Nominalphrase
Andere Bezeichnungen:
Nominalgruppe (vgl. französisch: groupe nominal), Substantivphrase
Nominalphrase im Überblick
Kopf einer Nominalphrase ist ein Nomen. Der Kopf ist auf unterschiedliche Arten ausbaufähig.
Nominalphrasen sind mehr oder weniger komplexe, hierarchisch strukturierte Ausdruckseinheiten.
Nominalphrasen können als Ausdruckseinheiten unmittelbare Konstituenten des Satzes sein.
Die typische Nominalphrase besteht aus einem Nomen - dem Kopf der Nominalphrase (vgl. frz.: base, noyau, tête) - und aus möglichen, aber syntaktisch nicht notwendigen unterschiedlichen attributiven (d. h. determinierenden) Erweiterungen nach links und/oder nach rechts. Eingeleitet wird sie durch einen Artikel:
Das Fest fand gestern statt.
Das wundersame Fest fand gestern statt.
Das
wundersame Fest anlässlich seiner Wahl fand gestern statt.
Das wundersame Fest, das anlässlich seiner Wahl ausgerichtet wurde, fand
gestern statt.
In Schlagzeilen kommt eine attributiv erweiterte Nominalphrase besonders oft ohne Artikel vor:
Britisches Erfolgsrezept soll Europa retten.
(Die Welt, 12.06.2005)
Parlament soll Schutz behalten.
Als minimalste Ausdrucksform kann die Nominalphrase nur aus dem lexikalischen Kopf bestehen, z. B. wenn dieser entweder ein Eigenname:
Franz geht.
oder ein konkreter Gattungsname:
Stahl wird aus Eisen hergestellt.
Sammelname:
Obst ist gesund und hat sehr viele Vitamine.
oder die artikellose Pluralform eines Gattungsnamens:
Grammatiken sind dick.
oder ein abstrakter Gattungsname ist:
Geduld ist eine seiner Stärken.
Der Nullartikel im Deutschen erfüllt meistens die gleiche Funktion wie der französische Teilungsartikel, z. B.:
Ich trinke Ø Bier: je bois de la
bière
Haben Sie Ø Kinder?: Avez-vous des
enfants?
Der Nullartikel im Deutschen bezeichnet aber auch häufig die Gesamtheit einer Menge. In diesem Fall steht im Französischen der bestimmte Artikel:
Ø Bier macht dick: la bière fait
grossir
Ich mag Ø Kinder: j’aime les
enfants
Ø Grammatik ist faszinierend: la
grammaire est fascinante
morphologische Eigenschaften
Die Ausdruckseinheit Nominalphrase kann minimal durch ihren lexikalischen Kopf, einem
Nomen, realisiert werden.
Das Nomen kann ein Eigenname oder ein konkreter bzw. abstrakter
Gattungsname sein. Die typischste Realisierungsform der Nominalphrase ist jedoch die Verbindung von
Artikel und Nomen. Dabei sind in der Position des
Artikels - nämlich vor dem Nomen - alle Subklassen der Wortart Artikel möglich:
Definiter Artikel | das Fest |
Indefiniter Artikel | ein Fest |
Possessiv-Artikel | unser Fest |
Demonstrativ-Artikel | dieses Fest |
W-Artikel | welch' Fest / welches Fest |
Quantifikativ-Artikel | jedes Fest |
Nullartikel | Ø Feste |
ein-, kein- und die Possessiv-Artikel (mein, dein, sein, ihr, unser, euer, ihr) weisen im Nominativ Maskulinum und Neutrum und im Akkusativ Neutrum das Nullmorphem Ø auf: einØ Wagen; unserØ Haus; für ihrØ Kind
weitere Erweiterungsmöglichkeiten
Ausbaufähig sind Nominalphrasen auf vielfältige Weise:
Erweiterungen links vom Kopf (dem Nomen vorangestellt; vgl. frz.: expansions à gauche de la base )
Erweiterung durch ein oder mehrere Adjektive bzw. eine Adjektivphrase:
Während
sich die verschiedenen Artikeltypen auf die ganze Phrase beziehen, fungiert das Adjektiv als
Attribut zum Nomen. Der Kopf der attributiv verwendeten Adjektivphrase nimmt an der Flexion der
gesamten Nominalphrase teil. (Wenn in solchen Fällen ein indefiniter Artikel (ein,
kein) oder ein Possessiv-Artikel die Nominalphrase einleitet, dann wird im Nominativ
Maskulinum und Neutrum und im Akkusativ Neutrum das Flexionsmorphem von dem erweiternden Adjektiv
getragen: einØ neuer Wagen; einØ
blondes Mädchen.)
Das Genus ist eine
Paradigmenkategorie des Nomens. Die Wahl des Nomens
bedingt die Kasus- und Numerusmarkierung der gesamten Nominalphrase, die allerdings nicht nach
rechts über den Kopf hinaus reicht. Es besteht Kongruenz
in Numerus und Kasus zwischen Nomen, Artikel und Adjektiv.
Erweiterungen (mit oder ohne Artikel) durch | |
Adjektivphrase | schöne Bäume schöne kleine Bäume diese exotischen Bäume zehn Meter hohe Bäume |
Partizipialphrase | frisch gepflanzte Bäume |
Eine Nominalphrase kann im Wirkungsbereich einer Fokuspartikel stehen:
insbesondere die kleinen Bäume
Erweiterung durch eine vorangestellte Nominalphrase im Genitiv (vgl. frz.: génitif saxon):
Peters Hoffnungen
Mutters
Apfelkuchen
Formal typisch für Eigennamen im Deutschen ist die Bildung des Genitiv Singular mit -s: Josefs Brüder; Annas Schicksal; Berlins Museen; Matthias’ neue Freundin.
Titel-, Verwandtschafts- und Funktionsbezeichnungen ohne Artikel stehen als Erweiterung vor dem Kopf der Nominalphrase:
Herr Helmut Schmidt, Genosse Helmut Schmidt, Dr. Helmut Schmidt, Abteilungsleiter Dieter Schmidt
Steht ein Artikel vor der Titel-, Verwandtschafts- und Funktionsbezeichnung, dann übernimmt diese die Rolle des Kopfes. Dies wird besonders deutlich mit einem Adjektiv:
der frühere Ableitungsleiter Dieter Schmidt
Abweichungen vom Französischen:
Ø Kaiserin Katharina II.: l’Impératrice Catherine II
Erweiterungen rechts vom Kopf (vgl. frz.: expansions à droite de
la base)
Dem lexikalischen Kopf nachgestellt können Attribute unterschiedlichster Art sein:
Nominalphrasen im Genitiv | die Macht des Staates |
Adverbphrasen | der Herr hier die Dame dort hinten |
Präpositionalphrasen | das Haus auf dem Berg |
Adjektivphrase | die Abteilungsleiterin, freundlich und kompetent * |
Relativsatz | eine Firma, die gute Gewinne macht |
Adjunktorphrase | der Bundeskanzler als Privatmensch |
Infinitivkonstruktion (mit zu) | der Wunsch, in Urlaub zu fahren |
Subjunktorsatz | die Frage, ob wir mitfahren sollen |
* Im Gegensatz zum Französischen bleibt das nachgestellte Adjektiv im Deutschen unflektiert.
Bei Mehrgliedrigkeit der NP erweist sich die Abfolge der jeweiligen Erweiterungen links bzw. rechts vom Kopf ‚streng’ geregelt und hängt sowohl von der Form als auch von der syntaktischen Funktion der betreffenden Erweiterung ab. Traditionell werden dabei 6 Stellungsfelder angenommen; sind alle Felder der NP besetzt, dann ergibt sich folgendes Linearisierungsmuster:
Artikel | attributive Linkserweiterung (Adjektiv- bzw. Partizipialphrase) | Kopf | Nominalphrase im Genitiv | Präpositionalphrase/ Adverbphrase | Relativsatz/ Infinitivkonstruktion mit zu /Nebensatz |
Hans trinkt nur das garantiert reine Wasser einer bestimmten Quelle, das er selbst in Flaschen füllt.
Der lange Brief des Jungen an seine kranke Mutter, der voller Mitgefühl war, trug zur ihrer Genesung bei.
syntaktische Eigenschaften
Nominalphrasen können als Ausdruckseinheiten unmittelbare Konstituenten des Satzes sein:
Das Fest gefiel allen Teilnehmern.
Dann können sie in ihrer syntaktischen Funktion als Komplemente und als Supplemente
gebraucht werden. Als Komplemente und Supplemente sind Nominalphrasen
primäre Komponenten des
Satzes.
Komplemente der unterschiedlichsten
Komplementklassen kommen dabei in Frage:
Ksub | Das Institut besteht seit mehreren Jahren. |
Kakk | Sie bereiten das wundersame Fest vor. |
Kgen | Sie entsann sich der Erklärungen. |
Kdat | Der Mandant schenkt dem Anwalt volles Vertrauen. |
Ksit | Das Seminar beginnt diesen Dienstag. |
Kdil | Er schlief drei Tage und Nächte durch. |
KPRD | Sie sind Studentinnen im dritten Semester. |
Als Nomen-Komplemente können Nominalphrasen Teile komplexer Nominalphrasen sein, wenn der Kopf der komplexen Nominalphrase aus einem deverbalen Nomen besteht und die Valenzeigenschaften des Verbes übernimmt, von welchem er abgeleitet ist. Dies betrifft allerdings nur die Anzahl, nicht die Kasuszuweisungen der angebundenen Komplemente.
Nomen-Komplemente | Verb-Komplemente |
Brunos Ausarbeitung der Nominalphrase ist umfangreich. | Bruno arbeitet die Nominalphrase umfangreich aus. |
Die Hoffnung der Regierung auf verbesserte Beziehungen erwies sich als pure Illusion. | Die Regierung hoffte auf verbesserte Beziehungen. |
Als Supplemente können sie Satzadverbialia oder Nomen-Supplemente sein:
Satzadverbiale | Eines Morgens dachte er nicht mehr nach. |
Nomen-Supplement | der Schatten des Körpers des Kutschers |
semantisch-funktionale Eigenschaften
Mit Nominalphrasen wird im sprachlichen Kontext auf Gegenstände und Sachverhalte referiert. Steht ein Artikel vor dem Kopf, dann bewirkt er eine Determination des letzteren. Attributive Erweiterungen durch Adjektive oder durch genitivische Nominalphrasen bewirken in der Regel eine Denotatseinschränkung. In diesem Fall sind die Erweiterungen restriktiv.
Nominalphrase | |
Milch | |
Determination | die Milch |
Modifizierung durch ein attributives Adjektiv | die schmackhafte Milch |
Modifizierung durch eine attributive NP | die schmackhafte Milch der glücklichen Kühe |