Phrasen
Andere Bezeichnung:
Wortgruppen, Syntagmen (italienisch: gruppo/sintagma)
Phrasen im Überblick
Phrasen oder Kombinationen von Phrasen können als unmittelbare Konstituenten des Satzes fungieren. Sie können zusammen mit dem Verbalkomplex Sätze bilden.
Die Verwendung der Lexeme Wortgruppe und Phrase ist insofern etwas ungenau, als beide intuitiv Mengen mehrerer Wortformen erwarten lassen. Grundsätzlich können Phrasen durch mehrere Elemente realisiert werden. Nominalphrasen, Pronominalphrasen, Adjektivphrasen und Adverbphrasen können aber auch aus nur einer einzigen Wortform bestehen.
Der Satz
Korrekturen sind notwendig.
besteht aus einer Verbform und aus zwei Phrasen, einer Nominalphrase und einer
Adjektivphrase, die je aus nur einem Element bestehen, dem Nomen bzw. dem Adjektiv.
Das
Nomen und das Adjektiv sind die Grundelemente - die sog. Köpfe - der jeweiligen Phrasen.
Phrasen sind über ihren Kopf hinaus prinzipiell ausbaufähig:
Korrekturen sind notwendig.
Die
Korrekturen sind notwendig.
Die meisten Korrekturen sind notwendig.
Die meisten
Korrekturen an den Reformen sind notwendig.
Die meisten Korrekturen an den Reformen sind
sehr notwendig.
Phrasen sind nicht nur beliebige Folgen von Wortformen. Phrasen sind Wortgruppen, deren Elemente syntaktisch und semantisch funktional zusammengehören, eine Einheit bilden und bestimmten syntaktischen Regeln folgen.
- Phrasen mit dem gleichen lexikalischen Kopf werden als Phrasen eines bestimmten Typs kategorisiert. Die Wortart des Kopfes gibt der Phrase ihren spezifischen Namen.
- Phrasen desselben Typs können koordiniert werden.
- Phrasen enthalten kein finites Verb als lexikalischen Kopf.
- Phrasen können auch als Teile anderer Phrasen vorkommen.
- Phrasen können - sofern sie nicht Teil anderer Phrasen sind - alleine das Vorfeld besetzen.
Syntaktische Eigenschaften von Phrasen
Phrasen sind zentrale Einheiten des syntaktischen Formaufbaus unterhalb der Satzgrenze.
Folgende Kriterien gelten für Phrasen:
Phrasen können untereinander zu übergeordneten Phrasen kombiniert werden (Phrasen können Bestandteil anderer Phrasen sein):
oder zusammen mit dem Verbalkomplex zu Sätzen kombiniert werden:
[Das Grammatikseminar der letzten Woche] musste ausfallen.
Phrasen als unmittelbare Konstituenten des Satzes sind topikalisierbar, d. h. sie können im Aussagesatz im Vorfeld stehen:
Topikalisierung:
Die Nominalphrase erklärte die Dozentin während der
Seminarsitzung.
Während der
Seminarsitzung erklärte die Dozentin die
Nominalphrase.
Sie sind als unmittelbare Konstituenten des Satzes als ganzes verschiebbar (permutierbar), austauschbar (kommutierbar) und koordinierbar:
Verschiebung
(Permutation):
Die Dozentin erklärte während der Seminarsitzung die Nominalphrase.
Während der Seminarsitzung
erklärte die Dozentin die Nominalphrase.
Die Dozentin erklärte die
Nominalphrase während der Seminarsitzung.
Austauschbarkeit
(Kommutation):
Die Dozentin erklärte während der Seminarsitzung die Nominalphrase.
Die Dozentin erklärte in der
Vorlesung die Nominalphrase.
Die Dozentin
erklärte zu Hause die
Nominalphrase.
Die Dozentin
erklärte während der Seminarsitzung die Nominalphrase.
Sie erklärte
während der Seminarsitzung die Nominalphrase.
Der Student aus dem zweiten Semester erklärte während der Seminarsitzung die Nominalphrase.
Koordination:
Die Dozentin
erklärte während der Seminarsitzung die Nominalphrase und
die Präpositionalphrase.
Der Student und
die Dozentin erklärten während der Seminarsitzung die
Nominalphrase.
Die Dozentin erklärte während der Seminarsitzung und in der Vorlesung die
Nominalphrase.
Durch diese vier Verfahren sind die Grenzen der Phrasen - sofern sie unmittelbare Konstituenten des Satzes sind - leicht feststellbar.
Die unterschiedlichen Arten von Phrasen werden nach der Wortart ihres jeweiligen lexikalischen Kopfs benannt:
Nominalphrase: die
roten Schuhe
Pronominalphrase: er mit seinen ewigen Bedenken
Präpositionalphrase: an der alten Brücke
Adjunktorphrase: wie ein Verrückter
Adjektivphrase: recht
berühmt
Adverbphrase:
dort hinten
Der lexikalische Kopf kann Formmerkmale anderer Elemente der Phrase steuern. Der Kopf der Nominalphrase, das Nomen Schuhe regiert z. B. das Genus (Maskulin) des Artikels und des Adjektivs, und es besteht Kongruenz in Numerus (Plural) und Kasus (Nominativ/Akkusativ) zwischen Nomen, Artikel und Adjektiv in:
Die Präposition an regiert in der folgenden Präpositionalphrase den Kasus (Dativ) von Artikel, Adjektiv und Nomen der dem Kopf folgenden Nominalphrase:
Phrasen haben im Satzzusammenhang unterschiedliche syntaktische Funktionen. Sie können fungieren als Komplemente:
Die roten Schuhe müssen repariert
werden.
Claudia wohnt an der alten Brücke.
Er mit seinen
ewigen Bedenken kommt ganz gut zurecht.
Das Haus liegt dort
hinten.
und als Supplemente:
An der alten Brücke ist die Touristenkonzentration
enorm.
Recht berühmte Schriftsteller wohnten im kleinen Haus an der
alten Brücke.
Kurz davor hat er noch alles gewusst.
Semantisch-funktionale Eigenschaften von Phrasen
In der Nominalphrase und der Pronominalphrase wird - insofern sie aus mehreren Elementen bestehen - der Kopf der Phrase, nämlich das Nomen oder das Pronomen spezifiziert:
Theorien der Sprachwissenschaft
der 20er Jahre
jene vom
Institut für Deutsche Sprache
Mit Präpositionalphrasen können semantische Relationen beschrieben werden. Die in Beziehung gesetzten Sachverhalte werden durch ein Nomen innerhalb der Präpositionalphrase und ein Nomen außerhalb der Präpositionalphrase ausgedrückt:
Das Buch liegt unter dem Manuskript
Die Adjunktorphrase hat prädikative oder spezifizierende Funktion:
Das ist wie im richtigen
Leben.
Er als ihr bester
Freund.
Auch Adjektivphrasen haben prädikative oder spezifizierende Funktionen:
Sie ist recht berühmt.
der angeblich bayrische Bundeskanzler
Adverbphrasen spezifizieren Sätze, andere Phrasen oder den Verbalkomplex:
Satz: Immer sonntags
geht er auf den Fußballplatz.
Phrase:
Die Wohnung oben ist
unbewohnt.
Verbalkomplex: Sie
denkt überhaupt nicht gerne an
ihn.