Pausen
Pausen bezeichnen Intervalle variabler Dauer, in denen kein Sprachsignal vorhanden ist. Obwohl sie keine eigentlichen suprasegmentalen Eigenschaften der Sprache sind, werden sie traditionell zur Prosodie gezählt, da eine ihrer Hauptfunktionen die Kosignalisierung prosodischer Einheiten ist (Segmentierungspausen). Pausen haben, wie die anderen prosodischen Aspekte der Sprache auch, ein breites Spektrum von Funktionen: Sie können z. B. als rhetorisch-stilistisches Mittel zum Ausdruck von Hervorhebung eingesetzt werden (Relevanzpausen) oder Anzeichen temporärer Schwierigkeiten bei der Planung einer Äußerung oder beim Suchen eines Lexems im mentalen Lexikon sein (Verzögerungspausen).
Relevanzpausen
Relevanzpausen sind diejenigen Pausen, die – meist im Zusammenhang mit einem Gewichtungsakzent – zur Markierung der besonderen Wichtigkeit eines Elements dienen.
(1) Das kann ich mir überhaupt nich vorstellen. → Das widerspricht auch jedem (0,9 Sek.) normalen Ablauf bei solchen Geschäften.
Die Erstreckung der als relevant gesetzten Domäne wird durch die Interaktion von Pause (vor dem hervorzuhebenden Ausdruck) und Gewichtungsakzent deutlich markiert.
Ein weiteres Beispiel für die Abgrenzung von Einheiten unterschiedlicher Relevanz (gemessen am thematischen Stand) sind Pausen vor Parenthesen, wobei die Parenthese selbst durch eine abschließende Segmentierungspause markiert sein kann.
Verzögerungspausen
Verzögerungspausen sind diejenigen Pausen, die z. B. temporäre Schwierigkeiten bei der Planung einer Äußerung oder beim Absuchen des mentalen Lexikons nach einem Lexem sowie eine Selbstreparatur signalisieren. Die Verzögerungspausen können leer oder auch gefüllt (äh, ähm) sein und können an beliebiger Stelle innerhalb eines Redebeitrags vorkommen (d. h. nicht nur an Phrasengrenzen) und vor allem dort, wo die Erwartung besteht, dass in der Rede noch etwas kommt. Häufig finden sie sich zwischen Artikel und dem Rest der Nominalphrase.
(3a) | Und zwar wurden da die (0,3 Sek.) phe:/ äh |
(3b) | die äh Körnerschläge → die wurden da angezeichnet (...) |
(Sperlbaum, Proben deutscher Umgangssprache, 33 (retranskribiert))
(4a) | Wir haben immer das (0,5 Sek.) äh äh äh |
(4b) | die Erfahrung gemacht → dass sich eigentlich drei Gruppen bilden bei so einer Fahrt |
(Sperlbaum, Proben deutscher Umgangssprache, 61 (retranskribiert))
Segmentierungspausen
Segmentierungspausen zählen zu den prosodischen Pausen, d. h., sie sind Teil der prosodischen Organisation der Sprache. Sie hängen mit der Intonation eng zusammen, da sie zusammen mit dem Melodieverlauf zur Kennzeichnung einer Intonationseinheit (Phrase, Äußerung) beitragen. Sie können in finale und intermediäre Pausen unterschieden werden, die im Folgenden kurz beschrieben werden sollen.
Finale Pausen
Unterbricht ein Sprecher seinen Redefluss und ist der Redebeitrag abgeschlossen (finales Grenztonmuster, inhaltlicher Abschluss oder Unterdrückung des Äußerungsrests), so handelt es sich um eine finale Pause.
Finale Pausen haben eine relativ große Spannbreite. Sie können von unter 1 Sekunde bis etwa 1,9 Sekunden dauern; man findet aber auch extrem lange Pausen von 2-3 Sekunden.
Beispiele für finale Pausen (Angaben in Sekunden in Klammern):
(6) | A: Man kann natürlich alles endlos weiter diskutieren, aber irgendwann muss nun mal Schluss sein. (2,7 Sek.) |
B: Schon, aber man kann auch Diskussionen zu früh beenden. |
Intermediäre Pausen
Unterbricht der Sprecher seinen Redefluss, ohne seinen Beitrag erkennbar abgeschlossen bzw. das Rederecht übergeben zu haben, handelt es sich um eine intermediäre Pause. Pausen ohne vorhergehendes finales Tonmuster (↑,↓,⇈ ) sind stets intermediär.
Intermediäre Pausen können verschiedene grammatisch relevante Funktionen haben.
- Markierung des Abschlusses einer Phrase sowie eines Teilsatzes (sie können auch vor und nach einer Parenthese stehen)
- selten nach einer Phrase im linken Außenfeld bzw. einer satzförmigen Einheit mit Thematisierungsfunktion
- fakultativ nach einer Phrase mit Thematisierungsfunktion im Vorfeld eines Satzes oder vor einem Nachtrag im rechten Außenfeld
- in der Regel nach einem Ausdruck (Phrase, satzförmige Einheit) mit Thematisierungsfunktion, der einem Satz frei vorangestellt ist
- in der Regel nach Abschluss eines Vollsatzes (Satzpause), insbesondere nach thematischem Einschnitt.
Je umfangreicher die Einheit, desto länger kann die Pause sein.
Das folgende Beispiel ist nach Pausen segmentiert. In diesem Nachrichtenausschnitt kommen folgende Typen von Segmentierungspausen vor:
Pausentyp: | |
(7a) (...) Hanauer Plutoniumanlage jede Erlaubnis zu verweigern (3,0 Sek.) | v = Satzpause |
(7b) Wallmann teilte außerdem mit, die Sicherheitsüberprüfung des
Hessischen Kernkraftwerks Biblis (0,5 Sek.) (7c) durch eine von der internationalen Atomenergiebehörde in Wien benannte Expertengruppe (0,4 Sek.) | i = Phrasenpause |
(7d) habe zu einem sehr positiven Ergebnis geführt (0,9 Sek.) | v = Satzpause |
(7e) Die Experten hätten Biblis als ein Kernkraftwerk von ausgesprochen guter Auslegung und Konstruktion beurteilt (0,7 Sek.) | i = Teilsatzpause |
(7f) was von gut qualifiziertem Bedienungspersonal mit einem
ausgezeichneten Sicherheitsbewusstsein betrieben werde (3,2
Sek.) Unbekannte Täter haben in der vergangenen Nacht (...) | v = Satzpause (thematischer Einschnitt) |
Die Pause im folgenden Beispiel gehört zum Typ (ii). Sie grenzt eine Nominalphrase im linken Außenfeldfeld ab, die thematische Funktion hat:
(8a) Der Begriff tausend Liter
→ (1,3 Sek.)
(8b) ist der von Ihnen nicht bei der Polizei angegeben
worden? ↑
Im folgenden Beispiel finden wir eine intonatorische Vordergrundsetzung (Pausentyp (iv)):
(9a) Ja ein Schiffbauer → (0,9
Sek.)
(9b) muss also (...)
(Sperlbaum, Proben deutscher Umgangssprache, 31 (Pausen retranskribiert)) |
Pausen sind ein relativ effektiv wahrnehmbares prosodisches Merkmal, das artikulatorisch als unterbrochenes Phonationsstromkontinuum und akustisch als unterschiedlich lange stumme Phase definiert wird. Abgesehen von der Kennzeichnung der Betonungseinheiten (Pausenmangel kennzeichnet eine intonatorische Phrase) und der Manifestation von durch Störungen in kognitiver oder sprechmotorischer Aussageprogrammierung bzw. Aussageausführung ausgelösten phonischen Disfluenzen (Verzögerungspausen) dienen Pausen entweder als rhetorisch-stilistisches Mittel oder als Grenzsignal im Redefluss.
Zu rhetorisch-stilistischen Mitteln zählen vor allem Relevanzpausen und Pausen vor Parenthesen, die – oft in Kongruenz mit Fokusakzenten – dazu dienen, die Aufmerksamkeit des Hörers zu intensivieren, um damit die Übertragung des informativ Wichtigen zu optimalisieren (z.B. Kjøkkensjefens spesialitet # er en utsøkt oksestek). Ihre Verwendung hängt weitgehend mit kontextuell, situativ und individuell determinierten Kommunikationsintentionen zusammen.
Zu Grenzsignalen zählen dagegen die intermediären und finalen Pausen. Die ersteren setzen eine obligatorische Fortsetzung lautlicher Manifestation des Ausdrucks voraus und ihr Einsatz auf der strikt prosodischen Ebene wird vor allem durch diverse Diskursstrategien mitdeterminiert, die die Aufmerksamkeit des Hörers steuern können, z. B. For første gang i historien # har en kvinne blitt statsminister i vårt land. Die finalen Pausen gelten als Grenzsignal des Ausdrucksabschlusses. Die Aufgabe der finalen Pausen ist es zu markieren, dass der Ausdruck im syntaktischen, inhaltlichen, kontextuell-konsituativen usw. Sinne nicht mehr fortgesetzt wird. Der finalen Pause können Phänomene vorangehen, die ihre Wahrnehmung begünstigen, z. B. die Verlangsamung der Sprechgeschwindigkeit oder die präpausale Längung eines vokalischen Segments. Im Norwegischen kommt die präpausale Längung seltener als im Deutschen vor, was aus der Tatsache resultiert, dass die vokalische Quantität im Norwegischen phonologisch stark belastet ist. In Sprachen wie Italienisch oder Polnisch ist die Vokallänge kein distinktives Merkmal und die präpausale Längung kann ihre rhythmisierende Funktion effektiv ausüben, im Deutschen kann die Distinktivität der verfälschten vokalischen Quantität des Öfteren durch das Spannungsmerkmal kompensierend wahrgenommen werden, im Norwegischen ist die Spannung aber kein stabil vorkommendes, die Vokallänge unterstützendes Phänomen, was jegliche prosodische Ausnutzung der vokalischen Dehnung deutlich begrenzt.