Direkte und indirekte Redewiedergabe

Für die Wiedergabe von Feststellungen stehen im Deutschen verschiedene Ausdrucksformen zur Verfügung. Unterschieden werden dabei:

  • direkte Redewiedergabe
  • indirekte Redewiedergabe

Direkte Redewiedergabe

Man kann eine fremde Äußerung direkt als Zitat wiedergeben. Für Zitate in wissenschaftlichen Arbeiten, wörtliche Sitzungsprotokolle und Aussagen bei Gericht gilt dies sogar zwingend. Dabei muss, wenn alles korrekt zugeht, nicht nur der Verbmodus Indikativ, sondern auch der ganze Wortlaut erhalten bleiben.

Anders als indirekte zielt direkte Redewiedergabe auf eine szenische Vergegenwärtigung der originalen Äußerungssituation. Die Originaläußerung wird gewissermaßen in Inhalt und Form nachgestellt.

"Wir wollen keine Kataloggebühr erheben", erklärte DRV-Präsident Gerd Hesselmann überraschend, nachdem sich DRV-Geschäftsführer Burkhard Nipper noch vor Wochen für eine entsprechende Empfehlung an Veranstalter und Agenturen ausgesprochen hatte.
(Die Zeit 24.2.1995, 45)

Szenische Vergegenwärtigung ist jedoch nicht zwingend an die Existenz von Originaläußerungen gebunden. Auch gedachte, hypothetische Originaläußerungen können so vorgebracht werden. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang die Verwendung von man sagt nach oder auch man hört.

Man sagt Katzen nach, sie würden sich nie ganz domestizieren lassen: Vielleicht sind Strassenkatzen der beste Beweis dafür.
(St. Galler Tagblatt 7.3.2009, 43)
Man hört, dass die beiden in Wahrheit befreundet sind, doch vor der Kamera arbeiten sie daran, einander unverdrossen misszuverstehen - Netzer, der mit Mühe die Worte findet [...], gegen Delling, dem der Mund überläuft. Delling, der den Stoiker Netzer neckt; Netzer, der den beflissenen Delling voller Genuss auflaufen lässt.
(Die Zeit 8.7.2010, o. S.)

Argumente, von denen man sich distanzieren will, lassen sich in Form der Redewiedergabe einführen, ohne dass man sich darauf festlegt, wer denn nun genau solche Thesen vertritt. Auch muss die direkte Redewiedergabe - wenn eine Originaläußerung denn vorliegt - nicht immer ganz wörtlich sein. Deutlich machen können das Hinweise wie Er hat ungefähr so gesagt, auf den genauen Wortlaut kann ich mich nicht mehr festlegen.

Aber ich glaube, dass wir alle unsere Vorurteile und Macken haben. Wir haben vor ein paar Tagen Willy Brandt geehrt, an seinem Todestag, wir waren auf dem Friedhof. Als der Willy ging, hat er so ungefähr gesagt: Falls ich jemanden von euch beleidigt habe oder was Böses angetan habe, dann tut's mir leid - das ist es aber auch. So ungefähr war das.
(Die Zeit 22.10.2009, o. S.)

In bestimmten Verwendungssituationen, etwa im Kontext wissenschaftlichen Zitierens, ist jedoch mit dem Zitieren die Pflicht zur wörtlichen Wiedergabe verbunden. Wörtliche Wiedergabe ohne Verdeutlichung des Zitatkontextes durch Anführungszeichen und Quellenangabe gilt dort als unredlich und als Verstoss gegen wissenschaftsethische Prinzipien.

Dahinter steckt der "zentrale Gedanke, dass Wörter nicht isoliert betrachtet werden sollen, sondern in Bezug zu anderen" (Reder 2006b, 20) beziehungsweise in Bezug zu Situationen, zum Leben, zur Welt. "Das Forschungsziel des Kontextualismus ist es, sprachliche Äußerungen und deren verschiedene linguistische Aspekte als Funktionen des sprachlichen und nicht-sprachlichen Kontextes zu erklären, in dem diese Äußerungen stehen" (Lemnitzer/ Zinsmeister 2006, 28).
(Donalies 2009, 4f)

Indirekte Redewiedergabe

Man kann von Äußerungen anderer auch indirekt berichten. Dabei bleibt prinzipiell offen, wie der genaue Wortlaut war und oft auch, wie man selbst dazu steht.
Ich habe gesagt, dass wir jetzt das Hotel verlassen müssen, wenn wir nicht hetzen wollen, und da hast du gesagt, dass du fertig wärst, und da habe ich gefragt, warum wir nicht gehen, und dann hast du gesagt, dass du nur wartest, bis ich aufstehe, und da habe ich gesagt, dass ich so lange sitzen bleibe, bis du fertig bist.
(Loriot, Aufbruch)
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück erklärte wiederholt, dass die Regelung zur Pendlerpauschale haushaltspolitisch notwendig sei.
(Die Zeit 24.1.2008, o. S.)

Bei indirekter Redewiedergabe darf die Nicht-Wörtlichkeit wohl etwas weiter gehen. Neben wörtlicher Wiedergabe (de dicto) ist auch Wiedergabe nur der Sache nach (de re) möglich. Allerdings sind dabei Missverständnisse und Auseinandersetzungen über die Korrektheit der Wiedergabe geradezu angelegt, denn unterschiedliche Ausdrücke geben nur selten wirklich dasselbe zu verstehen. Besonders brisant ist dies bei der Wiedergabe von Politikeräußerungen in den Massenmedien.

Scheitere der Euro, dann scheitere Europa, sagte Merkel. Werde die Euro-Krise aber bestanden, würden beide stärker als zuvor sein. Europa brauche eine neue Stabilitätskultur. Die Kanzlerin bekräftigte das Ziel, sich auf internationaler Ebene für eine Finanztransaktionssteuer einzusetzen.
(Die Südostschweiz 20.5.2010, o. S.)
Schließlich seien 30 Jahre Zusammenarbeit zwischen den Asean-Staaten und der EU ein Grund zum Feiern, ein Grund aber auch, weiter an Sicherheit, Stabilität und Wohlstand in der Welt zu arbeiten. Und dafür sei Nürnberg durchaus der passende Ort, meinte Steinmeier, bevor er sich gemeinsam mit seinem kambodschanischen Kollegen Hor Namhong ins Goldene Buch der Stadt eintrug.
(Nürnberger Nachrichten 15.3.2007, o. S.)

Die Berichte werden hier im Verbmodus Konjunktiv formuliert: scheitere Europa; sei der passende Ort. Auch sonst wird diese Form in schriftlichen Äußerungen bevorzugt. Zwingend ist sie allerdings nicht.

Der Mann hat, wie mir der zürcher Theologe Ragaz einmal gesagt hat, eine Leere besetzt. Fällt er, so ist nichts anderes da.
(Tucholsky, Werke und Briefe, 1934, 106. In: Digitale Bibliothek 15, 11841)
Succow berichtete , daß sechs Millionen der 17 Millionen DDR-Bürger Luft einatmen müssen, die über das zulässige Maß mit Schadstoffen belastet ist.
(Frankfurter Rundschau 18.5.1990, 6)

Nicht selten findet man die Auffassung, Sprecher brächten mit der Konjunktivform eine mehr oder weniger deutliche Distanzierung vom Inhalt des Wiedergegebenen zum Ausdruck. Das trifft insoweit zu, als Sprecher damit klarer als bei Wahl des Indikativs zu erkennen geben, dass offen bleiben soll, ob sie sich dem Wiedergegebenen anschließen oder nicht. Die Annahme, das so Wiedergegebene sei nach Meinung des Sprechers nicht recht glaubwürdig oder zutreffend, gilt aber nicht allgemein. So können Konjunktive in Urteilstexten keinesfalls als Hinweise dafür herhalten, das Gericht finde eine Aussage fragwürdig.

Zur Begründung hat es [das Landessozialgericht] im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe die Gewährung der immunbiologischen Therapie durch Dr. B. zu Unrecht abgelehnt, so daß dem Kläger ein Kostenerstattungsanspruch zustehe.
(Bundessozialgericht, 16.9.1997, AZ 1 RK 28/95)

Ob sich jemand, der Äußerungen wiedergibt, von diesen distanziert oder sie inhaltlich übernimmt, ist in erster Linie auf der Grundlage dessen zu bestimmen, was man über den Sprecher weiß. Sprachgewohnheiten spielen dabei eine Rolle, aber nicht immer die entscheidende. Kennt man die Einschätzung, die der Sprecher von der Person hat, deren Äußerung er wiedergibt, kann man seinerseits einschätzen, für wie glaubwürdig oder zutreffend der Sprecher die Sache hält. Kennt man sie nicht, sollte man sich davor hüten, aus der Wahl des Verbmodus Schlüsse zu ziehen.

Gibt man etwas wieder, was eine anwesende Person, eventuell sogar der anwesende Adressat, zu einem früheren Zeitpunkt geäußert hat, dann kann dies besondere Sorgfalt bei der Wahl des Verbmodus erforderlich machen. Gleiches gilt, wenn der Sprecher der Originaläußerung zwar nicht selbst anwesend ist, wohl aber ihm nahe Personen. Wählt man Konjunktivformen und zeigt damit, dass man offenlassen will, ob man sich der wiedergegebenen Auffassung anschließt oder nicht, wirkt dies in Anbetracht der gegebenen Umstände auf die Gesprächspartner stärker im Sinn einer Distanzierung, als wenn der Sprecher der Originaläußerung oder seine Freunde nicht anwesend wären.

Grundsätzlich spricht nichts dagegen, sich auch unter solchen Bedingungen so zu äußern. Man sollte sich nur darüber im Klaren sein, was man damit anrichten kann, vor allem dann, wenn bereits die Tatsache, dass man sich der Auffassung des Sprechers der Originaläußerung nicht anschließt, ernste soziale Konsequenzen haben kann.

Überlegungen zu den Prinzipien, die bei der Wiedergabe von Originaläußerungen insbesondere bei indirekter Rede zu beachten sind, finden sich in der Einheit Originaläußerung und indirekte Wiedergabe.

Mischung von direkter und indirekter Redewiedergabe

Nicht selten werden in schriftsprachlichen Texten auch innerhalb eines Satzes Formen der direkten und der indirekten Redewiedergabe gemischt.

Er wolle, so Nowikow zu Friderichs, vor allem die "Frage der Zinssubventionen" erörtern.
(Spiegel 4/1974, 19)
Deutschland und Saudi-Arabien hätten ein großes Interesse daran, dass der Jemen stabil bleibe und kein Rückzugsgebiet für Terroristen werde, sagte Westerwelle am Samstag nach einem Gespräch mit dem saudi-arabischen Kollegen Saud al-Faisal in Riad. "Wir unterstützen alle internationalen Bemühungen für eine Stabilisierung des Landes." Entscheidend sei, dass die staatlichen Institutionen wirksam gegen Extremisten vorgehen könnten.
(die tageszeitung 11.1.2010, 10)

Zusätzliche Literatur in Auswahl

Fabricius-Hansen 2004; Heringer 2006; Pedersen/​Bernhardt 2007.

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Autor(en)
Gisela Zifonun, Bruno Strecker
Bearbeiter
Elke Donalies
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