Abtönungspartikeln

Abtönungspartikeln sind ein kennzeichnendes Merkmal des Deutschen. Sie werden hauptsächlich in der mündlichen Kommunikation verwendet und zum Teil auch in geschriebenen Texten.

Abtönungspartikeln haben eine wichtige kommunikative Funktion, denn sie drücken – wie ihr Name sagt – bestimmte Abtönungen (Nuancen) aus, z.B. Erwartung, Überraschung, Zweifel, Wunder, Interesse.

Wichtige Abtönungspartikeln sind: eigentlich, halt, eben, ja, doch, aber, denn.

eigentlich

(1) A: „Heißt die Molly eigentlich richtig Molly?“ – B: „Nein, Henriette“ (Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00055_SE_01_T_05/c25)
(2) A: „Heißt die Molly richtig Molly?“ – B: „Nein, Henriette“
Vergleichen Sie die Beispiele (1) und (2). In beiden Fällen wird eine Frage nach einem Mädchen namens Molly gestellt. Der Sprecher will wissen, ob das ihr richtiger Name ist. In (1) erscheint in der Frage die Abtönungspartikel eigentlich. Was könnte sie ausdrücken?
a) Zweifel
b) Überraschung
c) Gleichgültigkeit

a) Zweifel: „Ich frage, weil ich nicht glaube, dass sie wirklich so heißt“.

(3) A: „Womit wollen wir anfangen?“ – B: „Also, mir ist es eigentlich egal“ (Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00058_SE_01_T_01/c64)
(4) A: „Womit wollen wir anfangen?“ – B: „Also, mir ist es egal“
Vergleichen Sie die Beispiele (3) und (4). In beiden Fällen wird eine Frage gestellt und beantwortet. Im Beispiel (3) erscheint in der Antwort die Abtönungspartikel eigentlich. Auch in diesem Fall ist der Inhalt der Antwort in beiden Beispielen sonst gleich. Hat die Abtönungspartikel eigentlich in den Beispielen (3) und (1) die gleiche Funktion?

Die Abtönungspartikel eigentlich drückt im Beispiel (3) nicht einen Zweifel aus, sondern der Sprecher will damit kommunizieren: „Vermutlich erwartet A, dass ich einen Wunsch habe. Trotzdem habe ich keinen“.

Mit der Abtönungspartikel eigentlich kann ein Sprecher:
– einen Zweifel ausdrücken (meistens in Fragen)
– einen Gegensatz zwischen einer Erwartung des Hörers und der Realität ausdrücken (meistens in Aussagen)

halt

(5) „… und dann räum’ ich da die dreckigen Kaffeetassen von ’ner Woche und… wisch’ mal den Boden und so. Dauert halt alles ein bisschen“ (Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00254_SE_01_T_03/c1109)
(6) „… und dann räum’ ich da die dreckigen Kaffeetassen von ’ner Woche und… wisch’ mal den Boden und so. Dauert alles ein bisschen“
Vergleichen Sie die Beispiele (5) und (6). Sie sehen fast gleich aus. Der einzige Unterschied ist die Abtönungspartikel halt im Beispiel (5). Was wird damit ausgedrückt?
a) "Ich hätte es nie gedacht"
b) „Es kann nicht anders sein“
c) „Es ärgert mich“

b) "Es kann nicht anders sein"

(7) A: „Ja, ich würd’s ja machen, aber du sagst, ich kann das nicht“
B: „Probier‘s halt! Mach‘s bei dir in der Wohnung!“
(Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00327_SE_01_T_02/c544)
(8) A: „Ja, ich würd’s ja machen, aber du sagst, ich kann das nicht“
B: „Probier‘s! Mach‘s bei dir in der Wohnung!“
Vergleichen Sie die Beispiele (7) und (5). Erscheint die Abtönungspartikel halt im gleichen Satztyp?

Nein. Im Beispiel (5) erscheint die Abtönungspartikel halt in einem Aussagesatz, im Beispiel (7) in einem Aufforderungssatz.

Vergleichen Sie die Beispiele (7) und (8). Was drückt die Abtönungspartikel halt im Satz Probier’s halt! aus?
a) „Du kannst es probieren“
b) „Du darfst es probieren“
c) „Du sollst es probieren“

c) „Du sollst es probieren“. Die Aufforderung Probier’s halt! ist als Ratschlag gemeint.

Die Abtönungspartikel halt erscheint in Aussagen und Aufforderungen und kann u.a. Folgendes ausdrücken:
– In Aussagesätzen kann sie ausdrücken, dass etwas unabänderlich ist („Es kann nicht anders sein“).
– In Aufforderungssätzen verdeutlicht sie, dass die Aufforderung als Ratschlag und nicht z.B. als Warnung oder als Erlaubnis gemeint ist.

eben

Im Deutschen kann das Wort eben sowohl als Temporaladverb als auch als Abtönungspartikel verwendet werden. Als Abtönungspartikel hat eben dieselbe kommunikative Funktion wie halt:

(9) „Wenn du eben nicht mitkommen willst, dann geh’ ich halt alleine“ (Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00016_SE_01_T_01/c1336)
(10) „Hat’s eben geklopft oder habe ich mich getäuscht?“ (Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00180_SE_01_T_02/c274)
Lesen Sie die Beispiele (9) und (10). In welchem Fall wird eben als Temporaladverb bzw. als Abtönungspartikel verwendet?

In (9) wird eben als Abtönungspartikel verwendet, in (10) als Temporaladverb.

Als Abtönungspartikel kann eben Unabänderlichkeit ausdrücken – genauso wie halt im Beispiel (5). Als Temporaladverb hat eben die Bedeutung „vor einem Augenblick“.

ja

Das Wort ja ist vor allem als interaktive Einheit zum Ausdruck von Bestätigung und Zustimmung bekannt. Darüber hinaus kann ja auch als Abtönungspartikel verwendet werden:

(11) A: “… und da hab‘ ich gedacht: Okay, die ist nicht‘ so ‘ne Mode-Fan oder sonst irgendwas. Will bestimmt keinen Pulli für sechzig Euro haben, sondern bestimmt mehrere Sachen“
B: „Ja
A: „Ja. So hab‘ ich gestern jetzt mehrere Sachen bei H&M gekauft. Und jetzt weiß ich halt nicht, ob die ihr so gefallen oder ob das wieder so was ist“
B: „Kann sie ja umtauschen“
(Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00018_SE_01_T_01/c292)

Lesen Sie das Beispiel (11) und beantworten Sie die Fragen:

1) Sprecherin B verwendet zweimal das Wort ja – einmal als interaktive Einheit und einmal als Abtönungspartikel. Können Sie diese beiden Funktionen erkennen?

Interaktive Einheit, Abtönungspartikel

2) Was drückt die Abtönungspartikel ja aus? Eine Antwort ist korrekt:
a) „Du hast Recht, sie kann die Sachen umtauschen“
b) „Ich weiß, dass sie die Sachen umtauschen kann“
c) “Wir beide wissen, dass sie die Sachen umtauschen kann“

c) „Wir beide wissen, dass sie die Sachen umtauschen kann“

Mit der Abtönungspartikel ja kommuniziert der Sprecher: „Das ist nichts Neues, wir beide wissen es schon“.

HINWEIS: Die Interaktive Einheit ja ist daran zu erkennen, dass sie meistens am Anfang der Äußerung steht und auch alleine stehen kann. Die Abtönungspartikel ja findet man dagegen immer im Mittelfeld und kann nie alleine stehen.

doch

Genauso wie ja wird das Wort doch im gesprochenen Deutsch als interaktive Einheit sowie als Abtönungspartikel verwendet:

(12) A: „Ja, wir können’s ja gar nicht vergleichen“
B: „Doch
A: „Wie denn?“
(Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00272_SE_01_T_01/c957)
(13) A: „Die Schuhe sind doch so schön. Ich weiß überhaupt nicht, was du für ’n Problem damit hast“
B: ��Ich hab’ dir doch vom Anfang an gesagt, dass ich die nicht so toll finde“
(Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00027_SE_01_T_01/c1094)
(14) A: „Aber irgendwie fühle ich mich jetzt grad, als würd’ ich jetzt schon gern ins Schwimmbad gehen“
B: „Ich hab’ auch überlegt, ins Schwimmbad zu gehen, aber ich weiß nicht“
A: „Ja, geh doch nachher! Komm, wir spielen Beachvolleyball!“
(Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00046_SE_01_T_02/c139)

Lesen Sie die Beispiele (12) bis (14) und beantworten Sie die Fragen:

1) In 1 von 4 Fällen wird doch als interaktive Einheit verwendet. In welchem?

Im Beispiel (12) wird doch als interaktive Einheit verwendet. Es negiert die Negationspartikel nicht und widerlegt somit die ganze Äußerung von Sprecher A. In den Beispielen (13) und (14) erscheint doch dreimal als Abtönungspartikel.

2) In den Beispielen hat die Abtönungspartikel doch drei verschiedenen Funktionen. Ordnen Sie jeder Farbe die passende Funktion zu:
a) „Du bist nicht überzeugt. Ich will dich überreden“
b) „Du sollst wissen, dass ich die Schuhe nicht toll finde“
c) „Du meinst, dass die Schuhe nicht schön sind, aber das stimmt nicht“

a) doch: Sprecher A will Sprecher B überreden, ins Schwimmbad zu gehen.
b) doch: Sprecher A und Sprecher B haben offensichtlich zwei ganz unterschiedliche Vorstellungen von Schönheit. Sprecher A denkt, dass seine Vorstellung von Schönheit die richtige ist, und will Sprecher B davon überzeugen.
c) doch: Sprecher A ist davon überrascht, dass Sprecher B die Schuhe nicht mag. Sprecher B meint, dass Sprecher A das vom Anfang an weißt. Deswegen hat Sprecher A keinen Grund, überrascht zu sein.

Die Abtönungspartikel doch kann sowohl in Aussagen – s. Beispiel (13) – als auch in Aufforderungen – s. Beispiel (14) – verwendet werden.
Aussagen mit doch:
– betonen, dass der Sprecher eine Vorstellung, Meinung oder Einschätzung des Hörers nicht teilt.
– betonen, dass die vorangegangene Hörer-Äußerung nicht zum gemeinsamen Wissen von Sprecher und Hörer passt.
Aufforderungen mit doch sollen den Hörer zu etwas überreden.

HINWEISE:
– Das Wort doch kann auch als Konnektor verwendet werden. Mehr dazu erfahren Sie hier.
– Genauso wie ja kann auch doch als Abtönungspartikel a) nie alleine und b) nur im Mittelfeld stehen.

aber

Das Wort aber ist vor allem als Konjunktor bekannt – mehr dazu hier. Darüber hinaus kann aber auch als Abtönungspartikel verwendet werden:

(15) A: „Also hast du dann extra noch mal ein Geschenk besorgt und hingeschickt?“
B: „Ja“
A:“Das ist aber lieb von dir!“
(Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00438_SE_01_T_01/c704)
(16) „Ich hab’ euch das letzte Mal gefragt, aber irgendwie, glaub’ ich, hab’ ich blöd formuliert“ (Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00024_SE_01_T_07/c70)
(17) „Ich werd‘ von Nachbarskindern gefragt, will aber nichts mit denen machen“ (Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00026_SE_01_T_03/c1070)

Lesen Sie die Beispiele (15) bis (17) und beantworten Sie die Fragen:

1) In 2 von 3 Fällen erscheint aber als Konjunktor. In welchen?

In den Beispielen (16) und (17) erscheint aber als Konjunktor – an der Nullstelle in (16) bzw. im Mittelfeld in (17). Im Beispiel (15) erscheint aber als Abtönungspartikel.

2) Vergleichen Sie die Sätze mit aber als Konjunktor bzw. als Abtönungspartikel. Gehören Sie zum selben Satztyp?

Nein. Der Konjunktor aber erscheint in Aussagesätzen, die Abtönungspartikel aber in einem Exklamativsatz.

3) Was könnte die Abtönungspartikel aber ausdrücken?
a) „Das kann nicht sein!“
b) „Das habe ich nicht erwartet!“
c) „Das glaube ich nicht!“

b) „Das habe ich nicht erwartet!“

Die Abtönungspartikel aber wird in Exklamativsätzen verwendet und drückt einen Gegensatz zwischen einer Erwartung des Sprechers und der Realität aus.

denn

Das Wort denn kann im Deutschen sowohl ein Konjunktor – mehr dazu hier – als auch eine Abtönungspartikel sein:

(18) A: „Toll, jetzt ist mein Fernseher, schau! Ach, das ist so ein Scheißdreck!“
B: „Bestimmt weil ’n Gewitter ist“
A: „Nein das Ding hängt sich immer auf der … Decoder“
B: „Was ist denn ein Decoder?“
A: „Decoder äh… Weiß nicht, ob das ’n Decoder ist, auf jeden Fall guck’ ich damit digitales Kabelfernsehen“
(Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00043_SE_01_T_01/c126)
(19) A: „Ich hab’ den Patrick gefragt, wie er das Bild findet, weil der is’ ja Fotograf, ja?“
B: “Der Patrick is’ Fotograf, was is ’n [ist denn] der Patrick für ’n Fotograf?“
(Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00043_SE_01_T_01/c200)
(20) „…wenn man schon weiß, es kommt kein Zug mehr, mit dem man nach Hause kommt, soll man schon aussteigen, aber vorher immer mit diesen Leuten im Zug reden, denn die besorgen einem da ’n Hotel“ (Datenbank für Gesprochenes Deutsch, FOLK_E_00477_SE_01_T_01/c433)

Lesen Sie die Beispiele (18) bis (20) und beantworten Sie die Fragen:

1) In 1 von 3 Fällen erscheint denn als Konjunktor. In welchem?

Im Beispiel (20). In den Beispielen (18) und (19) erscheint denn als Abtönungspartikel.

2) Vergleichen Sie die Sätze mit denn als Konjunktor bzw. Abtönungspartikel. Gehören Sie zum selben Satztyp?

Nein. Der Konjunktor denn erscheint in Aussagen, die Abtönungspartikel denn in Fragen.

3) Was drückt die Abtönungspartikel denn in den Beispielen (18) und (19) aus? Ordnen Sie jedem Beispiel die passende Funktion zu:
a) „Das würde ich wirklich gerne wissen“
b) „Ich verstehe das nicht, erklär mir bitte mehr“

a) Beispiel (19): Sprecher B erfährt gerade, dass Patrick ein Fotograf ist, und will mehr dazu wissen.
b) Beispiel (18): Sprecher A denkt: „Sprecher B weiß bestimmt, was ein Decoder ist“, aber Sprecher B weiß das nicht und bittet Sprecher A um eine Erklärung.

Die Abtönungspartikel denn wird nur in Fragen verwendet. Damit kann der Sprecher:
– Neugier und Interesse ausdrücken
– kommunizieren, dass die vorangegangene Information für ihn nicht selbstverständlich ist und er deswegen eine weitere Erklärung braucht.

Bei der Aussprache der Abtönungspartikel denn kann der Wortanfang manchmal wegfallen, sodass denn auf ’n gekürzt wird – s. Beispiel (18). Weitere Beispiele: „Wie heißt denn das?“ ➙ Wie heißt’n das?; „Was hast du denn noch gekauft?“ ➙ Was hast’n noch gekauft?

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Autor(en)
Giorgio Antonioli
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