Valenz

Definition

Valenz ist die Bezeichnung für die Fähigkeit von Wörtern (hauptsächlich von Vollverben), als Valenzträger eine bestimmte Anzahl an Konstituenten als Ergänzungen mit einer bestimmten Form an sich zu binden. Ergänzungen stehen in einer syntaktischen Beziehung (Rektion) und einer semantischen Beziehung (Übernahme einer semantischen Rolle) zum Valenzträger.

Beispiele

  1. Der Hund bellt.
  2. Ben schenkte seiner Mutter letztes Jahr eine Silberkette.
  3. Anna half dem Polizisten.
  4. Maria bittet ihre Gäste für das Missgeschick um Entschuldigung.
  5. Michael wohnt schon lange in Hamburg.
  6. Maria liest ein Buch, Karl isst einen Apfel.

Erläuterungen

In den Beispielsätzen sind die Verben, die als Valenzträger fungieren, fett markiert.

Valenzgebundene Konstituenten werden ,Ergänzungen‘ genannt, nicht valenzgebundene Konstituenten ‚Angaben‘.

Ein Verb (in der Regel Vollverb) legt die Anzahl und die Art der Ergänzungen in einem Satz fest. So stehen bei schenken (2) drei Ergänzungen: Eine Nominalgruppe (NGr) im Nominativ (= Subjekt), die eine handelnde Person bezeichnet (semantischen Rolle ‚Agens‘), eine NGr im Akkusativ (= Akkusativobjekt), die die betroffene Sache bezeichnet (semantische Rolle ‚Patiens‘), und eine NGr im Dativ (= Dativobjekt), die den Empfänger benennt (semantische Rolle ‚Rezipient‘). Das Verb bellen (1) verlangt hingegen nur eine einzige Ergänzung, eine NGr im Nominativ (= Subjekt), die den Handelnden bezeichnet.

Typische Ergänzungen sind Subjekte (1-6) und Objekte (2-6), aber auch Adverbiale können valenzgebundene Ergänzungen sein (5), wenn sie vom Verb semantisch gefordert sind (jmd. wohnt in einer Stadt). Bei manchen Verben müssen die semantisch erforderten Ergänzungen in einem konkreten Satz syntaktisch nicht realisiert sein. So kann in (6) ein Buch bzw. einen Apfel weggelassen werden und in (4) für das Missgeschick. Man spricht dann von ‚fakultativen Ergänzungen‘, womit ausgedrückt wird, dass zur Semantik von lesen ein Gegenstand, der gelesen wird, und zur Semantik von essen ein Nahrungsmittel gehört, dass aber dieses in einem konkreten Satz nicht immer realisiert sein muss. Das hängt vom jeweiligen Kontext ab: Sie liest. wäre beispielsweise eine ausreichende Antwort auf die Frage Was macht Maria gerade?

Grammatische Proben

Weglassprobe: Für die Ermittlung von vom Verb geforderten Konstituenten (Ergänzungen) im Satz dient die Weglassprobe:

Alle nicht weglassbaren Satzkonstituenten sind Ergänzungen.

  1. zu (2) *Ben schenkte.
  2. zu (2) *Ben schenkte seiner Mutter.
  3. zu (2) Ben schenkte seiner Mutter eine Silberkette.
  4. zu (5) *Michael wohnt.

Da aber umgekehrt manche Ergänzungen auch weglassbar sind (siehe Erläuterung), wird für die Abgrenzung von Ergänzungen und nicht valenzgebundenen Konstituenten von Sätzen ein weiterer Test verwendet:

Geschehensprobe: Die weglassbaren Konstituenten sind dann Ergänzungen, wenn sie die Geschehensprobe nicht bestehen:

  1. zu (6) Karl isst jeden Morgen einen Apfel ⭢ *Karl isst, und das geschieht einen Apfel.
  2. zu (6) Karl isst einen Apfel, und das geschieht jeden Morgen.

Der Vergleich von (11) und (12) zeigt, dass einen Apfel Ergänzung zu essen ist, jeden Morgen jedoch nicht.

Die Geschehensprobe und auch andere Tests zur Abgrenzung von weglassbaren Ergänzungen und weglassbaren zusätzlichen Angaben sind nicht immer zuverlässig. Deshalb sei an dieser Stelle zusätzlich erläutert, dass es bei diesen Tests im Kern darum geht, zu ermitteln, ob eine Information aus dem Satz ausgelagert werden kann (wie hier im Beispiel jeden Morgen) – das spricht dann dafür, dass die Konstituente nicht zum Valenzrahmen gehört.

Ersatzprobe: Bei Objektergänzungen wird die Form vom Verb regiert (Rektion) – so sind beispielsweise Akkusativobjekte nur durch Nomen, Pronomen oder Nominalgruppen im Akkusativ, d. h. Konstituenten der gleichen Form, oder Nebensätze austauschbar.

Alternative und verwandte Fachausdrücke

Hinweise

Weiterführendes:

Auch Adjektive können einen Valenzrahmen aufspannen. Dies ist besonders bei adjektivisch verwendeten Partizipien, die ihre Verbeigenschaften (Verb) mitbringen, der Fall:

  1. das seiner Schwester geschenkte Buch (jemandem etwas schenken)

Wenige genuine Adjektive haben Valenz:

  1. Anna ist stolz auf sich. Wir sind mit dem Ergebnis zufrieden. Die Lehrerin war des Redens müde/mächtig.

Auch Nomen haben Valenz, wenn sie als von Verben abgeleitete Wörter Verbeigenschaften beibehalten:

  1. das Warten auf Godot (auf jmdn./etw. warten); der Versuch eines Handstandes (einen Handstand versuchen)

DaF/DaZ:

Mit dem Konzept der Valenz kann bestimmt werden, wie viele (Stelligkeit) und welche Ergänzungen (Selektion) in einem Satz als Satzglieder mindestens erwartbar sind und welchen syntaktisch-semantischen Rahmen ein Verb hat: Die Valenz stellt im DaF-/DaZ-Unterricht einen lernförderlichen Zugang zur Vermittlung von Satzbauplänen dar.

Ressource:

Das elektronische Valenzwörterbuch (EVALBU) hält Valenzinformationen zu ausgewählten Verben des Deutschen bereit.

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