Phrasen
Andere Bezeichnung:
Wortgruppen (vgl. französisch: groupes syntaxiques)
Phrasen im Überblick
Phrasen oder Kombinationen von Phrasen können als unmittelbare Konstituenten des Satzes fungieren. Sie können zusammen mit dem Verbalkomplex Sätze bilden.
Die Verwendung der Lexeme Wortgruppe und Phrase ist insofern etwas ungenau, als beide intuitiv Mengen mehrerer Wortformen erwarten lassen. Grundsätzlich können Phrasen durch mehrere Elemente realisiert werden. Nominalphrasen, Pronominalphrasen, Adjektivphrasen (bzw. Partizipialphrasen) und Adverbphrasen können aber auch aus nur einer einzigen Wortform bestehen.
Der Satz
Korrekturen sind notwendig.
besteht aus einer Verbform und aus zwei Phrasen, einer Nominalphrase und einer
Adjektivphrase, die je aus nur einem Element bestehen, dem Nomen bzw. dem Adjektiv.
Das
Nomen und das Adjektiv sind hier die Grundelemente - die sog. Köpfe - der jeweiligen
Phrasen.
Phrasen sind über ihren Kopf hinaus prinzipiell ausbaufähig:
Korrekturen sind notwendig.
Unsere
Korrekturen sind notwendig.
Die meisten Korrekturen sind notwendig.
Die meisten
Korrekturen an den Reformen sind notwendig.
Die meisten Korrekturen an den Reformen sind
unbedingt notwendig.
Phrasen sind nicht nur beliebige Folgen von Wortformen. Phrasen sind Wortgruppen, deren Elemente syntaktisch und semantisch-funktional zusammengehören, eine Einheit bilden und bestimmten syntaktischen Regeln folgen.
Die Bezeichnung "Kopf" deutet nicht auf eine bestimmte Position innerhalb der Phrase hin. Je nach Phrasentyp kann der Kopf nach beiden Seiten oder nur nach rechts bzw. nur nach links erweitert sein.
wie ein Dummkopf (AJKP)
ein großer
Dummkopf (NP)
In manchen Phrasen besteht der Kopf aus zwei voneinander getrennten Elementen:
von der Brücke her; um den heißen Brei herum (PP)
In Fällen, in denen er unmissverständlich aus dem Zusammenhang hervorgeht, ist der Kopf weglassbar:
Was halten Sie von diesen Korrekturen an den Reformen? Die
meisten (Korrekturen) sind unbedingt notwendig.
Ich habe
Apfelkuchen gebacken, möchtest du ein Stück? Gern, aber ich nehme nur ein ganz
kleines (Stück).
- Phrasen sind funktional selbständige Wortgruppen aus einem oder mehreren Elementen mit einem Kopf.
- Phrasen, deren Kopf der gleichen Wortart angehört, werden als Phrasen eines bestimmten Typs kategorisiert. Die Wortart des Kopfes gibt der Phrase ihren spezifischen Namen.
- Phrasen enthalten kein finites Verb als lexikalischen Kopf.
- Phrasen können auch als Teile anderer Phrasen vorkommen.
- Phrasen können - sofern sie nicht Teil anderer Phrasen sind - alleine das Vorfeld besetzen (vgl. Topikalisierung).
Syntaktische Eigenschaften von Phrasen
Phrasen sind zentrale Einheiten des syntaktischen Formaufbaus unterhalb der Satzgrenze. Sie können untereinander durch Hierarchisierung zu übergeordneten Phrasen kombiniert werden (Phrasen können Bestandteil anderer Phrasen sein):
Folgende Kriterien gelten für Phrasen:
oder zusammen mit dem Verbalkomplex zu Sätzen kombiniert werden:
[Das Grammatikseminar der letzten Woche] musste ausfallen.
Durch die folgenden vier Verfahren bzw. Tests sind die Grenzen der Phrasen - sofern sie unmittelbare Konstituenten des Satzes sind - leicht feststellbar.
Phrasen als unmittelbare Konstituenten des Satzes sind topikalisierbar, d. h. sie können im Aussagesatz im Vorfeld stehen:
Topikalisierung:
Die Nominalphrase erklärte die Dozentin
während der Seminarsitzung.
Während der
Seminarsitzung erklärte die Dozentin die
Nominalphrase.
Sie sind als unmittelbare Konstituenten des Satzes als ganzes verschiebbar (permutierbar), austauschbar (kommutierbar) und koordinierbar:
Permutation:
Die Dozentin
erklärte während der Seminarsitzung die Nominalphrase.
Während der
Seminarsitzung erklärte die Dozentin die Nominalphrase.
Die Dozentin erklärte die Nominalphrase
während der Seminarsitzung.
Kommutation:
Die Dozentin
erklärte während der Seminarsitzung die Nominalphrase.
Die Dozentin erklärte in der Vorlesung die
Nominalphrase.
Die Dozentin erklärte dort die Nominalphrase.
Die Dozentin
erklärte während der Seminarsitzung die Nominalphrase.
Sie erklärte
während der Seminarsitzung die Nominalphrase.
Ein Student aus dem zweiten Semester erklärte während der Seminarsitzung die Nominalphrase.
Koordination:
Die Dozentin
erklärte während der Seminarsitzung die Nominalphrase und
die Präpositionalphrase.
Der Student und
die Dozentin erklärten während der Seminarsitzung die
Nominalphrase.
Die Dozentin erklärte während der Seminarsitzung und in der Vorlesung die
Nominalphrase.
Die unterschiedlichen Arten von Phrasen werden nach der Wortart ihres jeweiligen lexikalischen Kopfes benannt:
Nominalphrase: die
roten Schuhe
Pronominalphrase: er mit seinen ewigen Bedenken
Präpositionalphrase: an der alten Brücke
Adjunktorphrase: wie ein Verrückter
Adjektivphrase: recht
berühmt // Partizipialphrase: Bier trinkend
Adverbphrase:
knapp daneben
Der lexikalische Kopf kann Formmerkmale anderer Elemente der Phrase steuern. Zum Beispiel ist in der Nominalphrase die Kasus- und Numerusmarkierung durch die Wahl des Nomens vorgegeben, und es besteht Kongruenz in Numerus (Plural) und Kasus (Nominativ/Akkusativ) zwischen Nomen, Artikel und Adjektiv in:
Die Präposition an regiert in der folgenden Präpositionalphrase den Kasus (Dativ) der dem Kopf folgenden Nominalphrase:
Phrasen haben im Satzzusammenhang unterschiedliche syntaktische Funktionen. Sie können fungieren als Komplemente:
Die roten Schuhe müssen repariert
werden.
Claudia wohnt an der alten Brücke.
Er mit seinen
ewigen Bedenken kommt ganz gut zurecht.
Die Antwort ist knapp
daneben.
und als Supplemente:
An der alten Brücke ist die Touristenkonzentration enorm.
Kurz davor hat er noch alles gewusst.
Als solche Komplemente und Supplemente sind sie primäre Komponenten des Satzes. Sie können auch als sekundäre Komponenten fungieren:
Die Hoffnung auf bessere Zeiten erwies sich als pure Illusion.
Recht berühmte Schriftsteller wohnten in dem kleinen Haus an der
alten Brücke.
Semantisch-funktionale Eigenschaften von Phrasen
In der Nominalphrase und der Pronominalphrase wird - insofern sie aus mehreren Elementen bestehen - der Kopf der Phrase, nämlich das Nomen oder das Pronomen spezifiziert:
Theorien der Sprachwissenschaft
der 20er Jahre
jene vom
Institut für Deutsche Sprache
Mit Präpositionalphrasen werden Relationen ausgedrückt zwischen den Nomen innerhalb der Präpositionalphrase und Nomen außerhalb der Präpositionalphrase:
Das Buch liegt unter dem Manuskript.
Die Adjunktorphrase hat prädikative oder spezifizierende Funktion:
Das ist wie im richtigen
Leben.
Ein Kerl wie dieser ist
bestens geeignet/Er als großer Schauspieler ist bestens
geeignet.
Auch Adjektivphrasen haben prädikative oder spezifizierende Funktionen:
Sie ist recht berühmt.
die
angeblich verreiste Bundeskanzlerin
Adverbphrasen spezifizieren Sätze, andere Phrasen oder die Verbgruppe:
Satz: Immer sonntags geht er auf den
Fußballplatz.
Phrase: Die Wohnung oben ist unbewohnt.
Verbgruppe: Sie
denkt überhaupt nicht gerne an
ihn.
Phrasentypen
- Nominalphrase (NP): Klaus; der Germanistikstudent; die ungeheuer große Belastung der heutigen Studierenden an unserer Universität
- Pronominalphrase (PROP): er; er mit seinen Hirngespinsten
- Präpositionalphrase (PP): auf dem Tisch; von hinten; von der Brücke her
- Adjunktorphrase (AJKP) : als guter Mensch; wie ein Dummkopf
- Adjektivphrase (ADJP): gut; sehr gut; mit allem zufrieden
- Partizipialphrase (PARTP): in seinen Gedanken verloren
- Adverbphrase (ADVP): dort; dort hinten; damals nach dem Krieg