Direkte und indirekte Redewiedergabe
Für die Wiedergabe von Feststellungen stehen im Deutschen verschiedene Ausdrucksformen zur Verfügung. Unterschieden werden dabei:
- direkte Redewiedergabe
- indirekte Redewiedergabe
Direkte Redewiedergabe
Anders als indirekte zielt direkte Redewiedergabe auf eine szenische Vergegenwärtigung der originalen Äußerungssituation. Die Originaläußerung wird gewissermaßen in Inhalt und Form nachgestellt.
(Die Zeit 24.2.1995, 45)
Szenische Vergegenwärtigung ist jedoch nicht zwingend an die Existenz von Originaläußerungen gebunden. Auch gedachte, hypothetische Originaläußerungen können so vorgebracht werden. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang die Verwendung von man sagt nach oder auch man hört.
(St. Galler Tagblatt 7.3.2009, 43)
(Die Zeit 8.7.2010, o. S.)
Argumente, von denen man sich distanzieren will, lassen sich in Form der Redewiedergabe einführen, ohne dass man sich darauf festlegt, wer denn nun genau solche Thesen vertritt. Auch muss die direkte Redewiedergabe - wenn eine Originaläußerung denn vorliegt - nicht immer ganz wörtlich sein. Deutlich machen können das Hinweise wie Er hat ungefähr so gesagt, auf den genauen Wortlaut kann ich mich nicht mehr festlegen.
(Die Zeit 22.10.2009, o. S.)
In bestimmten Verwendungssituationen, etwa im Kontext wissenschaftlichen Zitierens, ist jedoch mit dem Zitieren die Pflicht zur wörtlichen Wiedergabe verbunden. Wörtliche Wiedergabe ohne Verdeutlichung des Zitatkontextes durch Anführungszeichen und Quellenangabe gilt dort als unredlich und als Verstoss gegen wissenschaftsethische Prinzipien.
(Donalies 2009, 4f)
Indirekte Redewiedergabe
(Loriot, Aufbruch)
(Die Zeit 24.1.2008, o. S.)
Bei indirekter Redewiedergabe darf die Nicht-Wörtlichkeit wohl etwas weiter gehen. Neben wörtlicher Wiedergabe (de dicto) ist auch Wiedergabe nur der Sache nach (de re) möglich. Allerdings sind dabei Missverständnisse und Auseinandersetzungen über die Korrektheit der Wiedergabe geradezu angelegt, denn unterschiedliche Ausdrücke geben nur selten wirklich dasselbe zu verstehen. Besonders brisant ist dies bei der Wiedergabe von Politikeräußerungen in den Massenmedien.
(Die Südostschweiz 20.5.2010, o. S.)
(Nürnberger Nachrichten 15.3.2007, o. S.)
Die Berichte werden hier im Verbmodus Konjunktiv formuliert: scheitere Europa; sei der passende Ort. Auch sonst wird diese Form in schriftlichen Äußerungen bevorzugt. Zwingend ist sie allerdings nicht.
(Tucholsky, Werke und Briefe, 1934, 106. In: Digitale Bibliothek 15, 11841)
(Frankfurter Rundschau 18.5.1990, 6)
Nicht selten findet man die Auffassung, Sprecher brächten mit der Konjunktivform eine mehr oder weniger deutliche Distanzierung vom Inhalt des Wiedergegebenen zum Ausdruck. Das trifft insoweit zu, als Sprecher damit klarer als bei Wahl des Indikativs zu erkennen geben, dass offen bleiben soll, ob sie sich dem Wiedergegebenen anschließen oder nicht. Die Annahme, das so Wiedergegebene sei nach Meinung des Sprechers nicht recht glaubwürdig oder zutreffend, gilt aber nicht allgemein. So können Konjunktive in Urteilstexten keinesfalls als Hinweise dafür herhalten, das Gericht finde eine Aussage fragwürdig.
(Bundessozialgericht, 16.9.1997, AZ 1 RK 28/95)
Ob sich jemand, der Äußerungen wiedergibt, von diesen distanziert oder sie inhaltlich übernimmt, ist in erster Linie auf der Grundlage dessen zu bestimmen, was man über den Sprecher weiß. Sprachgewohnheiten spielen dabei eine Rolle, aber nicht immer die entscheidende. Kennt man die Einschätzung, die der Sprecher von der Person hat, deren Äußerung er wiedergibt, kann man seinerseits einschätzen, für wie glaubwürdig oder zutreffend der Sprecher die Sache hält. Kennt man sie nicht, sollte man sich davor hüten, aus der Wahl des Verbmodus Schlüsse zu ziehen.
Gibt man etwas wieder, was eine anwesende Person, eventuell sogar der anwesende Adressat, zu einem früheren Zeitpunkt geäußert hat, dann kann dies besondere Sorgfalt bei der Wahl des Verbmodus erforderlich machen. Gleiches gilt, wenn der Sprecher der Originaläußerung zwar nicht selbst anwesend ist, wohl aber ihm nahe Personen. Wählt man Konjunktivformen und zeigt damit, dass man offenlassen will, ob man sich der wiedergegebenen Auffassung anschließt oder nicht, wirkt dies in Anbetracht der gegebenen Umstände auf die Gesprächspartner stärker im Sinn einer Distanzierung, als wenn der Sprecher der Originaläußerung oder seine Freunde nicht anwesend wären.
Grundsätzlich spricht nichts dagegen, sich auch unter solchen Bedingungen so zu äußern. Man sollte sich nur darüber im Klaren sein, was man damit anrichten kann, vor allem dann, wenn bereits die Tatsache, dass man sich der Auffassung des Sprechers der Originaläußerung nicht anschließt, ernste soziale Konsequenzen haben kann.
Überlegungen zu den Prinzipien, die bei der Wiedergabe von Originaläußerungen insbesondere bei indirekter Rede zu beachten sind, finden sich in der Einheit Originaläußerung und indirekte Wiedergabe.
Mischung von direkter und indirekter Redewiedergabe
Nicht selten werden in schriftsprachlichen Texten auch innerhalb eines Satzes Formen der direkten und der indirekten Redewiedergabe gemischt.
(Spiegel 4/1974, 19)
(die tageszeitung 11.1.2010, 10)
Zusätzliche Literatur in Auswahl
Fabricius-Hansen 2004; Heringer 2006; Pedersen/Bernhardt 2007.