Gewichtungsfunktionen

Mit dem Gewichtungsakzent kann der Sprecher die Aufmerksamkeit des Hörers auf besonders wichtige oder relevante Aspekte des jeweiligen Sachverhalts lenken und damit die Informationsstruktur der Äußerung bestimmen. Der Gewichtungsakzent markiert jeweils die für die Äußerung wichtigste Informationseinheit, den Informationskern des Vordergrundes. Bei dieser Art des Gewichtens spricht man in der Forschung zur Informationsstruktur von Fokussierung. Die verschiedenen Bereiche, auf die sich eine solche Fokussierung richten kann, werden im Abschnitt Fokussierungsbereiche behandelt.

Informationsstruktur

Als Vordergrund wird der Teil des Gesagten bezeichnet, der für den Adressaten als besonders relevant fokussiert und durch formale Mittel der kommunikativen Strukturierung hervorgehoben ist. Was nicht zum Vordergrund gehört, wird dem Hintergrund zugeordnet. Gemeinsam bilden Vordergrund und Hintergrund die Informationsstruktur einer Äußerung.

Fokussierung und Zuordnung zum Hintergrund erstrecken sich jeweils auf bestimmte funktionale Einheiten des Gesagten. Eine Hervorhebungsdomäne kann nur Ausdrücke umfassen, die funktional eine Einheit bilden wie z. B. Komplemente, der Verbalkomplex oder Attribute zu Nominalphrasen (s. auch Wortstellung und Informationsstruktur).

Wie in der Einheit Formaspekte des Gewichtungsakzentes ausgeführt wurde, hat der ungarische Satz eine festgelegte Satzakzentstelle in der Satzmitte, und zwar entweder auf dem finiten Verb selbst oder vor dem finiten Verb. Eine komplizierte Interpretationsfrage ist, wie weit sich die Hervorheungsdomäne ausstreckt. Wenn die präverbale Phrase fokussiert wird, liegt im Allgemeinen eine sog. minimale Hervorhebungsdomäne vor, d.h. die Domäne umfasst nur die akzentuierte Phrase. Dies kann mit dem sog. Fragetest nachgewiesen werden. Auf diesen Satz kann nur eine Frage gestellt werden, durch die die akzentuierte Phrase unmittelbar erfragt wird:

Beispiel: Ödipus az apját ölte meg. 'Ödipus - seinen Vater - ermordete' <— Kit ölt meg Ödipus? 'Wen ermordete Ödipus?'

Wenn aber der Satzakzent auf das Verb fällt, ist es kontextabhängig, wie weit sich die Hervorhebungsdomäne erstreckt:

Beispiel: Ödipus megölte az apját. 'Ödipus - ermordete - seinen Vater' (Die kontextabhängig unterschiedlichen Hervorhebungsdomänen werden in den nächsten Beispielen grün markiert):

Mit tett Ödipus az apjával? 'Was machte Ödipus mit seinem Vater?' —> Ödipus megölte az apját. 'Ödipus ermordete seinen Vater.'

Mit tett Ödipus? 'Was machte Ödipus?' —> Ödipus megölte az apját. 'Ödipus ermordete seinen Vater.'

Mi történt? 'Was ist geschehen?' —> Ödipus megölte az apját.'Ödipus ermordete seinen Vater.'

Mehrere unabhängige Hervorhebungsdomänen sind in einem ungarischen Satz schwierig vorstellbar. Sie können nur durch parenthetische Einschübe und Nachträge realisiert werden, die unabhängig von der Akzentuierung des Satzes eigene Gewichtungsakzente haben können. Vgl. dazu Molnár (1991: 64).

Fokussierungsbereiche

Beim Fokussieren wird jeweils eine Gewichtung vorgenommen, die zu einem je spezifischen Gegensatz zwischen Vordergrund und Hintergrund führt. Es lassen sich die folgenden drei Fälle unterscheiden.

1. Fokus auf rhematischen Gegenständen oder Sachverhalten

Als Thema wird ein Gegenstand bezeichnet, über den fortlaufend etwas gesagt wird. Als Rhema wird bezeichnet, was an einer bestimmten Stelle über ein Thema gesagt wird. Ein Thema, über das fortlaufend geredet werden kann, bildet den Ankerpunkt, die Orientierungsbasis für neue Informationen im Diskurs. Die Relevanz des Themas besteht darin, dass es als konstantes Moment im Hintergrund präsent bleibt. Rhematisiert und in den Vordergrund gestellt werden kann neben einem neuen auch ein bekannter, aber im Diskurs vorgängig nicht besprochener Gegenstand. Der Äußerung lässt sich folgende Informationsstruktur, aufgeteilt in Hintergrund und Vordergrund, zuordnen.

thematische / einmalig vorkommende Elemente
rhematische Elemente

Beispiel:

(1)
In Kölnhabeich dannmeine Frau kennengelernt.

Im Ungarischen sind Elemente des Verbalkomplexes im Allgemeinen kontinuierlich, stehen in der Reihenfolge nebeneinander. Erweiterungen des Verbs, die zum rhematischen Vordergrund gehören, stehen hinter dem Verb:

(1)
Kölnben aztánmegismertem a feleségemet.

2. Fokus auf neuem Wissen

Relevant sind Informationsgehalte, die dem vorhandenen Wissen lokal oder global hinzuzufügen sind. Dazu gehören auch Bereiche, die durch Fragen als defizitär gekennzeichnet wurden. Träger neuen Wissens werden hervorgehoben gegenüber Ausdrücken, die Bekanntes oder Thematisches transportieren. Die neuen Wissenselemente können Thema werden oder auch nicht. Als Opposition ergibt sich:

bekannte Wissenselemente
neue Wissenselemente

Beispiel:

(2)
Dann bin ichin die Küche gegangen, ins Wohnzimmer,bin ins Schlafzimmergegangen [...]

Wenn mehrere neue Wissenseinheiten im ungarischen Satz voneinander unabhängig fokussiert werden, wird dies so markiert, dass die eine Einheit an der präverbalen Fokusstelle steht, die anderen parenthetisch mit je einem eigenen Gewichtungsakzent hinzugefügt werden:

(2)
Ezutána konyhába mentem,majd a nappaliba, majd pedig a hálószobába.

Im Vordergrund erscheinen jeweils die für die Hörer neuen, relevanten Wissensanteile; thematische Elemente des Hintergrunds können unter bestimmten Bedingungen (z. B. bei paralleler syntaktischer Struktur) weggelassen werden. Der Hintergrund muss aber nicht immer sprachlich realisiert sein. In dem folgenden Beispiel aus Rundfunknachrichten bleibt der Hintergrund leer, ein für Diskursanfänge oder spontane Mitteilungen von Neuigkeiten typischer Fall.

(3) <<Unbekannte ter> <haben in der vergangenen Nacht einen Brandanschlag auf eine Gasverteilerstation in Schwandorf verübt>>.
(HR I Nachrichten, 19.1.1987, 6 Uhr, neu gesprochen)

Wenn ein Satz – wie im Beispiel 3 – nur neue, vordergründige Informationen enthält, wird er im Ungarischen mit einer gewöhnlichen Akzentstruktur realisiert (vgl. dazu die Einheit Formaspekte des Gewichtungsakzentes), wobei die wichtigste bzw. die das meiste Interesse verdienende Informationseinheit in der präverbalen satzakzentuierten Position steht. Dabei bekommt die erste Phrase häufig einen zweiten, jedoch etwas schwächeren Satzakzent (in der ungarischen Fachliteratur Topikakzent genannt):

(3) Ismeretlen tettesek az elmúlt éjszaka gyújtogatásos merényletet hajtottak végre egy gázelosztó állomás ellen Schwandorfban.

3. Fokus auf Modifikationen des Gewussten oder Erwarteten

Relevant sind Informationsgehalte, die mit vorhandenem Wissen oder Erwartungen des Adressaten kontrastieren und im Falle einer Übernahme dieser Informationsgehalte eine Umstrukturierung in seinem Wissens- und Erwartungsbereich nötig machen.

nicht-kontrastierende Wissens-/Erwartungselemente
kontrastierende Wissens-/Erwartungselemente

Beispiel:

(4)
Ich kam gerade nach Haus,ruft der Habermann an.
Und da hab ichzu ihm gesagt"Eins sag ich ihnendie Mieterhöhung [...]

Wird in einem Erzählzusammenhang gesagt, dass jemand anruft, so erwartet der Hörer zunächst zu erfahren, was der Anrufer gesagt hat, bevor dann die Antwort mitgeteilt wird. Stattdessen geht der Erzähler direkt zu dem über, was er dem Anrufer in drastischer Weise gesagt hat und was für ihn den relevanten Punkt ausmacht. Zweifellos bilden derartige Erwartungs- oder Wissenskontraste ein weites, nicht einfach für alle Fälle generalisierbares Feld. Entscheidend ist die jeweilige Sprecherperspektive auf die Hörer.

Ähnlich können auch im Ungarischen bereits bekannte bzw. erwartete Informationen dadurch fokussiert werden, dass es ausgedrückt wird, dass diese Informationen im Vergleich mit den Erwartungen einer Modifikation bedürfen. Diejenigen Informationseinheiten, deren Informationsgehalt zu ändern ist, befinden sich an der gewöhnlichen präverbalen Fokusstelle (vgl. die Einheit Formaspekte).

Wenn der Vordergrund selbst strukturiert ist, d. h. Elemente enthält, die aus unterschiedlichen Gründen, aber ohne weitere formale Differenzierungsmöglichkeit hervorgehoben werden, muss der Hörer herausfinden, welche Art von Wissensorganisation er vornehmen soll. Ist das Objekt bereits präsent, so spricht das für eine Modifizierung. Der Einsatz syntaktischer Mittel wie Platzierung im linken Außenfeld (a) und freier Thematisierungsausdruck (b) indiziert eine Vordergrundsetzung, während eine Platzierung im Vorfeld (c) oder im Mittelfeld (d) keine kontextfreie Entscheidung erlaubt.

(a) Ne Freundin von mir die hat das auch so gemacht
(b) Eine Freundin von mir sie hat das auch so gemacht
(c)Eine Freundin von mir hat das auch so gemacht
(d)Das hat eine Freundin von mir auch so gemacht

Strukturen wie (a) und (b) kann man dadurch erklären, dass mit ihnen Vordergrund-Ambiguitäten vermieden werden. Ihnen entspricht eine vorgeschaltete Informationsstruktur, die dann überschrieben wird.

Fällen wie (c, d) kann man folgende Informationsstruktur zuordnen:

Wir haben hier zwei Hervorhebungsdomänen, die funktional klar geschieden sind.

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