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(1) „Aber sag mal, wollen wir den wirklich schon wieder essen gehen? Das
wäre so die Frage" – „Nee, müssen wir auch nicht"
(Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00477_SE_01_T_02/c226)
(2) „Nehmen Sie bitte Platz. Sie sind gesund?" – „Bin
gesund, ja"
(Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00035_SE_01_T_01/c6)
(3) „Den willst du haben, oder?" – „Weiß ich
nicht"
(Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00021_SE_01_T_09/c696)
In (1) bis (3) haben die fett markierten Sätze das Verb in der Erstposition. Sätze mit dem Verb in
der Erstposition gibt es auch in der geschriebenen Sprache. Das sind zum Beispiel
Entscheidungsfragen, Aufforderungen, Wunschsätze oder Exklamativsätze (siehe Verberstsätze). Gehören die Sätze in (1) bis (3) zu
diesen Satztypen?
Die fett markierten Sätze in (1) bis (3) sind keine Verberstsätze im engeren Sinne. Das
Verb steht nur deshalb in der Erstposition, weil bestimmte Satzteile wegfallen: „[Das]
müssen wir auch nicht“, „[Ich] bin gesund“, „[Das] weiß ich nicht“.
Im gesprochenen Deutsch kann das Verb manchmal auch in ganz normalen
Aussagesätzen in der Erstposition stehen. In
den meisten Fällen fällt ein Pronomen weg, das
normalerweise am Satzanfang stehen würde (Es, Ich,
Das). Dadurch rückt das Verb in die Erstposition.
Verbzweitsätze mit Subjunktoren
Lesen Sie die folgenden Beispielen mit den Subjunktoren weil und obwohl
(4) Die elektronische Post ist so beliebt, weil sie Zeit spart und schnell ist.
(Der Spiegel 46, 1997, S. 148)
(5) Reporter machen Selfies mit ihm, obwohl das nicht erlaubt
ist.
(Süddeutsche Zeitung, 13.07.2015, S. 3)
(6) „Wir waren im Kino am Montag, weil ich war schon lange nicht
mehr“
(Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00273_SE_01_T_02/c1016)
(7) „Es kann ja auch nicht schaden, obwohl… angeblich sind ja ein paar
auch irgendwie an dieser Impfung krank geworden“
(Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00055_SE_01_T_09/c341)
Die Beispiele (4) und (5) kommen aus geschriebenen Pressetexten, die
Beispiele (6) und (7) kommen aus informellen Alltagsgesprächen. Vergleichen Sie die
Beispielpaare (4)-(5) und (6)-(7). Welchen Unterschied sehen Sie?
In den Beispielen (4) und (5) leiten weil und obwohl
einen Verbletzsatz ein, d.h. einen Satz mit
dem Verb in der letzten Position. In den Beispielen (6) und (7) leiten
weil und obwohl stattdessen einen Verbzweitsatz ein, d.h. einen Satz mit dem Verb in
der zweiten Position.
Verbzweitsätze mit Subjunktoren sind in formellen geschriebenen Texten in
der Regel nicht akzeptabel, aber in der Alltagssprache sind sie sehr häufig.
Verbzweitsätze mit obwohl wie in (7) werden allerdings nur in bestimmten
Situationen und zu bestimmten kommunikativen Zwecken verwendet. Sie sind keine Konzessivsätze im engeren Sinne. Sie bringen
nämlich nicht einen Widerspruch zwischen zwei Ereignissen zum Ausdruck, sondern eine
Korrektur/Einschränkung der vorangehenden Äußerung. Durch den
obwohl-Verbzweitsatz in (7) wird die Äußerung im Hauptsatz korrigiert, etwa
nach dem Motto „Was ich gerade gesagt habe, stimmt nicht ganz“.
HINWEIS: In Verbzweitsätzen mit Subjunktoren wie
weil und obwohl gibt es zwischen dem Subjunktor und
dem Rest des Satzes oft eine kurze Pause – in (7) wird diese durch die drei Punkte
verschriftlicht.
Komplementsätze mit Verbzweitstellung
(8) „Hat jemand von euch Handcreme dabei?“ – „Ich glaub’, ich hab’
welche dabei“
(FOLK_E_00052_SE_01_T_01/c536)
Der fett markierte Satz im Beispiel (8) ist ein Verbzweitsatz. Auch der Satz
davor (Ich glaub’) ist ein Verbzweitsatz. Verbzweitsätze sind in der Regel
Hauptsätze und können allein stehen. Sind beide
Sätze im Beispiel ganz unabhängig voneinander?
Eigentlich nicht. Der erste Satz kann nicht allein stehen, denn die Information „Was
glaube ich?“ fehlt. Diese Information gibt der zweite Satz, der somit als Komplementsatz fungiert. Im geschriebenen
Deutsch würde man in diesem Fall einen Nebensatz mit dass verwenden ("Ich glaube, dass ich welche dabei
habe").
Im gesprochenen Deutsch können dass-Komplementsätze
durch Verbzweitsätze ersetzt werden. Diese werden meistens durch Verben des Sagens, des
Denkens und des Fühlens (sagen,
behaupten,
meinen,
glauben,
finden,
hoffen) eingeleitet.
Sehen wir weitere Beispiele:
(9) ... und ich hoffe, wir schaffen das
(Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00015_SE_01_T_01/c16)
(10) „Wer meint, er kann das kurz erklären?“
(Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00006_SE_01_T_01/c88)
(11) „… weil ich finde, er macht wirklich gar nix,
ja?“
(Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00022_SE_01_T_03/c1294)
(12) „Die Sabrina und die Marie haben gesagt, sie kommen noch
vorbei“
(Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00048_SE_01_T_02/c425)
(13) „Pascal meint, er geht mal runter“
(Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00132_SE_01_T_16/c474)
HINWEIS:Die indirekte Redewiedergabe im Indikativ wie in (12)
und (13) ist im Deutschen nur in der gesprochenen Alltagssprache akzeptabel. In
institutionellen Kontexten wie z.B. vor Gericht oder in der Berichterstattung ist die
indirekte Rede sowohl mündlich als auch schriftlich im Konjunktiv I formuliert – oder im
Konjunktiv II, wenn Konjunktiv I und Indikativ die gleiche Form haben.
Besonderheiten in der Position des Verbs. In: Leibniz-Institut für Deutsche Sprache: "Propädeutische Grammatik". Grammatisches Informationssystem grammis. DOI: 10.14618/programm Permalink: https://grammis.ids-mannheim.de/progr@mm/6851