2.2 Substantivierungen
Wörter anderer Wortarten schreibt man groß, wenn sie als Substantive gebraucht werden (= Substantivierungen).
Substantivierte Wörter nehmen die Eigenschaften von Substantiven an (vgl.
§ 55). Man erkennt sie im Text an
zumindest einem der folgenden Merkmale:
a) an einem vorausgehenden Artikel (der, die, das; ein, eine,
ein), Pronomen (dieser, jener, welcher, mein, kein, etwas,
nichts, alle, einige…) oder unbestimmten Zahlwort (ein paar,
genug, viel, wenig …), die sich auf das substantivierte Wort beziehen;
b) an einem vorangestellten adjektivischen Attribut oder einem nachgestellten
Attribut, das sich auf das substantivierte Wort bezieht;
c) an ihrer Funktion als kasusbestimmtes Satzglied oder kasusbestimmtes Attribut.
Siehe dazu folgende Beispiele:
Das Inkrafttreten (a, b, c) des Gesetzes verzögert sich. Er
übersah alles Kleingedruckte (a, c). Das Ausschlaggebende
(a, b, c) für ihre Einstellung war ihr sicheres Auftreten (a, b, c).
Nichts Menschliches (a, c) war ihr fremd. Das
Deutsche (a, c) gilt als schwere Sprache. Sie bot ihr das
Du (a, c) an. Der Beschluss fiel nach langem Hin und Her
(b, c). Bananen kosten jetzt das Zweifache (a, b, c) des
früheren Preises. Lesen und Schreiben (c) sind Kulturtechniken.
Sie brachte eine Platte mit Gebratenem (c). Du sollst
Gleiches (c) nicht mit Gleichem (c) vergelten. Man
sagt, Liebende (c) seien blind.
E1: Zahlreiche Substantivierungen sind ein fester Bestandteil des Substantivwortschatzes geworden, zum Beispiel: das Essen, das Herzklopfen, das Leben, das Deutsche, die Grünen, die Studierenden, der/die Angestellte, das Durcheinander, das Jenseits, das Vergissmeinnicht
Die folgende Aufgliederung der Großschreibung von Substantivierungen ist nach Wortarten geordnet.
(1) Substantivierte Adjektive und adjektivisch gebrauchte Partizipien,
besonders auch in Verbindung mit Wörtern wie alles, allerlei, etwas, genug,
nichts, viel, wenig, zum Beispiel:
Wir wünschen alles Gute. Zum Aperitif gab es Süßes und Salziges. Geh
nicht mit Unbekannten! Das Ausschlaggebende für die Einstellung war
ihre Erfahrung. Er hat nichts/wenig/etwas/viel Bedeutendes geschrieben.
Das nie Erwartete trat ein. Sie hatte nur Angenehmes erlebt. Der
Umsatz war dieses Jahr um das Dreifache höher. Das andere Gebäude
war um ein Beträchtliches höher. Das ist das einzig Richtige, was du
tun kannst. Es wäre wohl das Richtige, wenn wir noch einmal darüber
reden. Bitte lesen Sie das unten Stehende/unten Stehendes genau durch.
Wir haben das Folgende/Folgendes verabredet. Wir werden das im
Folgenden noch genauer darstellen. Des Näheren vermag ich mich
nicht zu entsinnen. Sie hat mir die Sache des Näheren erläutert. Wir
haben alles des Langen und Breiten diskutiert. Wir wohnen im Grünen.
Beim Umweltschutz liegen noch viele Dinge im Argen. Wir sind uns im
Großen und Ganzen einig. Die Arbeiten sind im Allgemeinen nicht
schlecht geraten. Das ist im Wesentlichen richtig. Im Einzelnen sind
aber noch Verbesserungen möglich. Plötzlich ertönte eine Stimme aus
dem Dunkeln. Die Polizei tappt im Dunkeln. Die Direktorin war auf
dem Laufenden.
Sie war unsere Jüngste. Das Beste, was dieser Ferienort bietet, ist
die Ruhe. Es ist das Beste, wenn du kommst. Es änderte sich nicht das
Geringste. Dies geschieht zum Besten unserer Kinder. Er gab wieder einmal
eine seiner Geschichten zum Besten. Sie konnte uns vor dem Ärgsten
bewahren. Daran haben wir nicht im Entferntesten gedacht. Sie
war bis ins Kleinste vorbereitet. Sie war aufs Schrecklichste/auf das
Schrecklichste gefasst. Sie hat uns aufs Herzlichste/auf das Herzlichste
begrüßt (siehe auch § 58 E1).
Die Pest traf Hohe und Niedrige/Hoch und Niedrig. Diese Musik gefällt
Jungen und Alten/Jung und Alt. Die Teilnehmenden diskutierten über
den Konflikt zwischen Jungen und Alten/zwischen Jung und Alt. Das ist
ein Fest für Junge und Alte/für Jung und Alt.
Sie trug das kleine Schwarze. Der Zeitungsbericht traf ins Schwarze.
Wenn man Schwarz mit Weiß mischt, entsteht Grau. Die Ampel schaltete
auf Rot. Wir liefern das Gerät in Grau oder Schwarz.
Das Englische ist eine Weltsprache. Ihr Englisch hatte einen
südamerikanischen Akzent. Mit Englisch kommt man überall durch.
In Ostafrika verständigt man sich am besten auf Swahili oder auf Englisch.
E2: Gelegentlich ist Groß- oder Kleinschreibung möglich,
zum Beispiel:
Sie spricht Englisch (was? – die englische
Sprache)/englisch (wie?).
Ordnungszahladjektive sowie sinnverwandte Adjektive, zum Beispiel:
Die Miete ist am Ersten jedes Monats zu bezahlen. Er ist schon der
Zweite, der den Rekord des vergangenen Jahres überboten hat. Jeder
Fünfte lehnte das Projekt ab. Endlich war sie die Erste im Staat. Dieses
Vorgehen verletzte die Rechte Dritter. Er kam als Dritter an die Reihe.
Er kam vom Hundertsten ins Tausendste. Fürs Erste wollen wir nicht
mehr darüber reden. Die Nächste bitte! Liebe deinen Nächsten wie dich
selbst! Trotz ihrer Verletzung wurde sie noch Viertletzte. Als Letztes
muss der Deckel angeschraubt werden. Arthur und Armin gingen
unterschiedliche Wege: der Erste/Ersterer wurde Beamter, der Zweite/der
Letzte/Letzterer hatte als Schauspieler Erfolg.
Unbestimmte Zahladjektive (siehe aber auch § 58(5)), zum Beispiel:
Den Kometen haben Unzählige (Ungezählte, Zahllose) gesehen. Ich
muss noch Verschiedenes erledigen. Er hatte das Ganze rasch wieder
vergessen. Der Kongress war als Ganzes ein Erfolg. Das muss jeder
Einzelne mit sich selbst ausmachen. Anita war die Einzige, die alles
wusste. Alles Übrige besprechen wir morgen. Er gab sein Geld für alles
Mögliche aus.
(2) Substantivierte Verben, zum Beispiel:
Das Lesen fällt mir schwer. Sie hörten ein starkes Klopfen. Wer
erledigt das Fensterputzen? Viele waren am Zustandekommen des
Vertrages beteiligt. Die Sache kam ins Stocken. Das ist zum Lachen.
Euer Fernbleiben fiel uns auf. Uns half nur noch lautes Rufen. Die
Mitbewohner begnügten sich mit Wegsehen und Schweigen.
Sie wollte auf Biegen und Brechen gewinnen. Er klopfte mit Zittern und
Zagen an. Ich nehme die Tabletten auf Anraten meiner Ärztin.
Sie hat ihr Soll erfüllt. Dies ist ein absolutes Muss.
Bei mehrteiligen Fügungen, deren Bestandteile mit einem Bindestrich
verbunden werden, schreibt man das erste Wort, den Infinitiv und die
anderen substantivischen Bestandteile groß (siehe auch § 55(1) und
(2)), zum Beispiel:
es ist zum Auf-und-davon-Laufen, das Hand-in-Hand-Arbeiten, das
In-den-Tag-hinein-Leben
E3: Gelegentlich ist bei einfachen Infinitiven Groß- oder Kleinschreibung möglich, zum Beispiel: Der Gehörgeschädigte lernt Sprechen. (Wie: Der Gehörgeschädigte lernt das Sprechen/das deutliche Sprechen.) Oder: Der Gehörgeschädigte lernt sprechen. (Wie: Der Gehörgeschädigte lernt deutlich sprechen.) (Ebenso:) Bekanntlich ist Umlernen/umlernen schwieriger als Dazulernen/dazulernen. Doch geht Probieren/probieren über Studieren/studieren.
(3) Substantivierte Pronomen (vgl. aber auch § 58(4)),
zum Beispiel:
Sie hatte ein gewisses Etwas. Er bot ihm das Du an. Das ist ein Er,
keine Sie. Wir standen vor dem Nichts. Er konnte Mein und Dein nicht
unterscheiden.
(4) Substantivierte Grundzahlen als Bezeichnung von Ziffern,
zum Beispiel:
Er setzte alles auf die Vier. Sie fürchtete sich vor der Dreizehn. Der
Zeiger nähert sich der Elf. Sie hat lauter Einsen im Zeugnis. Er würfelt
eine Sechs.
(5) Substantivierte Adverbien, Präpositionen, Konjunktionen,
Interjektionen, zum Beispiel:
Es gab ein großes Durcheinander. Mich störte das ewige Hin und Her.
Ich will das noch im Diesseits erleben. Auf das Hier und Jetzt kommt es
an. Das Danach war ihr egal. Es gibt kein Übermorgen. Sie hatte so
viel wie möglich im Voraus erledigt. Im Nachhinein wussten wir es besser.
Er stand im Aus. Sie überlegte sich das Für und Wider genau. Sein
ständiges Aber stört mich. Es kommt nicht nur auf das Dass an, sondern
auch auf das Wie. Er erledigte es mit Ach und Krach. Ein vielstimmiges
Ah ertönte. Ihr freudiges Oh freute ihre Kolleginnen. Das
Nein fällt ihm schwer.
E4: Bei mehrteiligen substantivierten Konjunktionen, die mit einem Bindestrich verbunden werden (siehe § 43), schreibt man nur das erste Wort groß, zum Beispiel: ein Entweder-oder, das Als-ob, das Sowohl-als-auch
In folgenden Fällen schreibt man Adjektive, Partizipien und Pronomen klein, obwohl sie formale Merkmale der Substantivierung aufweisen.
(1) Adjektive, Partizipien und Pronomen, die sich auf ein
vorhergehendes oder nachstehendes Substantiv beziehen, zum Beispiel:
Sie war die aufmerksamste und klügste meiner Zuhörerinnen. Vor dem Haus
spielten viele Kinder, einige kleine im Sandkasten, die größeren am
Klettergerüst. Es waren neun Teilnehmer erschienen, auf den zehnten wartete
man vergebens. Alte Schuhe sind meist bequemer als neue. Dünne Bücher lese
ich in der Freizeit, dicke im Urlaub. Zwei Männer betraten den Raum; der
erste trug einen Anzug, der zweite Jeans und Pullover. Leih mir bitte deine
Farbstifte, ich habe meine/die meinen/die meinigen vergessen. Der Verkäufer
zeigte mir seine Auswahl an Krawatten. Die gestreiften und gepunkteten
gefielen mir am besten.
(2) Superlative mit „am“, nach denen mit „Wie?“ gefragt werden kann,
zum Beispiel:
Dieser Weg ist am steilsten. (Frage: Wie ist der Weg?)
Dieser Stift schreibt am feinsten. (Frage: Wie schreibt dieser
Stift?) Der ICE fährt am schnellsten.
E1: Superlative mit „am“ gehören zur regulären Flexion des Adjektivs; „am“ ist in diesen Fügungen nicht in „an dem“ auflösbar. Beispiele: Dieser Weg ist steil – steiler – am steilsten. Dieser Stift schreibt fein – feiner – am feinsten.
In Anlehnung an diese Fügungen kann man auch feste adverbiale Wendungen mit
aufs oder auf das, die mit „Wie?“ erfragt werden
können, kleinschreiben, zum Beispiel:
Sie hat uns aufs/auf das herzlichste begrüßt. (Frage: Wie hat sie
uns begrüßt?) Der Fall ließ sich aufs/auf das einfachste lösen.
Superlative, nach denen mit „Woran?“ („An was?“) oder „Worauf?“ („Auf
was?“) gefragt werden kann, schreibt man nach § 57(1) groß,
zum Beispiel:
Es fehlt ihnen am/an dem Nötigsten. (Frage: Woran fehlt es ihnen?)
Wir sind aufs/auf das Beste angewiesen. (Frage: Worauf sind wir
angewiesen?)
(3) bestimmte feste Verbindungen
(3.1) aus Präposition und nichtdekliniertem Adjektiv ohne
vorangehenden Artikel, zum Beispiel:
Ich hörte von fern ein dumpfes Grollen. Die Pilger kamen von nah und
fern. Die Ware wird nur gegen bar ausgeliefert. Die Mädchen hielten
durch dick und dünn zusammen. Das wird sich über kurz oder lang
herausstellen. Damit habe ich mich von klein auf beschäftigt.
Er hat die frei erfundene Geschichte für wahr gehalten. Man hat ihn für
dumm verkauft. Sie hat sich die Argumentation zu eigen gemacht.
Das werde ich dir schwarz auf weiß beweisen. Die Stimmung war grau
in grau.
(3.2) aus Präposition und dekliniertem Adjektiv ohne vorangehenden
Artikel. In diesen Fällen ist jedoch auch die Großschreibung des Adjektivs
zulässig, zum Beispiel:
Aus der Brandruine stieg von neuem/Neuem Rauch auf. Wir konnten
das Feuer nur von weitem/Weitem betrachten. Der Fahrplan bleibt bis
auf weiteres/Weiteres in Kraft. Unsere Pressesprecherin gibt Ihnen
ohne weiteres/Weiteres Auskunft. Der Termin stand seit längerem/Längerem
fest. Die Aufgabe wird binnen kurzem/Kurzem erledigt.
E2: Substantivierungen, die auch ohne Präposition üblich sind, werden
nach § 57(1) auch dann großgeschrieben, wenn sie mit
einer Präposition verbunden werden, zum Beispiel:
Die Historikerin beschäftigt sich mit dem Konflikt zwischen Arm und
Reich. Das ist ein Fest für Jung und Alt. Sein Vorschlag war jenseits von
Gut und Böse. (Vgl.: Die Königin lud Arm und Reich ein.
Das Fest gefiel Jung und Alt.)
Die Ampel schaltete auf Rot. Wir liefern das Gerät in Grau
(= in grauer Farbe). (Vgl.: Das ist ein grelles Rot.
Sie hasst Grau.)
Mit Englisch kommst du überall durch. In Ostafrika verständigt man
sich am besten auf Swahili oder Englisch.
(Vgl.: Bekanntlich ist Englisch eine Weltsprache.
Sein Englisch war gut verständlich.)
(4) Pronomen, auch wenn sie als Stellvertreter von Substantiven
gebraucht werden, zum Beispiel:
In diesem Wald hat sich schon mancher verirrt. Ich habe mich mit
diesen und jenen unterhalten. Wenn einer eine Reise tut, so kann er was
erzählen. Das muss (ein) jeder mit sich selbst ausmachen. Wir haben
alles mitgebracht. Sie hatten beides mitgebracht. Man muss mit (den)
beiden reden.
Zur Großschreibung der Anredepronomen siehe § 65, § 66.
E3: In Verbindung mit dem bestimmten Artikel oder dergleichen lassen
sich Possessivpronomen auch als substantivische possessive Adjektive bestimmen,
entsprechend kann man hier nach § 57(1) auch großschreiben,
zum Beispiel:
Grüß mir die deinen/Deinen (die deinigen/Deinigen)! Sie trug das ihre/Ihre (das ihrige/Ihrige) zum Gelingen bei.
(5) die folgenden Zahladjektive mit allen ihren Flexionsformen:
viel, wenig; (der, die, das) eine, (der, die, das) andere
Beispiele:
Das haben schon viele erlebt. Zum Erfolg trugen auch die vielen bei,
die ohne Entgelt mitgearbeitet haben. Nach dem Brand war nur noch
weniges zu gebrauchen. Sie hat das wenige, was noch da war, in eine
Kiste versorgt. Die meisten haben diesen Film schon einmal gesehen.
Die einen kommen, die anderen gehen. Was der eine nicht tut, soll der
andere nicht lassen. Die anderen kommen später. Das können auch
andere bestätigen. Alles andere erzähle ich dir später. Sie hatte noch
anderes zu tun. Unter anderem wurde auch über finanzielle Angelegenheiten
gesprochen.
E4: Wenn der Schreibende zum Ausdruck bringen will, dass das
Zahladjektiv substantivisch gebraucht ist, kann er es nach § 57(1) auch
großschreiben, zum Beispiel:
Sie strebte etwas ganz Anderes an. Die Einen sagen dies, die Anderen das.
Die Meisten stimmten seiner Meinung zu.
(6) Kardinalzahlen unter einer Million, zum Beispiel:
Was drei wissen, wissen bald dreißig. Diese drei kommen mir bekannt
vor. Sie rief um fünf an. Wir waren an die zwanzig. Er sollte die Summe
durch acht teilen. Dieser Kandidat konnte nicht bis drei zählen. Wir
fünf gehören zusammen. Der Abschnitt sieben fehlt im Text. Der
Mensch über achtzig schätzt die Gesundheit besonders.
E5: Wenn hundert und tausend eine
unbestimmte (nicht in Ziffern schreibbare) Menge angeben, können sie auch auf die
Zahlsubstantive Hundert und Tausend bezogen
werden (vgl. § 55(5)); entsprechend kann man sie dann klein- oder
großschreiben, zum Beispiel:
Es kamen viele tausende/Tausende von Zuschauern. Sie strömten zu
aberhunderten/Aberhunderten herein. Mehrere tausend/Tausend Menschen
füllten das Stadion. Der Beifall zigtausender/Zigtausender von Zuschauern
war ihr gewiss.
Entsprechend auch:
Der Stoff wird in einigen Dutzend/dutzend Farben angeboten.
Der Fall war angesichts Dutzender/dutzender von Augenzeugen klar.