Prosodie
Mit dem Begriff Prosodie bezeichnen wir diejenigen phonologischen Erscheinungen, deren Geltungsdomäne über den Einzellaut hinausgreift und deren Charakteristika sich aus dem Zusammenspiel der akustischen Merkmale Dauer, Intensität, Grundfrequenz ergibt (vgl. Selting 1995), d. h. in erster Linie Ton und Intonation, Akzent, Rhythmus, Quantität. Diese prosodischen Erscheinungen werden in der Literatur auch unter dem Begriff Suprasegmentalia zusammengefasst, wodurch hervorgehoben wird, dass sie der Artikulation der einzelnen Laute (Segmente) bzw. Lautketten (Segmentketten) überlagert werden und diese sozusagen begleiten.
Im Unterschied zu den einzelnen Lauten erfüllen die prosodischen Aspekte der Sprache nicht nur linguistische, sondern auch paralinguistische und extralinguistische Funktionen, d. h., sie dienen nicht nur zum Ausdruck der Satzmodi und der relativen Gewichtung von Wort- und Äußerungskomponenten sowie zu deren rhythmischen Gestaltung und Gliederung in Sinneinheiten (Phrasierung), sondern sie signalisieren auch Einstellungen und Emotionen der Sprecher und vermitteln Informationen über deren Alter, Geschlecht, physische Befindlichkeit etc.
Die akustisch-phonetischen Parameter, aus denen sich die verschiedenen prosodischen Erscheinungen zusammensetzen, haben jeweils artikulatorische und auditiv-perzeptive Korrelate, wobei für unsere Darstellung letztlich die auditiv-perzeptive Perspektive maßgeblich ist: Der Dauer entspricht die wahrgenommene Länge, der Intensität die Lautstärke und die unterschiedlichen Grundfrequenzwerte werden als unterschiedliche Tonhöhen wahrgenommen.
Bei der Prosodie handelt es sich nicht um zusätzliche oder periphere Eigenschaften einer Sprache, da als Sprecher einer Sprache letztlich nur gelten kann, wer ihre Prosodie beherrscht. Die Prosodie ist daher ein wichtiger Aspekt auch im L2-Erwerb, kann doch eine mangelhafte Beherrschung der Prosodie die Realisation der segmentalen Aspekte beeinflussen und zu kommunikativen Missverständissen führen.
In unserer thematischen Einheit werden wir in erster Linie Intonation und Akzentsetzung betrachten, d. h. diejenigen Eigenschaften, die sich unmittelbar auf die informationsstrukturelle Organisation auswirken. Auf Rhythmus und Quantität werden wir nur insoweit eingehen, als sie zur typologischen Charakterisierung des Deutschen beitragen. Darüber hinaus werden wir als weitere prosodische Erscheinung die Pausen besprechen, insofern als sie für die Analyse der Intonation relevant sind.
In der nachfolgenden Einheit liegen zahlreiche Beispielsätze in vertonter Form vor. Die Tonbeispiele können Sie über das Lautsprechersymbol im mp3-Format abrufen. Über das Abspiel-Symbol gelangen sie zu einer genauen Aufschlüsselung des Tonverlaufes in Form eines praat-Spektogramms (Abobe-Flash-Animation). |
Diese Einheit setzt sich aus folgenden Untereinheiten zusammen:
- Ton und Intonation (Intonationsgruppe, Grenztonmuster, Mitteltonmuster)
- Akzent (Wortakzent, Gewichtungsakzent)
- Rhythmus
- Pausen
- Quantität
In der wichtigsten Darstellung der norwegischen Phonologie (Kristoffersen 2000) wird auch die Prosodie im weitesten Sinne (Betonung, Tonakzente, Intonation, Rhythmus) ausführlich besprochen. Ebenfalls phonologisch betrachtet man das – aus typologischer Sicht – wohl interessanteste prosodische Phänomen des Norwegischen – Tonakzente – in einer separaten Monographie: Wetterlin 2010. Allerdings lassen sich in den beiden sowie in vielen anderen der Prosodie gewidmeten Werken einige für diese Thematik charakteristische terminologische und interpretative Unübereinstimmungen beobachten. Für die weiteren kontrastiven Kommentare sind auch die phonetischen Hintergründe prosodischer Eigenschaften des Norwegischen von Bedeutung, die vor allem Einar Haugen in seinen zahlreichen Veröffentlichungen (u. a. 1967) dargestellt hat.