1 Verb
Zusätzlich zur generellen Unterscheidung von Wortgruppen (wie auf den Berg steigen) und Zusammensetzungen (wie bergsteigen) hat man bei Verbstämmen untrennbare von trennbaren Zusammensetzungen zu unterscheiden:
a) Untrennbare Zusammensetzungen bestehen aus einem Verbstamm,
dem ein Stamm eines Substantivs, eines Adjektivs oder einer Partikel
vorausgeht. Man erkennt sie daran, dass die Reihenfolge ihrer Bestandteile
stets unverändert bleibt:
maß + regeln: Wer jemanden maßregelt … Man
maßregelte ihn … Niemand wagte, ihn zu maßregeln.
Er wurde offiziell gemaßregelt.
b) Trennbare Zusammensetzungen bestehen aus einem Verbstamm, dem ein
Verbzusatz vorausgeht. Man erkennt sie daran, dass die Reihenfolge ihrer
Bestandteile in Abhängigkeit von ihrer Stellung im Satz wechselt:
hinzu + kommen: Wenn dieses Argument hinzukommt
… Dieses Argument kommt hinzu. Dieses Argument
kommt erschwerend hinzu.
Substantive, Adjektive, Präpositionen oder Adverbien können mit Verben untrennbare Zusammensetzungen bilden. Man schreibt sie zusammen.
Dies betrifft
(1) Zusammensetzungen aus Substantiv + Verb, zum Beispiel: brandmarken (gebrandmarkt, zu brandmarken), handhaben, lobpreisen, maßregeln, nachtwandeln, schlafwandeln, schlussfolgern
E: In manchen Fällen stehen Zusammensetzung und Wortgruppe
nebeneinander, zum Beispiel:
danksagen/Dank sagen (er sagt Dank), gewährleisten/Gewähr leisten (sie
leistet Gewähr), staubsaugen/Staub saugen (er saugt Staub);
brustschwimmen/Brust schwimmen (er schwimmt Brust), delfinschwimmen/Delfin
schwimmen (sie schwimmt Delfin), marathonlaufen/Marathon laufen (sie läuft
Marathon).
Zu Fällen wie Acht geben/achtgeben vgl. § 34 E6.
(2) Zusammensetzungen aus Adjektiv + Verb, zum Beispiel: frohlocken (frohlockt, zu frohlocken), langweilen, liebäugeln, vollbringen, vollenden, weissagen
(3) Zusammensetzungen aus Präposition + Verb oder Adverb + Verb mit Betonung auf dem zweiten Bestandteil, zum Beispiel: durchbrechen (er durchbricht die Regel, zu durchbrechen), hintergehen, übersetzen (sie übersetzt das Buch), umfahren, unterstellen, widersprechen, wiederholen
Partikeln, Adjektive, Substantive oder Verben können als Verbzusatz mit Verben trennbare Zusammensetzungen bilden. Man schreibt sie nur in den Infinitiven, den Partizipien sowie im Nebensatz bei Endstellung des Verbs zusammen.
Dies betrifft
(1) Zusammensetzungen mit einer Verbpartikel als erstem Bestandteil.
Verbpartikeln sind Bestandteile, die
(1.1) formgleich mit Präpositionen sind, zum Beispiel:
ab-, an-, auf-, aus-, bei-, durch-, ein- (zur Präposition
in-), entgegen-, entlang-, gegen-, gegenüber-,
hinter-, in-, mit-, nach-, über-, um-, unter-, vor-, wider-, zu-, zuwider-,
zwischen-
(1.2) formgleich mit Adverbien, insbesondere Adverbien der Richtung,
des Ortes, der Zeit sowie mit Pronominaladverbien sind, zum Beispiel:
abwärts-, auseinander-, beisammen-, davon-, davor-, dazu-, dazwischen-,
empor-, fort-, her-, heraus-, herbei-, herein-, hin-, hinaus-, hindurch-,
hinein-, hintenüber-, hinterher-, hinüber-, nebenher-, nieder-, rückwärts-,
umher-, voran-, voraus-, vorbei-, vorher-, vorweg-, weg-, weiter-, wieder-,
zurück-, zusammen-, zuvor-
E1: Zur Unterscheidung von Verbpartikel und selbständigem Adverb: Bei Zusammensetzungen liegt der Hauptakzent normalerweise auf der Verbpartikel (vgl. wiedersehen, zusammensitzen), während bei Wortgruppen das selbständige Adverb auch unbetont sein kann (vgl. wieder sehen, zusammen sitzen). Wenn das Betonungskriterium nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt, hilft in manchen Fällen eine der folgenden Proben weiter:
(1) Das Adverb kann im Aussagesatz vor dem finiten Verb an erster Stelle stehen, die Verbpartikel hingegen nicht, vgl.: Dabei wollte sie nicht immer sitzen, sondern auch ab und zu mal stehen (Adverb dabei), aber Dabeisitzen wollte sie nicht immer (Verbpartikel dabei-).
(2) Zwischen Adverb und Infinitiv können ein oder mehrere Satzglieder eingeschoben werden, zwischen Verbpartikel und verbalen Bestandteil hingegen nicht, vgl.: Sie wollte dabei nicht immer sitzen, sondern auch ab und zu mal stehen (Adverb dabei), aber Sie wollte nicht immer dabeisitzen (Verbpartikel dabei-).
E2: Eine Reihe von Pronominaladverbien mit dem Bestandteil dar- wirft besonders bei der Verwendung als Verbpartikel das a ab, zum Beispiel: darin sitzen – drinsitzen, ähnlich dran- (dranbleiben), drauf- (draufhauen), drauflos- (drauflosreden).
E3: Unter Kontrastakzent kann die Verbpartikel an die erste Stelle im Satz treten und wird dann vom Verb getrennt geschrieben, zum Beispiel: Beisammen bleiben wir immer. Heraus kam leider nichts. Hintan stellte er seine eigenen Bedürfnisse.
(1.3) die Merkmale von frei vorkommenden Wörtern verloren haben,
zum Beispiel:
abhanden-, anheim-, bevor-, dar-, einher-, entzwei-, fürlieb-, hintan-,
inne-, überein-, überhand-, umhin-, vorlieb-, zurecht-
E4: Dazu gehören auch die folgenden ersten Bestandteile, die in der
Verwendung beim Verb nicht mehr einer bestimmten Wortartkategorie zugeordnet
werden können:
fehl-, feil-, heim-, irre-, kund-, preis-, wahr-, weis-, wett-
Zu Fällen wie infrage stellen – in Frage stellen vgl. § 39 E3(1).
(2) Zusammensetzungen mit einem adjektivischen ersten Bestandteil.
Dabei sind folgende Fälle zu unterscheiden:
(2.1) Es kann zusammen- wie auch getrennt geschrieben werden, wenn ein
einfaches Adjektiv eine Eigenschaft als Resultat des Verbalvorgangs bezeichnet
(sog. resultative Prädikative), zum Beispiel:
blank putzen/blankputzen, glatt hobeln/glatthobeln, klein
schneiden/kleinschneiden; kalt stellen/kaltstellen, kaputt machen/kaputtmachen,
leer essen/leeressen
(2.2) Es wird zusammengeschrieben, wenn der adjektivische Bestandteil
zusammen mit dem verbalen Bestandteil eine neue, idiomatisierte Gesamtbedeutung
bildet, die nicht auf der Basis der Bedeutungen der einzelnen Teile bestimmt
werden kann, zum Beispiel:
krankschreiben, freisprechen, (sich) kranklachen; festnageln
(= festlegen), heimlichtun (= geheimnisvoll tun),
kaltstellen (= [politisch] ausschalten),
kürzertreten (= sich einschränken),
richtigstellen (= berichtigen), schwerfallen
(= Mühe verursachen), heiligsprechen
E5: Lässt sich in einzelnen Fällen keine klare Entscheidung darüber treffen, ob eine idiomatisierte Gesamtbedeutung vorliegt, so bleibt es dem Schreibenden überlassen, getrennt oder zusammenzuschreiben.
(2.3) In den anderen Fällen wird getrennt geschrieben. Dazu zählen
insbesondere Verbindungen mit morphologisch komplexen oder erweiterten Adjektiven,
zum Beispiel:
bewusstlos schlagen, ultramarinblau streichen, ganz nahe kommen,
dingfest machen, schachmatt setzen
(3) Zusammensetzungen mit einem substantivischen ersten Bestandteil.
Dabei handelt es sich um folgende Fälle, bei denen die ersten Bestandteile die
Eigenschaften selbständiger Substantive weitgehend verloren haben:
eislaufen, kopfstehen, leidtun, nottun, standhalten, stattfinden,
stattgeben, statthaben, teilhaben, teilnehmen, wundernehmen
E6: In den nachstehenden Fällen ist bei den nicht näher bestimmten
oder ergänzten Formen sowohl Zusammen- als auch Getrenntschreibung möglich, da
ihnen eine Zusammensetzung oder eine Wortgruppe zugrunde liegen kann:
achtgeben/Acht geben (aber nur: sehr achtgeben,
allergrößte Acht geben), achthaben/Acht haben, haltmachen/Halt
machen, maßhalten/Maß halten
Zu Fällen wie staubsaugen/Staub saugen vgl. § 33 E.
(4) Verbindungen mit einem verbalen ersten Bestandteil.
Verbindungen aus zwei Verben werden getrennt geschrieben, zum Beispiel:
laufen lernen, arbeiten kommen, baden gehen, lesen üben
E7: Bei Verbindungen mit bleiben und
lassen als zweitem Bestandteil ist bei übertragener Bedeutung
auch Zusammenschreibung möglich. Dasselbe gilt für kennen lernen:
sitzen bleiben/sitzenbleiben (= nicht versetzt werden),
stehen lassen/stehenlassen (= nicht länger beachten, sich
abwenden), liegen bleiben/liegenbleiben (= unerledigt bleiben);
kennen lernen/kennenlernen (= Erfahrung mit etwas oder jmdm. haben).
Verbindungen mit sein werden getrennt geschrieben.
Zum Beispiel:
beisammen sein, fertig sein, los sein, vonnöten sein, vorbei sein,
vorhanden sein, vorüber sein, zufrieden sein