Einführung

Das vorliegende Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung mit seinen beiden Komponenten Regelteil und Wörterverzeichnis umfasst die Regelungen und Kodifizierungen des zentralen Rechtschreibwortschatzes, wie sie in der dritten Amtsperiode des Rats für deutsche Rechtschreibung im Zeitraum von 2017 bis 2023 in Wahrnehmung seiner Aufgaben erarbeitet wurden. Es ersetzt das Amtliche Regelwerk, das im Jahr 2006 auf Empfehlung des Rats für deutsche Rechtschreibung von den staatlichen Stellen beschlossen und im Laufe der ersten beiden Amtsperioden gemäß den Beobachtungen des Schreibgebrauchs in den Fassungen von 2010 und 2018 aktualisiert worden war.

Die vorliegende Fassung stellt eine grundlegende Neubearbeitung dar. So wurde das seit 1996 abgesehen von einigen kleineren Anpassungen weitgehend unverändert gebliebene Wörterverzeichnis durch eine Neukonzeption ersetzt, die den Zielgruppen des Gesamtregelwerks sowie aktuellem Nutzungsverhalten Rechnung trägt: Mit seiner Konzentration auf prototypische orthografische Zweifelsfälle bei Regelhaftigkeit einerseits und bei irregulären rechtschreibschwierigen Phänomenen andererseits ist es ein komplementärer Part zum Regelteil, mit dem es durch eine umfassende Verweisstruktur vernetzt ist.

Das Stichwortinventar des Amtlichen Wörterverzeichnisses wurde im Rahmen dieser Konzeption in seinem nativen Kernwortschatz deutlich auf die wesentlichen orthografischen Fragestellungen konzentriert. Gleichzeitig wurde mit der Perspektive auf Schreibentwicklungen bei neu ins Deutsche gelangten Wörtern und Wendungen aktueller Sprach- und Schreibwandel einbezogen. Dies betrifft vor allem den großen Bereich von Fremdwort-Neologismen, hier besonders Anglizismen, aber auch Entlehnungen aus anderen modernen Fremdsprachen. Zum Teil noch nicht in Wörterbüchern kodifiziert, wurden diese neuen Wörter und Wendungen nach einheitlichen Systematiken und Typologien ausgewertet und bei angemessener Vorkommenshäufigkeit ins Wörterverzeichnis aufgenommen. Basis der Auswahl dieser Neuaufnahmen war das eigens für die Schreibbeobachtung des Rats für deutsche Rechtschreibung entwickelte digitale Textkorpus (Orthografisches Kernkorpus), das mit rund 14 Mrd. authentischen Wortbelegen in fach- und länderspezifischer Ausgewogenheit den zentralen Standardwortschatz aller sieben im Rat vertretenen Länder und Regionen umfasst und so die wesentliche empirische Grundlage für die Dokumentation der Schreibentwicklung und die Ermittlung des aktuellen Schreibgebrauchs darstellt.

Die orthografischen Veränderungen, die vor allem bei Fremdwort-Neologismen gegenüber dem etablierten (Fremd-)Wortschatz im Zuge der Integration in das deutsche Schriftsystem zu beobachten sind, erforderten auch Anpassungen im Regelteil. Einige Regeln wurden „in unerlässlichem Umfang“ modifiziert (vgl. Statut des Rats vom 17.6.2005 i. d. F. vom 30.3.2015), um aktuellen Schreibwandeltendenzen zu entsprechen und die Komplementarität der beiden Teile zu erhalten. Dies betrifft vor allem den Bereich Schreibvarianten und die Variantenführung: In der Laut-Buchstaben- Zuordnung wurden Variantenpaare daraufhin geprüft, ob und inwieweit fremdsprachige und integrierte Schreibung (noch) im Schreibgebrauch vertreten sind, was vor allem im etablierten Fremdwortschatz in einigen Fällen Streichungen nicht mehr gebräuchlicher Varianten zur Folge hatte. Bei Neologismen kam es vielfach zur Aufnahme neuer Varianten. Dies ist zum einen durch Entlehnungsprozesse ins Deutsche bedingt, die durch orthografische Übergangsformen mit Teilintegrationen in der Laut- Buchstaben-Zuordnung gekennzeichnet sind (so bei flektierten Formen von Anglizismen vom Typ getimed/getimt). Zum anderen führten systematische Analysen von Phänomenklassen von Wörtern und Wortgruppen zur Kodifizierung in Varianz entsprechend den jeweiligen grammatischen Strukturen und Verwendungsweisen oder zur Priorisierung einzelner Varianten gemäß Schreibgebrauch. Hier waren besonders die Bereiche Getrennt- und Zusammenschreibung, Schreibung mit Bindestrich (Substantiv- Komposita von Anglizismen vom Typ Business-Administration) sowie Groß- und Kleinschreibung betroffen (bei adverbialen Fügungen vom Typ last minute). In einigen Fällen waren hier geringe Modifikationen, Ergänzungen, Differenzierungen und Präzisierungen auch im Regelteil erforderlich: meist durch Ergänzung von Anwendungsbeispielen oder deren Aktualisierung.

Modifizierte Passagen im Regelteil sind sowohl in den einleitenden Teilen zu den verschiedenen Bereichen und Themenkomplexen als auch unter den entsprechenden Einzelregeln eingefügt. Insbesondere wurden die Vorbemerkungen zu A Laut-Buchstaben-Zuordnungen, hier besonders 3.1, überarbeitet, des Weiteren Teilbereiche der Fremdwortschreibung in diesem Kapitel, so die Paragrafen 20, 21, 22 und 32. Darüber hinaus wurden redaktionelle Anpassungen in den übrigen Kapiteln des Regelwerks vorgenommen, die der veränderten Kodifizierung im Wörterverzeichnis entsprechen, so in den Bereichen Getrennt- und Zusammenschreibung, Schreibung mit Bindestrich sowie Groß- und Kleinschreibung. Auch hier betreffen die Modifikationen der Regeltexte vor allem den Fremdwortbereich.

Völlig neu erarbeitet auf der Grundlage sprachwissenschaftlicher und didaktischer Erkenntnisse wurde Kapitel E Zeichensetzung. Wesentliches Ziel der Neuerarbeitung war eine für die Nutzer und Nutzerinnen prägnantere, übersichtliche und nachvollziehbare Darstellung mit systematischer Erfassung von Funktion und Verwendung der Interpunktionszeichen in einer auf die grundlegenden Regeln konzentrierten Gesamtkonzeption.

Das vom Rat für deutsche Rechtschreibung herausgegebene Amtliche Regelwerk trägt in seiner aktuellen Fassung dem Anspruch Rechnung, ein wissenschaftlich fundiertes, allgemeinverständlich gefasstes Referenzwerk zu sein, das in allen Ländern und Regionen mit Deutsch als Amtssprache gleichermaßen Geltung hat. Es regelt die Rechtschreibung innerhalb derjenigen Institutionen (Schule und Verwaltung), für die der Staat Regelungskompetenz besitzt. Darüber hinaus ist es eine Leitlinie für alle, die sich an einer einheitlichen Rechtschreibung orientieren sollten oder möchten, so etwa die gesamte Rechtspflege, Hochschulen als Ausbildungsstätten künftiger Lehrkräfte im Schulbereich sowie Firmen, Verlage, Redaktionen, aber auch Privatpersonen. Mit dem grundsätzlichen Anliegen, die deutsche Standardsprache mit ihren länderspezifischen Ausprägungen in allen deutschsprachigen Ländern abzubilden und dabei Norm und aktuellen Schreibgebrauch so weit wie möglich in Einklang zu bringen, trägt es dazu bei, die Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung im gesamten deutschen Sprachraum zu gewährleisten.