Konjunktiv und Tempus
Im Konjunktiv bleiben die temporalen Bedeutungen - verglichen mit dem Indikativ - teilweise erhalten, und zwar die Präsensbedeutung sowie die durch die Periphrasen eingebrachten temporalen Bedeutungsanteile Futur und Perfekt, nicht jedoch die temporale Bedeutung des Präteritums.
Das Zusammenspiel von Tempus und Modus wird deutlich, wenn man die temporal bestimmten Konjunktivformen im Einzelnen betrachtet, und dabei in Rechnung stellt, ob diese Formen in Indirektheits- oder Modalitätskontexten auftreten und, insbesondere, ob ein Heischesatz (Satz im Heische-Modus) vorliegt.
Konjunktiv Präsens
Die Betrachtzeit des Konjunktiv Präsens kann sich mit der referierten Zeit überschneiden- dies ist der unmarkierte Normalfall.
Sie kann nach der referierten Zeit liegen.
Es kann sich auch um eine Feststellung handeln, deren Gültigkeit nicht zeitabhängig ist.
In all diesen Fällen erfolgt die Präsensinterpretation wie üblich, nur die Wiedergabe eines historischen Präsens scheint im Konjunktiv ausgeschlossen.
Der Konjunktiv Präsens in Heischesätzen ist oft - wie allgemein das Präsens - zukunftsbezogen zu interpretieren.
Konjunktiv Präsensperfekt
Der Konjunktiv Präsensperfekt entspricht dem Konjunktiv Präsens: Die Ereigniszeit des Satzes mit dem Wiedergabe anzeigenden Verb dient als Orientierungszeit für die temporale Auswertung im Indirektheitskontext. Relativ zu ihr liegt die Betrachtzeit für das referierte Ereignis in der Vergangenheit.
Konjunktiv Präteritum
Der Konjunktiv 'Präteritum' und die präteritale Komponente des Konjunktiv 'Präteritumperfekt' haben nicht die temporale Bedeutung des Präteritums. Der Konjunktiv Präteritum ist - wie der Konjunktiv Präsens - temporal unmarkiert. Daher wird er in Indirektheitskontexten, in denen beide Konjunktivformen gebraucht werden, interpretiert wie der Konjunktiv Präsens: verlagernde Interpretation bezüglich der referierten Zeit, Betrachtzeit meist überlappend mit referierter Zeit, auch in der Zukunft der referierten Zeit liegend oder zeitlich allgemein gültig.
(Grass 1962, 93)
In Modalitätskontexten überschneidet sich die Betrachtzeit des Konjunktiv Präteritum und die Sprechzeit oder sie ist zukunftsbezüglich verlagert, etwa bei Wunschsätzen und Konditionalen.
Käme er morgen, wäre alles gut.
Konjunktiv Präteritumperfekt
Dagegen wird beim Konjunktiv Präteritumperfekt die Perfekt-Komponente in der üblichen Weise - also jeweils Vergangenheit zu der Betrachtzeit des Obertempus, hier Präteritum - wirksam.
Durch die Neutralisierung der Tempusbedeutung 'Präteritum' "entfällt" im zeitrelationalen System des Konjunktivs die explizite Kennzeichnung von Vorvergangenheit, also Vergangenheit zu einer bereits in der Vergangenheit liegenden Betrachtzeit.
Markus erzählt, er habe sich damals in Berlin aufgehalten. Er sei aus Breslau dorthin gekommen.
Markus erzählt, er habe sich damals in Berlin aufgehalten. Er wäre aus Breslau dorthin gekommen.
Mit den nur in regionaler Umgangssprache gebräuchlichen superkomponierten Formen kann Vorvergangenheit ausgedrückt werden.
Allerdings wird auch bei Indikativformen in vielen Kontexten faktische Vorvergangenheit nicht durch Präteritumperfekt ausgedrückt, sondern durch Präteritum oder Perfekt.
Konjunktiv Futur und Futurperfekt
Analoge Verlagerung zum Konjunktiv Präsensperfekt gilt für Konjunktiv Futur und Futurperfekt.
(Grass 1962, 37)
Sie erklärte, dass sie das bis zum nächsten Tag erledigt haben werde.
Siehe weiter: Zeitliche Interpretation von Indikativformen in Indirektheitskontexten