Ton und Intonation
Ton ist eine prosodische Eigenschaft, die durch die Stimmbandschwingungen in der Glottis produziert wird. Seine perzeptive Entsprechung ist die Tonhöhe und sein akustisches Korrelat sind die Werte der Grundfrequenz (F0); dabei gilt: je höher die Grundfrequenzwerte, desto höher die Tonhöhe und umgekehrt.
Der Bereich der Grundfrequenzwerte erstreckt sich zwischen sprecherindividuellen Minimal- (F0-Minima) und Maximalwerten (F0-Maxima) und wird Tonumfang (Tonhöhenumfang) genannt.
Die Tonbewegungen innerhalb einer Äußerung, d. h. ihr Gesamttonhöhenverlauf (melodischer Verlauf), wird als Intonation definiert. Die Intonation stellt wegen des breiten Spektrums von linguistischen, paralinguistischen und extralinguistischen Funktionen, die sie erfüllt (vgl. Prosodie), ein komplexes Phänomen dar.
Im Deutschen, wie in den meisten Sprachen, gibt es eine Korrelation zwischen Tonbewegungen und Akzentverhältnissen, dabei spricht man von Intonationssprachen.
Neben Intonationssprachen unterscheidet man typologisch Tonsprachen und Tonakzentsprachen, in denen die Töne bzw. die Tonbewegung als selbstständige phonologische Parameter vorkommen und lexikalisch distinktive Funktion haben. In Tonsprachen (dazu gehören z.B. die ost- und südostasiatischen Sprachen sowie die meisten westafrikanischen Sprachen) ist jede Silbe tonal festgelegt, d. h., jede Silbe hat einen eigenen Ton bzw. Tonverlauf. In Tonakzentsprachen (z. B. Litauisch, Norwegisch, Serbokroatisch, Schwedisch) ist das Wort tonal festgelegt, d. h., die akzentuierten Silben innerhalb der Wörter haben einen vorgegebenen Tonverlauf.
Als Ankerpunkte für die Charakterisierung des Intonationsverlaufs dienen die Nukleussilben (Tonsilben, Akzentsilben), d. h. die Silben, die als die prominenteren perzepiert werden. In Äußerungen sind die Nukleussilben jene Silben, auf denen der semantisch-pragmatische Fokus liegt, wobei als Nukleussilben normalerweise (d. h., wenn man von Kontrastakzentuierung absieht) Silben in Frage kommen, die als Träger des Wortakzents dienen können. In der Nukleussilbe liegt ein Gipfel bzw. ein Tal der Grundfrequenz, oder der Frequenzverlauf fällt oder steigt im Bereich der Nukleussilbe. Relevant ist ferner die Tonhöhe am Äußerungsende und partiell auch jene am Äußerungsanfang.
Funktional relevant und vom Hörer wahrgenommen werden insbesondere Konturen, also Übergänge zwischen Tonstufen im Rahmen der Tonbewegung, vor allem zwischen hoch und tief gelagerten Tönen, und die Zielpunkte der Bewegung. Wichtig können ferner die Dauer der Äußerung und der Nukleussilbe sowie der Tonverlauf auf den unbetonten Silben sein. Relevant erscheint ferner die Tonhöhe am Äußerungsende (Offset) und partiell auch die Tonhöhe am Äußerungsanfang (Onset).
Für eine Analyse der Intonation ergeben sich also folgende Ansatzpunkte:
- Ausgangspunkt, Stationen und insbesondere der Zielpunkt der einzelnen
Tonbewegungen, jeweils relativ zu einem anzunehmenden individuell unterschiedlichen Tonumfang:
- ein tiefer Tonbereich (T) mit einem extremen Tiefpunkt
- ein mittlerer Tonbereich (M)
- ein hoher Tonbereich (H) mit einem extremen Hochpunkt
- eine (relativ) unveränderte Tonlage
- die Richtung der Tonbewegung (fallend oder steigend oder (innerhalb eines Tonbereichs) gleichbleibend)
- eine Richtungsänderung im Tonverlauf, die als komplexe Tonbewegung erscheint (z. B. fallend-steigend)
- die intonatorische Detailstruktur (z. B. relative Dauer der Nukleussilbe)
- die tonalen Merkmale in Bezug zur gesamten Äußerung (z. B. Onset, Offset, Dauer der Nukleussilbe in Bezug zur Zeitstruktur der Äußerung)
Wir kommen entsprechend der in (i) vorgenommenen Abstraktion mit sechs Tonstufen und drei Tonniveaus (Hoch (H), Mittel (M), Tief (T)) aus und notieren Verläufe wie folgt:
Prototypisch lassen sich hinsichtlich der Merkmale (i) – (iii) (Merkmale wie (iv) und (v) sind in der Detailanalyse zusätzlich heranzuziehen, etwa um bestimmte Satz-Modi intonatorisch trennen zu können) die folgenden Tonmuster unterscheiden: Falltonmuster, Steigtonmuster, Mitteltonmuster, Taltonmuster, Gipfeltonmuster und Doppelsteigtonmuster.
Die Tonmuster werden gemeinsam mit anderen prosodischen Mitteln als Grenztonmuster zur Abgrenzung einer Äußerungseinheit (Wort, Phrase, Teilsatz, Satz) verwendet. Darüber hinaus kennzeichnen sie gemeinsam mit anderen morphologischen bzw. syntaktischen Mitteln (Verbmorphologie, W-Pronomina, Wortstellung) den Satzmodus.
Norwegisch gehört – im Gegensatz zum Deutschen – zu den sog. Tonakzentsprachen. Dies bedeutet, dass nicht nur die suprasegmentale Betonung, sondern auch noch die Tonbewegung innerhalb der Silbe den prosodischen Ausdruck des Norwegischen stark determinieren. Für die Markierung der Betonung ist die Änderung der Grundtonfrequenz (F0) der stimmhaften Sprachlaute (in der Regel Vokale) sowohl im produktiv-artikulatorischen als auch im perzeptiv-auditiven Bereich primär. Die variierende Tonbewegung hat dagegen unterschiedliche Toneme zur Folge. In ihrer Markierung geht es um ein dynamisches (melodisches) Phänomen, das darauf beruht, dass die betonte Silbe entweder tiefer ausgesprochen wird und der Ton des Weiteren steigt (Tonem I) oder dass der Ton der betonten Silbe zuerst sinkt und dann wieder steigt (Tonem II). Rein phonetisch beschreibt man den Unterschied zwischen den beiden Tonemen als Verschiebung der Tonkurve zwischen Tonem I und Tonem II (in der Fachliteratur verwendet man an dieser Stelle mehrere Termini wie z. B. Akzent I und II, „monosyllabic“ vs. „dissillabic“, einfach vs. komplex, unmarkiert vs. markiert). Im Gegensatz zur Betonung sind die akustischen Parameter der Tonbewegung schwächer (bzw. weniger konsequent) ausgeprägt, was ihre korrekte auditive Zuordnung erschwert. Allerdings ist das Phänomen der unterschiedlichen Toneme einerseits mit anderen suprasegmental aktiven Phänomenen (Quantität, Betonung) eng verbunden und andererseits determiniert es prosodisch die Melodie und den Rhythmus des ganzen Ausdrucks, so dass die Effektivität seiner Wahrnehmung dadurch wächst.
Durch die morphophonologischen Reflexe der Tonemverwendung ist der norwegischen Tonalität die lexikalisch differenzierende Funktion zuzuschreiben (vgl. uttale mit Tonem I als ‚aussprechen’ und mit Tonem II als ‚Aussprache’). In einigen Dialekten des Norwegischen (z. B. um Bergen, nördlich von Trondheim, in Troms und Finnmark) wird die Tonemdifferenzierung jedoch nicht konsequent bzw. überhaupt nicht realisiert (vgl. Kristoffersen 2000:234f.).