.
(7) Die meisten wichtigen Fragen der anwesenden ausländischen Teilnehmer stehen im Raum.
(8) Die meisten wichtigen Fragen der anwesenden ausländischen Teilnehmer, die aus aller Welt angereist waren, stehen im Raum.

Der Kopf in Satz (1) wird erweitert durch einen Artikel (2), durch ein Adjektiv bzw. eine einfache Adjektivphrase (3), durch eine komplexere Adjektivphrase (4), durch eine weitere Nominalphrase im Genitiv (5), durch eine um eine einfache Adjektivphrase erweitere Nominalphrase (6), durch eine um eine komplexere Adjektivphrase erweitere Nominalphrase (7), durch einen Relativsatz (8), ...

Phrasen, in diesem Fall Nominalphrasen, können ausgetauscht/kommutiert werden durch z. B. Pronomina:

(9) Die meisten wichtigen Fragen der Teilnehmer stehen im Raum.
(9a) Sie stehen im Raum.
(9b) Viele stehen im Raum.

Wenn Phrasen unmittelbare Konstituenten des Satzes sind, sind sie verschiebbar/permutierbar. Durch die Verschiebeprobe sind die äußeren Grenzen der Phrasen erkennbar:

(10a) Die meisten wichtigen Fragen stehen noch immer im Raum.
(10b) Im Raum stehen noch immer die meisten wichtigen Fragen.
(10c) Noch immer stehen die meisten wichtigen Fragen im Raum.

Bei der Zerlegung der Sätze (10a-c) in ihre unmittelbaren Konstituenten erhalten wir folgende Ausdruckseinheiten:

Verbalkomplex: stehen
Nominalphrase: die meisten wichtigen Fragen
Präpositionalphrase: im Raum
Adverbphrase: noch immer

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