Grenztonmuster
Unter Grenztonmuster versteht man die Richtung des Tonverlaufs an beiden Grenzen einer Intonationsgruppe. Besonders relevant ist das rechte Grenztonmuster, insofern als es im Deutschen – wenn auch meistens gemeinsam mit anderen Sprachmitteln – zur Kennzeichnung des Satzmodus verwendet wird. Dabei erfasst das Grenztonmuster die unakzentuierten Silben, die der letzten Akzentsilbe der Intonationsgruppe folgen (z. B. ge.lau.fen in Satz (1)); wenn auf die letzte Akzentsilbe keine weiteren Silben folgen, stimmen der Grenzton und der Ton auf der Nukleussilbe überein (z. B. .teur in Satz (3)). Grenztonmuster werden durch unterschiedliche Tonmuster realisiert.
Neutrale Aussagesätze werden in beiden Sprachen mit ähnlichen Grenztonmustern realisiert.
Der linke Grenzton (Anfangston) liegt im Allgemeinen im mittleren Tonbereich des Sprechers.
Steigende und fallende Töne innerhalb einer Äußerung hängen im Allgemeinen von den jeweiligen
Akzentverhältnissen ab. Der rechte Grenzton (die Strecke nach der letzten akzentuierten Silbe) ist
fallend.
Entscheidungsfragesätze, Alternativfragesätze, Bestätigungsfragesätze und
Nachfragesätze werden im Deutschen mit einem steigenden, im Ungarischen mit einem
steigend-fallenden rechten Grenzton markiert. Ergänzungsfragesätze lassen sich im Deutschen sowohl
mit einem fallenden als auch mit einem steigenden rechten Grenzton realisieren. Im Ungarischen
werden sie mit fallendem rechten Grenzton ausgesprochen, oder wird der am Satzende grundsätzlich
fallende Ton auf der letzten Sprechsilbe leicht zurück erhoben (fallend-steigend). Ferner gibt es
im Ungarischen kein sog. Doppelsteigtonmuster (steigend-steigend), stattdessen wird das
steigend-fallende Muster verwendet.
Im Folgenden werden die drei deutschen Grenztonmuster steigend, steigend-steigend und fallend beschrieben.
Grenztonmuster: steigend
(realisiert durch Steigtonmuster)
Das Steigtonmuster kommt in folgenden Satztypen im Frage-Modus vor: Ergänzungsfragesatz, Alternativfragesatz, Entscheidungsfragesatz, Bestätigungsfragesatz und Nachfragesatz. Das Zeichen für das Steigtonmuster ist ein nach oben weisender Pfeil ↑.
Das Steigtonmuster kommt in folgenden Satztypen im Frage-Modus vor: Ergänzungsfragesatz, Alternativfragesatz, Entscheidungsfragesatz, Bestätigungsfragesatz und Nachfragesatz. Das Zeichen für das Steigtonmuster ist ein nach oben weisender Pfeil ↑.
(1) und + Ergänzungsfragesatz
Und wo sind sie
hingelaufen? ↑
(2) Offener Alternativfragesatz (alle Teile steigend)
War da nicht noch
ein dritter ↑ oder vierter ↑ oder fünfter?
↑
(3) Entscheidungsfragesatz
A: Sind Sie von Beruf Installateur?
↑
B: Ja.
A: Üben Sie den auch aus?
↑
(4) Aussagesatz als Bestätigungsfrage
A: Sie heißen mit Nachnamen
Tankredi? ↑
B: Ja.
In den Satztypen, in denen im Deutschen ein Steigtonmuster realisiert wird, wird im Ungarischen meistens ein steigend-fallendes Tonmuster verwendet (Ausnahme: der oben erwähnte Ergänzungsfragesatz). Der Ton steigt auf der vorletzten Sprechsilbe und fällt auf der letzten. Da im Ungarischen der Wortakzent immer auf der ersten Silbe des Wortes realisiert wird, ist es sehr selten, dass die vorletzte Silbe eines Satzes mit einer Akzentstelle zusammenfällt (dies kommt nur in dem Fall vor, wenn ein zweisilbiges Inhaltswort am Satzende steht). Dadurch ist der steigende Ton auf der vorletzten Silbe meistens ein unverwechselbares Zeichen der aufgezählten Fragesatztypen. Das steigend-fallende Grenztonmuster des Ungarischen wird mit dem Symbol /\ gekennzeichnet.
(2) Offener Alternativfragesatz (letzter Teil steigend-fallend)
Nem volt
ott még egy harmadik, vagy negyedik, vagy
ötödik? /\ '
(3) Entscheidungsfragesatz
A: Ön szerelő?/\
B:
Igen.
A: Szerelőként is dolgozik?/\
(4) Aussagesatz als Bestätigungsfrage
A: Az Ön keresztneve
valóban Tankredi? /\
B: Igen.
Grenztonmuster: steigend-steigend
Das Doppelgrenztonmuster kommt nur in Nachfragesätzen vor.
Das Zeichen für
das Doppelsteigtonmuster sind zwei nach oben weisende Pfeile ⇈.
(5) Nachfragesatz
A: Wem gehört denn das Haus in Köln? ↑
B: An der Koblenzer Straße das Haus?
⇈
A: Ja.
(6) Nachfragesatz
A: Hatten Sie Probleme mit Ihrer Frau? ↑
B: Mit meiner ersten Frau? ⇈
A: Ja.
In Nachfragesätzen erscheint auch das einfache Steigtonmuster.
(7) Entscheidungsfragesatz als Nachfrage
A: Wir sind wie die Idioten
durch ein trockenes Bachbett gebrettert.
B: Durch ein Bachbett? ↑
A: Ja, ehrlich.
Ein steigend-steigendes Tonmuster liegt im Ungarischen nicht vor. In allen Fällen, in denen im Deutschen ein Doppelsteigton realisiert wird, wird im Ungarischen das für Fragesätze charakteristische steigend-fallende Tonmuster verwendet.
(5) Nachfragesatz
A: Kié ez a kölni ház?
B:
A Koblenzer Straßén lévő ház?/\
A:
Igen.
(6) Nachfragesatz
A: Voltak gondjai a feleségével?
B: Az első feleségemmel?/\
A:
Igen.
(7) Entscheidungsfragesatz als Nachfrage
A. Mint az őrültek, egy
száraz patakágyon síeltünk lefelé.
B: Egy patakágyon? /\
A: Bizony.
Grenztonmuster: fallend
(realisiert durch Falltonmuster)
Das Falltonmuster kommt in folgenden Satztypen vor: Aussagesatz, Ergänzungsfragesatz, Aufforderungssatz,
Verbletzt-Aufforderungssatz und Verbletzt-Exklamativsatz.
Das Zeichen für das
Falltonmuster ist ein nach unten weisender Pfeil ↓.
(8) Aussagesatz
Sie können doch kaum noch geradeaus gehen. ↓
(9) Ergänzungsfragesatz
Was macht er
denn zur Zeit? ↓
(10) Aufforderungssatz
Hol mal den Eimer her! ↓
(11) Exklamativsatz (Verbletztsatz)
Was d i
e alles kann. ↓
Wie wohl in der Mehrzahl der Sprachen sind im Deutschen Aussagesatz, Fragesatz und Aufforderungssatz besonders klar prosodisch gekennzeichnet. Darüber hinaus sind etwa Ergänzungsfragesätze schon durch ein Interrogativ-Element (W-Ausdruck) im Vorfeld gekennzeichnet, Entscheidungsfragesätze und Aufforderungssätze durch die Verberststellung. Prototypische Aufforderungssätze zeichnen sich zudem durch den Verbmodus Imperativ und das mögliche Fehlen des Subjekts aus.
Im Ungarischen werden Ergänzungsfragesätze in erster Linie mit dem Fragewort, Aufforderungssätze mit dem Imperativ des Verbs markiert. Die Prosodie spielt dabei eine ergänzende Rolle. Diejenigen Fragesatztypen aber, die mit lexikalischen Mitteln nicht markiert werden, werden mit dem für das Ungarische charakteristischen steigend-fallenden Grenztonmuster signalisiert. Dieses Tonmuster spielt im Ungarischen insofern eine besonders wichtige Rolle, als die Wortstellung im Ungarischen keine satztypmarkierende Funktion hat. In diesen Sätzen ist also die Prosodie das einzige Merkmal des Fragesatzes.