1 Grundlagen der deutschen Rechtschreibung

Die deutsche Rechtschreibung beruht auf einer Buchstabenschrift. Wie ein gesprochenes Wort aus Lauten besteht, so besteht ein geschriebenes Wort aus Buchstaben. Die [regelgeleitete] Zuordnung von Lauten und Buchstaben soll es ermöglichen, jedes geschriebene Wort zu lesen und jedes gehörte Wort zu schreiben.

Die Schreibung der deutschen Sprache – im Folgenden wird darunter immer auch die Zeichensetzung gefasst – ist durch folgende grundlegende Beziehungen geprägt:

1.1 Die Beziehung zwischen Schreibung und Lautung

Jedem Laut entspricht ein Buchstabe oder eine Buchstabenverbindung (sch, ch). Gelegentlich werden auch zwei Laute durch einen Buchstaben bezeichnet (so durch x und z).

Die Zuordnung von Lauten und Buchstaben orientiert sich an der deutschen Standardaussprache. So wird ein Wort immer in derselben Weise geschrieben, obwohl es regionale Varianten in der Aussprache geben kann. Wer schreiben lernt, muss daher manchmal mit der Schreibung auch die Standardaussprache erlernen.

Besondere Probleme bereitet die Schreibung der Fremdwörter, denn andere Sprachen verfügen über andere Laute, die im Deutschen nicht vorkommen (etwa [θ] im Englischen wie in Thriller oder die französischen Nasalvokale wie in Teint). Darüber hinaus können fremde Sprachen andere Laut-Buchstaben-Zuordnungen haben (so in Nightclub). Grundsätzlich sind bei der Schreibung von Fremdwörtern zwei Tendenzen wirksam:

(1) Präferenz für die fremdsprachige Schreibung: Diese Variante bietet Vorteile beim Erlernen fremder Sprachen, bei Mehrsprachigkeit und im internationalen Kontext, sie ist speziell bei Internationalismen (City, Taxi) oder in den Fachsprachen (Calcium) verbreitet.

(2) Lautliche und/oder orthografische Angleichung (beides in englisch strike, gesprochen [straɪk], zu deutsch Streik, gesprochen [ʃtraɪk]): Diese ins Deutsche integrierte Variante war für die Fremdwort-Entwicklung vor allem von Anglizismen bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein kennzeichnend – Vor dem Hintergrund von im Allgemeinen weniger ausgeprägter Fremdsprachenkompetenz. Denn bei nicht erfolgter Angleichung konnte sich das Fremdwort nur als Schreibschema oder Schreibaussprache einprägen (so auch bei französischen Entlehnungen wie etwa Portemonnaie als Por-te-mon-na-i-e). Die Integration vollzieht sich in den meisten Fällen nicht systematisch, sondern zeitversetzt von Fall zu Fall, entscheidend hängt sie von der Häufigkeit und Gebräuchlichkeit eines Wortes ab. In etlichen Fällen bestehen auch langfristig Schreibvarianten nebeneinander, wta bei speziellen fachsprachlichen Schreibungen (Karbid – Carbid).

Nicht immer gelten regelmäßige Laut-Buchstaben-Zuordnungen bei Eigennamen, so bei Schmidt – Schmid, Maier – Mayer – Meyer – Meier, Duisburg oder Soest.

1.2 Die Beziehung zwischen Schreibung und Bedeutung

Die deutsche Rechtschreibung bezieht sich nicht nur auf die Lautung, sondern sie dient auch der grafischen Fixierung von Inhalten der sprachlichen Einheiten, das heißt der Bedeutung von Wortteilen, Wörtern, Sätzen und Texten. So wird ein Wortstamm möglichst gleich geschrieben, selbst wenn er in unterschiedlicher Umgebung verschieden ausgesprochen wird. Man spricht hier von Stammschreibung oder Schemakonstanz. Dies betrifft etwa die Schreibung bei Auslautverhärtung in manchen deutschen Sprachgebieten (Rad und Rat werden gleich ausgesprochen, aber unterschiedlich geschrieben wegen des Rades und des Rates), den Umlaut (Wand – Wände, aber Wende), das Zusammentreffen gleicher Konsonanten (fünffach, zerreißen, enttäuschen, Blinddarm), gelegentlich auch Einzelfälle (vier mit langem [iː], aber vierzehn, vierzig trotz kurzem [ɪ]). Hingegen werden in manchen Fällen verschiedene Wörter, obwohl sie gleich ausgesprochen werden, unterschiedlich geschrieben (Unterscheidungsschreibung; so bei Saite – Seite; wieder – wider).

Diese Schemakonstanz sichert den Lesenden ein rasches Erkennen einzelner Wörter und ihrer „Bausteine“. Allerdings ist bei den Sprachteilhaberinnen und Sprachteilhabern in manchen Fällen einerseits nicht klar, ob eine Wortverwandtschaft vorliegt (gehört zum Beispiel Herbst zu herb?), oder dass sie andererseits eine Wortverwandtschaft orthografisch nicht beachten müssen (wie bei Eltern zu alt; voll zu füllen). Bei der Unterscheidungsschreibung wirkt die Wahl der unterscheidenden Buchstaben auf die heutigen Sprachteilhaberinnen und Sprachteilhaber zufällig (zum Beispiel Laib – Leib; Lied – Lid; Lärche – Lerche).

Der Kennzeichnung des Wortes und seiner Unterscheidung von Wortgruppen dient unter anderem die Getrennt- und Zusammenschreibung. Die Großschreibung hat im Deutschen mehrere Aufgaben. So markiert sie Eigennamen sowie Substantive und Substantivierungen. Gleichzeitig hebt sie den Anfang von Sätzen und Überschriften hervor. Sätze und Texte als komplexere sprachliche Einheiten werden ihrerseits durch die Mittel der Zeichensetzung in einzelne Teileinheiten untergliedert. Die Lesenden erhalten dadurch schnell erfassbare Informationen über grammatisch-semantische Zusammenhänge.

Schwierig bei diesen grafischen Bedeutungsmarkierungen ist, dass von den Schreibenden ein gewisses Maß an grammatischem Wissen verlangt wird. Darüber hinaus liegt es in der Natur der Sprache, dass es manchmal keine eindeutige Entscheidung für die eine oder andere Schreibung gibt, weil es sich um Übergangsfälle zwischen verschiedenen sprachlichen Einheiten oder Klassen handelt (etwa zwischen Zusammensetzung und Wortgruppe).