Propositionsfundierte W-Sätze
Propositionsfundierte W-Sätze sind nur an Argumentstellen möglich, die für propositionale (Rede-)Gegenstände vorgesehen sind. Sie erscheinen als Komplemente nur ganz bestimmter Verben, Nomina und Adjektive. Die jeweilige Bedeutung des Prädikatsausdrucks erzwingt eine essentielle Interpretation des W-Satzes. Propositionsfundierte W-Sätze kommutieren mit ob-Sätzen, d. h., sie erscheinen bei den gleichen Prädikatsausdrücken wie diese (siehe Klassen 3 und 4 in Dass- und ob-Sätze). Mit ob-Sätzen gemeinsam werden sie oft als "indirekte Fragesätze" klassifiziert. Diese Bezeichnung ist aber ungenau, weil ob-Sätze genauso wie entsprechende W-Sätze auch von Ausdrücken regiert werden, mit denen nicht auf Fragehandlungen Bezug genommen wird, sondern auf andere kognitive Prozesse wie in:
Propositionsfundierte W-Sätze haben mit den ob-Sätzen gemeinsam, dass die Nebensatzproposition in gewisser Weise offen bleibt. Sie sind als Angabe über einen bestimmten Suchbereich zu verstehen, der noch nicht mit einem konkreten Wert versehen ist. Dies führt dazu, dass die ihnen zugrunde liegende Proposition wie bei ob-Sätzen wahrheitsunbestimmt ist, was die Kommutierbarkeit von propositionsfundierten W-Sätzen und ob-Sätzen erklärt. Da es Prädikatsausdrücke gibt, die sowohl mit ob- als auch mit dass-Sätzen auftreten können, sind propositionsfundierte W-Sätze mit Subjunktorsätzen beider Typen koordinierbar:
(3) Es interessierte mich nicht, dass er schon dort gewesen ist und was er daraus gelernt hat.
Ausnahmsweise anders als ob-Sätze können propositionsfundierte W-Sätze auch bei emotionsbezeichnenden Prädikatsausdrücken und glauben sowie bei Wahrnehmungsverben auftreten (Vertiefung). Propositionsfundierte W-Sätze weisen eine Reihe von syntaktischen Charakteristika auf, durch welche sie mit gegenstandsfundierten W-Sätzen kontrastieren. Dazu gehören:
Funktionsfreiheit des W-Elements
Die Funktion des W-Elementes im W-Satz ist gegenüber der Funktion des W-Satzes im Obersatz frei. Während der ganze W-Satz semantisch gesehen ein Termsatz ist, kann das W-Element Term wie in (4), Adverbiale wie in (5) oder Nomenmodifikator wie in (6) sein:
(5) Sie las, wie/wo/wann Hans den Verbrecher hereinlegte.
(6) Sie las, wessen Brief das war.
Daraus folgt auch, dass die syntaktische Funktion des W-Elementes im W-Satz unabhängig ist von der syntaktischen Funktion des W-Satzes im Obersatz: Während der ganze W-Satz die Komplementfunktion ausübt, kann das W-Element Komplement wie in (4), Supplement wie in (5) oder Attribut wie in (6) sein.
Mittelfeldverbot
Propositionsfundierte W-Sätze können wie die meisten anderen Komplementsätze kaum im Mittelfeld stehen:
(8) *Ich stellte fest, dass, woher er kam, mir egal war.
Steht ein vergleichbarer W-Satz im Mittelfeld, wird er als gegenstandsfundiert interpretiert, man vergleiche:
In aller Regel findet sich der propositionsfundierte W-Satz im Nachfeld, also:
(8a) Ich stellte fest, dass mir egal war, woher er kam.
Vorfeldstellung ist mit den üblichen Topikalisierungseffekten möglich:
Synthetische Korrelate
Wie generell bei propositionsbezeichnenden Sätzen werden als Korrelate ausschließlich es, die deiktischen Elemente sowie die (synthetischen) Präpositionaladverbiendavon, darauf, darüber usw. verwendet, nicht hingegen die analytischen Formen, bestehend aus Präposition und einem deiktischen Element:
(11a) Wer da eingebrochen hat, das hat er mir gesagt.
(12) Die Entscheidung hängt davon ab, wer den längeren Atem hat.
(12a) *Die Entscheidung hängt von dem ab, wer den längeren Atem hat.
Vorkommen multipler W-Elemente
(14) Als sie sich taktweise in der Melodieführung abwechselten, war nicht mehr zu unterscheiden, wer was wann spielte. (Mannheimer Morgen, 16.6.1987, 32)