Informationsstruktur des Vorfeldes
Das Vorfeld enthält typischerweise eine informationelle Einheit (1), die aber syntaktisch nicht immer durch nur eine funktionale Komponente besetzt sein muss (2). Eine Informationseinheit ist immer auch eine intonatorische Einheit (3). So können mehrere Stellungseinheiten im Vorfeld unter nur einem Akzent zu einer informationellen Einheit zusammengefasst werden (4).
Das Vorfeld ist nicht nur eine bestimmte syntaktische Position, sondern übernimmt zugleich eine bestimmte Rolle bzw. bestimmte Rollen in der Informationsstruktur also bei der kommunikativen Gewichtung eines Satzes. Der wichtigste Aspekt der kommunikativen Gewichtung ist die Gliederung von Sätzen in Hintergrundinformation und Vordergrundinformation. Das Vorfeld kann beide Informationstypen enthalten.
Bei unmarkierter Informationsgliederung allerdings finden sich im Vorfeld die Hintergrundinformationen. In der Regel entspricht diese unmarkierte Variante in der „funktionalen Satzperspektive“ der Thema-Rhema-Gliederung.
Hintergrundinformation
Das Vorfeld ist die bevorzugte Stelle für Hintergrundinformationen, besonders wenn Vordergrundinformationen aus dem vorhergehenden Satz mit deiktischen (5), anaphorischen Ausdrücken (6) oder Nominalisierungen (7) wieder aufgenommen werden:
Diese Vorfeldbesetzung ist dazu geeignet, neue Gegenstände einzuführen, ein bekanntes Thema fortzuführen und den thematischen Anschluss an das Vorangegangene herzustellen. Typische Ausdrücke sind dabei Eigennamen, Possessiv-Artikel + Nomina, Demonstrativ-Pronomina, anaphorische Personalpronomina, Formen der Anadeixis etc.
Es können auch Vordergrund-Einheiten, die normalerweise im Mittelfeld bzw. am Ende des Mittelfeldes stehen, ins Vorfeld gesetzt werden und werden dadurch als zum Hintergrundwissen gehörig gekennzeichnet:
Die Hintergrundinformation hat auf der Textebene eine themenbezogene Funktion. Das Vorfeld fungiert dann z. B. als thematischer Anschluss an den Vortext wie in (5-8) und im folgenden Beispiel:
Wie in (6) und (9) bildet sehr häufig das Subjekt den thematischen Anschluss an den Vortext. Oft wird aber auch im Vorfeld durch Satzadverbialia ein situativer Rahmen gesetzt, in dem der zu thematisierende Sachverhalt zu sehen ist:
Eine besondere Form der Theamtisierung kann durch die Aufspaltung quantifizierter Nominalphrasen erreicht werden:
Vordergrundinformation
Zur Hervorhebungsstelle kann das Vorfeld werden, wenn Teile des Verbalkomplexes (14), andere Komplemente als das Subjekt (15, 16) oder Infinitverbindungen (17) mit Akzentuierung dorthin gerückt werden. Mit dieser Topikalisierung wird ein für den Sprecher wichtiger bzw. der wichtigste Teil der Aussage an den Anfang des linearen Rezeptionsvorgangs gestellt. Oft dient die Hervorhebung der Aufmerksamkeitssteuerung oder der Kontrastierung. Dieses Verfahren findet häufig in Zeitungstexten bzw. Schlagzeilen Anwendung. In der gesprochenen Sprache wird die Hervorhebungsstelle durch einen Gewichtungsakzent markiert:
Fragewörter bei Ergänzungsfragen besetzen das Vorfeld und erfragen Vordergrundinformationen, die Defizite im Wissen des Sprechers ausgleichen sollen.
Zur Widerlegung der verbreiteten Annahme, Vorfeldstellung diene zur "Hervorhebung" (im
Sinne von Fokussierung) der entsprechenden Phrase, sei Folgendes gesagt:
–
Hervorhebung am Satzanfang wird - zumal in der geschriebenen Sprache – meistens lexikalisch,
durch eine Fokus- bzw. Gradpartikel markiert:
Und ausgerechnet heute musste der verfluchte Bus zu spät
kommen. [http://www.kurzgeschichten.de/vb/archive/index.php?t-24930.html,
23.05.2006]
Gerade aus Angst vor dem demografischen Wandel halten
sich Bauunternehmen mit Neubauprojekten schon seit Jahren eher zurück.
[http://www.focus.de/immobilien/kaufen/tid-18744/immobilien-trends-auf-dem-immobilienmarkt_aid_522283.html,
02.02.2011]
In diesem Fall markiert das Französische die fokussierte Komponente durch die cleft-Konstruktion c'est x que.
- Eine thematische Konstituente, die ohne lexikalische oder prosodische Markierung das Vorfeld besetzt, dient zwar zum Ausgangspunkt der Äußerung, wird aber nicht fokussiert:
Damals, in der Ukraine, konnte sie die Großeltern jeden Sonntag besuchen.
- Auch die Topikalisierung eines rhematischen Komplements bewirkt keine Hervorhebung. Eine solche Topikalisierung geht vielmehr einher mit der Fokussierung einer weiteren Komponente, die sich in der Regel am rechten Rand des Mittelfelds befindet:
Nun ja, nach Hause fuhren wir selbstverständlich mit neuem Hund im Gepäck. [http://www.beepworld.de/members33/littlewilly/okie1.htm, September 2002]
Dies gilt ebenfalls für die Topikalisierung von infiniten Verbalkomplexteilen, (eventuell zusammen mit einem Komplement):
Geboren ist Hautzinger in Frankenbach bei Heilbronn, Psychologie studiert hat er in Bochum [...]. Promoviert hat er an der Technischen Universität Berlin über "Depressive und ihre Sozialpartner", habilitiert hat er sich in Konstanz zum Thema "Bewältigung von Belastungen". [http://www.uni-tuebingen.de/uni/qvo/at/gesichter/text/hautz.html, 17.10.1996]
Das Französische markiert fokussierte Komponenten durch die Konstruktion c'est x que.