Tempus
it. tempo
Die Kategorisierung Tempus im verbalen Paradigma umfasst im Deutschen die Kategorien Präsens, Präteritum, Futur, Präsensperfekt, Präteritumperfekt und Futurprerfekt. Die sechs Tempora bilden zusammen ein System zur sprachlichen Darstellung zeitlicher Zusammenhänge in der Kommunikation. Außer den Tempora – und damit als grammatisches Mittel außerhalb des Tempus-Systems – können Adverbialia (z. B.: im letzten Jahr) und Nominalphrasen (z. B.: die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten) zur zeitlichen Einordnung von Sachverhalten beitragen.
Wenn wir hier von Zeit sprechen, befinden wir uns auf unsicherem Terrain. 'Zeit' ist ein polysemer Begriff im Deutschen. Einerseits meinen wir damit alltagssprachlich die Spanne zwischen zwei Punkten, die in ihrer Dauer gemessen werden kann, oder einen mehr oder minder festgelegten Zeitraum, andererseits bezeichnen wir mit 'Zeit' bzw. 'Zeiten' ein grammatisches Phänomen. Mit der grammatischen Zeit 'Tempus' bzw. 'Tempora' sind wir in der Lage, Handlungen und Sachverhalte, die wir sprachlich beschreiben und vermitteln, auf einer Zeitschiene relativ zum Zeitpunkt der Äußerung anzuordnen. Um die Polysemie aufzulösen, werden wir künftig bei der Beschreibung des grammatischen Phänomens nur noch die Begriffe 'Tempus' bzw. 'Tempora' verwenden. Ähnlich halten wir es mit den alltagssprachlichen Begriffen Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit versus den grammatischen Termini 'Präsens', 'Futur' und 'Präteritum'.
Der Begriff tempo trägt auch im Italienischen eine mehrdeutige Semantik. Einerseits bezeichnet er die physikalische Zeit, das heißt die auf die Weltereignisse bezogene, messbare Spanne zwischen zwei Zeitpunkten bzw. einen x-beliebigen Zeitraum (Di quanto tempo hai bisogno per vestirti?/ Oggi ho poco tempo; Wie viel Zeit brauchst du zum Anziehen?/ Heute habe ich wenig Zeit). Andererseits bezieht er sich als tempo linguistico (wie im Deutschen) auf ein System von Zeitbezügen, die über morphologische Mittel am Verb kenntlich gemacht werden (vgl. Renzi/Salvi/Cardinaletti 2001, Bd. 2:14): tempo presente, passato, futuro.
Außerdem ist tempo im Italienischen auch die Bezeichnung für das Wetter (in gennaio c'è stato cattivo tempo; im Januar war das Wetter schlecht).
Ebenfalls polysemisch sind im Italienischen die Substantivierungen presente, passato und futuro, die sowohl für den alltäglichen kommunikativen Gebrauch (il nostro presente, il passato dell'Italia, il futuro dei giovani; unsere Gegenwart, Italiens Vergangenheit, die Zukunft der jungen Leute), als auch für die gleichnamigen grammatischen Tempora verwendet werden.
Die Kategorisierung Tempus umfasst im indikativischen Paradigma des Italienischen die folgenden Kategorien: presente, passato remoto, imperfetto, futuro semplice, passato prossimo, trapassato remoto, trapassato prossimo, futuro anteriore, zu deren Erläuterung auf den konstrastiven Kommentar der Einheit Formenbestand des deutschen Tempussystems verwiesen wird.
Verbformen unterschiedlicher Art bringen das jeweilige Tempus zum Ausdruck. Die
Tempusform bezieht sich jedoch nicht nur auf das Verb bzw. die Verben sondern auf den ganzen Satz.
Ausnahmen gibt es auch hier:
Außerhalb des
Skopus (des Geltungsbereichs) des Tempus
können unterschiedliche lexikalische Elemente liegen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel war von 1990 bis 1994 Bundesministerin für Frauen und Jugend.
Bundeskanzlerin als Bezeichnung von Angela Merkel muss außerhalb des
Skopus des Präteritums liegen, da die Betrachtzeit
zwischen 1990 und 1994 liegt und da war Angela Merkel nachweislich nicht Bundeskanzlerin.
Neben den Verbalmorphemen können auch andere Wortschatzeinheiten bzw. Wortgruppen in Funktion des
Temporaladverbiales die Aufgabe übernehmen, Zeiteinordnungen und Zeitbezüge auszudrücken:
Morgen fährt sie zum G8-Gipfel nach Paris.
In zehn Jahren hat das Ministerium das Projekt abgeschlossen.
Die Thematische Einheit Tempus wird unter drei Gesichtspunkten betrachtet.
Der erste Teil besteht aus einer Beschreibung des Formenbestandes des Tempussystems. Der Formenbestand besteht im Deutschen aus finiten und infiniten Verbformen, dabei müssen synthetische und analytische Bildungen unterschieden werden.
Die Wirtschaftskrise bewirkt ein Umdenken.
Die Wirtschaftskrise bewirkte ein Umdenken.
Die Wirtschaftskrise wird ein Umdenken bewirken.
Die Wirtschaftskrise hat ein Umdenken bewirkt.
Die Wirtschaftskrise hatte ein Umdenken bewirkt.
Die Wirtschaftskrise wird ein Umdenken bewirkt haben.
Ein besonderes Gewicht liegt bei der Beschreibung des Formenbestands auf den Perfektformen. Die Perfektformen stehen im Vordergrund, weil sie als zusammengesetzte Formen einen größeren Formenbestand aufweisen als die einfachen Tempora. Bei der Bildung dieser analytischen Formen muss immer entschieden werden, welches der beiden Hilfsverben haben oder sein verwendet werden muss. Es gibt Kriterien für die Wahl des Hilfsverbs. Nicht immer sind sie jedoch vollkommen trennscharf.
Der zweite Teil widmet sich der Bedeutung
der Tempora. Wurde im ersten Teil die Ausdrucksseite der verschiedenen Tempora
beschrieben, so geht es bei der Bedeutungsbeschreibung darum, wie die einzelnen Tempora
interpretierbar sind. Es soll klar werden, welche Funktionen die Tempora in der verbalen
Kommunikation haben.
Wesentlich ist unseren Überlegungen, sowohl bei der allgemeinen
Betrachtung der Bedeutung der Tempora als auch bei der Betrachtung der einzelnen Tempora im dritten
Teil der Einheit Tempus, dass Zeit immer relativ ausgedrückt wird.
Der dritte Teil befasst sich mit den einzelnen Tempora. Wir beschreiben darin neben den spezifischen Merkmalen des Ausdrucks die unterschiedlichen Funktionen der einfachen und zusammengesetzten Tempora und z. B. auch die spezifischen Unterschiede der beiden Vergangenheits-Tempora Präteritum und Präsensperfekt.
Mit den neuen Bezeichnungen 'Präsensperfekt' für Perfekt, 'Präteritumperfekt' für Plusquamperfekt und 'Futurperfekt' für Futur II wird der Bedeutung der zusammengesetzten Zeiten (z. B. Präsensperfekt: Hilfsverb im Präsens + Partizip Perfekt) Rechnung getragen.