Formaspekte
Die formalen Aspekte der Satz- und Gewichtungsakzentuierung werden zunächst im Zusammenhang mit den Realisierungsbedingungen betrachtet. Im Anschluss werden die Realisierungsmittel, d. h. die sprachlichen Mittel, durch die die Gewichtung (Hervorhebung) ausgedrückt wird, beschrieben.
Realisierungsprinzipien der Gewichtungsakzentuierung
Die Satzakzentuierung ist von syntaktischen und rhythmischen Prinzipien geleitet. Basis der Satzakzentuierung ist in der Regel die Hauptakzentsilbe eines Wortes; es können aber auch – zu Kontrastzwecken – andere Silben betont werden.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass bestimmte Wortformen generell nicht akzentuierbar sind:
- einige unbetonte Abtönungspartikeln (z. B. eben, halt, mal)
- anaphorisches Personalpronomen, expletives und Korrelat-es
- generalisierendes Personalpronomen man
- gebundenes Personalpronomen (Reflexiv-Pronomen) sich und reflexive Lesart der Sprecher- und Hörer-Pronomina bei obligatorisch reflexiven Verben (mich, dich usw.),
während andere obligatorisch akzentuiert werden, z. B. eh wie in Es hat ja eh keinen Sinn!.
Wortformen, die stets unbetont sind, neigen dazu, mit dem vorangehenden oder mit dem nachstehenden Wort phonetisch zu verschmelzen. Dieses Phänomen nennt man Klitisierung. Die Abtönungspartikel denn wird z. B. in einigen Fällen zu einem 'n verkürzt und verschmilzt mit dem vorangehenden Verb: Was is'n los?. Ebenso kann das Pronomen es in gekürzter Form mit dem Verb zusammenfließen: Ich hab's nicht gut verstanden.
Gegenüber dem Gewichtungsakzent sind die anderen Wortakzente weniger prominent. Unter bestimmten rhythmischen Bedingungen kommen die Akzentstellen überhaupt nicht zum Tragen. Das Prominenzprinzip schlägt sich in folgender Deakzentuierungsregularität nieder:
Bei mehreren Gewichtungsakzenten kann einer von ihnen besonders stark sein, während alle anderen Akzente um eine weitere Stufe gesenkt erscheinen.
Realisierungsmittel der Gewichtung
Die Hervorhebungen sowie die entsprechenden Hervorhebungsdomänen werden durch folgende sprachliche Mittel erzeugt:
- Akzentuierung: Die Akzentuierung kann eingesetzt werden, um den Trägerausdruck mit oder ohne einen Teil seiner Umgebung als Hervorhebungsdomäne zu markieren.
- Wortstellung: Eine andere als die erwartete Abfolge oder ein spezifisches Stellungsfeld oder die Nachbarschaft zu hervorhebenden Ausdrücken können eine Hervorhebungsdomäne schaffen.
- Lexikalische Mittel: bestimmte lexikalische Einheiten erzeugen eine Hervorhebungsdomäne in ihrer (unmittelbaren oder auf sie bezogenen) Umgebung (v. a. Fokuspartikeln, die Negationspartikel nicht, Konjunktoren und Subjunktoren).
- Schriftattribute (nur in der schriftlichen Kommunikation): Durch Unterstreichung, Fettdruck oder Sperrung können Silben, Wörter oder Wortfolgen hervorgehoben werden.
Alle diese Mittel haben eine unterschiedliche Reichweite: Lexikalische Einheiten und Wortstellung können bestimmte Stellungseinheiten (in einem Stellungsfeld) hervorheben (z. B. Wortformen, Phrasen oder Teilsätze), die Akzentuierung darüber hinaus auch einzelne Silben oder den ganzen Satz. Im Diskurs interagiert die Akzentuierung mit lexikalischen und Wortstellungsmitteln.
Hervorhebung durch Akzentuierung
Mit der Akzentuierung kann man Gewichtungen vornehmen, die entweder genau den durch sie markierten Bereich umfassen (lokale Gewichtung) oder ausgehend davon einen Teil der unmittelbaren Nachbarschaft einschließen (kompositionale Gewichtung), die ihrerseits nicht durch Akzentuiertheit markiert ist. Im Blick auf den Bezugsbereich einer Akzentuierung – die Akzentdomäne – sind mithin systematisch zwei Fälle zu unterscheiden:
Die Akzentuierung isoliert die akzentuierte Silbe bzw. die sie enthaltende Wortform gegenüber der weniger oder nicht betonten Umgebung und schränkt die Fokussierung auf den kommunikativen Beitrag dieser Einheit ein. Die Akzentuierung erstreckt sich auf eine enge, minimale Akzentdomäne.
Kompositionaler Gewichtungsakzent
Die Akzentuierung erfasst die Hauptakzentstelle einer Wortform, die als Exponent einer Konstruktion (Phrase, Wortgruppe, Satz) fungiert, zu der sie gehört. Diese Konstruktion bildet die Akzentdomäne. Auf ihren kommunikativen Beitrag erstreckt sich die Fokussierung.
Beispiele (Akzentdomäne gelb):
In den obigen Beispielen zeigt sich bei kontextfreier Betrachtung eine Mehrdeutigkeit. Jeder kompositionale Akzent könnte auch als lokaler verstanden werden. Umgekehrt gilt dies nicht immer. Es muss eine Einheit vorhanden sein, die als Akzentdomäne gelten kann. Darüber hinaus sind Gewichtungsakzente außerhalb der Hauptakzentstellen prinzipiell lokal.
Für die Domänen von sprachlichen Mitteln der Fokussierung gibt es eine grundlegende Beschränkung, die sich auf ihre Interaktion bezieht (s. auch Wortstellung und Prosodie).
Hervorhebung durch Wortstellung
Die Stelle der Gewichtungsakzente ist in den natürlichen Sprachen entweder syntaktisch festgelegt (in manchen Sprachen können mit Gewichtungsakzent hervorgehobene Phrasen nur in bestimmten syntaktischen Positionen stehen) oder syntaktisch frei.
Besonders bezieht sich dies auf den Gewichtungsakzent. Die Position derjenigen Phrase, die mit dem Gewichtungsakzent hervorgehoben wird, ist in mehreren Sprachen mit dem finiten Verb verbunden. Sie steht entweder vor oder (seltener) hinter dem Verb. Bei syntaktisch festgelegtem Gewichtungsakzent ist die phonetische Realisierung des Akzents häufig nicht besonders stark ausgeprägt, d. h., die Veränderung der Intensität bzw. die Bewegung der Tonhöhe an der Akzentstelle ist nicht besonders groß.
In anderen Sprachen ist die Stelle des Gewichtungsakzents beweglich. Hervorgehoben werden können verschiedene Phrasen in verschiedenen Positionen im Satz. Da in diesen Sprachen die phonetische Realisierung der einzige Marker der Satzakzentstelle ist, wird der Akzent phonetisch stark (mit großem Intensitätsunterschied und/oder mit großer Tonhöhenbewegung) realisiert. Das Deutsche gehört zu letzterem Typ, bei dem die Stelle des Gewichtungsakzents grammatisch grundsätzlich nicht determiniert ist. Akzentdomänen können z. B. in (2) der Verbalkomplex mit den dazugehörigen Komplementen (unterhalb der Satzebene), in (3) eine Phrase oder in (4) ein Satz sein. Eine gewisse Korrelation zwischen der Wortstellung und der Akzentuierung liegt jedoch – wie unten gezeigt wird – auch im Deutschen insofern vor, als die nicht hervorgehobenen hintergründigen Elemente den hervorgehobenen vordergründigen besonders im Mittelfeld meist vorangehen. Das heißt, die Stelle der Gewichtungsakzente ist im Deutschen zwar syntaktisch nicht determiniert, jedoch auch nicht beliebig.
(2) | Die Jungs | haben Tischtennis gespielt. |
(3) | Da oben | habe ich ihn dann getroffen. |
(4) | Geld stinkt nicht. |
Prototypische Aussagesätze haben zwei Akzente und damit zwei Intonationsgruppen. Der
erste Akzent markiert die als Grundlage für die Informationsvermittlung geltende
Informationseinheit. Er ist schwächer ausgeprägt und ist meistens mit einer fallenden Tonbewegung
innerhalb der Intonationsgruppe verbunden. Er wird auch Tonakzent genannt. Der zweite ist der
eigentliche Gewichtungsakzent (oder Fokusakzent), der den Kern der vordergründigen Information
markiert. Er bildet den intonatorischen Gipfel des Satzes, danach ist die Satzmelodie meistens
fallend.
(5) | Heidenreich | hat wieder mal ein Buch geschrieben. |
Es ergeben sich – bezogen auf das Verhältnis von Akzentuierung (bzw. grafischer Hervorhebung) und Wortstellung – folgende Möglichkeiten:
- Akzentuierung (oder grafische Auszeichnung) und Wortstellung markieren denselben Bereich.
(a) Wir sind gestern nach Hannover gefahren.
- Nur die Akzentuierung (oder eine grafische Auszeichnung) wird eingesetzt, während die Wortstellung normal ist.
(b) Wir sind gestern nach Hannover gefahren.
- Akzentuierung (oder grafische Auszeichnung) und Wortstellung markieren unterschiedliche Bereiche.
(c) ?Wir sind nach Hannover gestern gefahren.
Im Beispiel (c) ist nach Hannover durch Akzentuierung, gestern durch die Wortstellung hervorgehoben, so dass eine Unverträglichkeit entsteht. Dies wäre unproblematisch, wenn auch gestern akzentuiert wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Fokussierungsmittel der Wortstellung maximal Phrasen oder Untersätze als Domäne erfassen kann, der kompositionale Gewichtungsakzent maximal den Satz, während die grafische Auszeichnung nach oben prinzipiell unbegrenzt ist.
Eine Hervorhebung durch (strukturell markierte) Wortstellung zieht immer eine Hervorhebung durch Akzentuierung nach sich, während stellungsunabhängig jede syntaktische Einheit durch Akzentuierung hervorgehoben werden kann. Es besteht also ein einseitiges Implikationsverhältnis.
Hervorhebung durch lexikalische Einheiten
Fokuspartikeln oder funktionsäquivalente Ausdrücke binden den Gewichtungsakzent. Ausdrücke, die Fokuspartikeln zugeordnet sind (orange hinterlegt), erhalten einen Gewichtungsakzent und werden so hervorgehoben. Je nach Lage des Akzents kann es dabei zu Zuordnungsambiguitäten kommen; vielfach sorgt der Kontext aber für Eindeutigkeit:
Auch die Negation kann den Gewichtungsakzent binden:
(10) | A: Sie haben ja offensichtlich das ganze Geld versoffen. |
Das Verhältnis zwischen Akzentuierung und lexikalischen Einheiten als Hervorhebungsmitteln lässt sich allgemein so formulieren:
Hervorgehobene Positionen
Die Position des linken Außenfeldes, das Vorfeld, das hintere Mittelfeld und das Nachfeld sind im Deutschen die Stellungsbereiche der Hervorhebung. Eine der hervorgehobenen Positionen in der linearen Abfolge bildet das Vorfeld, eine für das Subjekt oder ein Adverbialsupplement typische Position. Oft findet man hier eine eigene Intonationsgruppe und eine deutliche Abgrenzung zu dem, was folgt, durch eine Pause. Auf diese Weise kann z. B. ein Ausdruck topikalisiert werden.
Beispiel zur Vorfeldbesetzung mit Verbalkomplexteilen:
(11) A: In welcher Sprache haben Sie das gemacht.↓ |
Die Frage markiert ein Wissensdefizit als Relevanzbereich, das mit der akzentuierten Phrase in Französisch behoben wird. Unabhängig davon setzt der Sprecher zusätzlich einen weiteren Relevanzbereich; er will eine Einschränkung auf die Unterrichtssprache im Gegensatz zu anderen Bereichen liefern und dies hervorheben. Dazu nutzt er das Vorfeld, und da die Vorfeldeinheit (hier: Unterrichtet) neben in Französisch akzentuiert ist, ergibt sich ein eindeutiges Verständnis. Hätte er formuliert:
(11') Ich habe in Französisch unterrichtet.
so wäre dies ambig gewesen zwischen (11'a) und (11'b):
Nachträge im Nachfeld bilden insbesondere im Fall einer Reparatur eine eigene Intonationsgruppe mit Gewichtung. Es zeigt sich auch hier die Interaktion zwischen Stellung und Gewichtungsakzent.
(12) Ich glaube, der Rechtsstandpunkt muss doch auch sehr
berücksichtigt werden bei dieser Beurteilung.[Gespräch über die Denkschrift der EKD. Diskussion (SFB)]
(13) Ich
habe mit einer großen Zahl von Ärzten darüber gesprochen also eigentlich Gynäkologen.
Nicht Verbalisiertes kann in eine Gewichtungsdomäne fallen. Im folgenden Beispiel ist das Akkusativkomplement ('s) in der Antwort nicht verbalisiert, wird aber mitverstanden; funktional gehört es somit zum Bereich dessen, was hervorgehoben wird.
(14) A: (...) oder wollen Sie's wieder mitnehmen? ↑
Im Italienischen erfasst der Gewichtungsakzent im unmarkierten Fall, d. h. bei neutraler Betonung, die prominenteste Silbe der letzten Komponente (Komplement, Supplement) einer Satzäußerung .
Ho regalato un libro a Franca.
Ho regalato a Franca un libro.
Ritorno a casa domani.
Domani ritorno a casa.
Generell nicht akzentuierbar sind dabei die klitischen Pronomina, während die Kommunikanten- und anaphorischen Pronomina in der Regel akzentuiert sind (vgl. Flexion der Pronomina im Italienischen).
Auch im Italienischen gibt es neben graphischen Anzeigen grundsätzlich 3 Mittel der Hervorhebung, d. h. prosodische, syntaktische und lexikalische.
Zu den prosodischen Mitteln gehört die Akzentuierung, die ebenfalls wie im Deutschen eine enge bzw. eine weitere Domäne haben kann, vgl. die ital. Entsprechungen der obigen Vorlagssätze (1a) und (1b):
(1a') Beviamo birra (e non
grappa)
(1b') Beviamo birra (e non
lavoriamo).
Ebenfalls gehört das Italienische zu den Sprachen mit beweglichem Gewichtungsakzent, wobei im Allgemeinen auch gilt, dass die hintergrüdige Information der vorgründigen vorangeht.
Zu den syntaktischen Mitteln der Hervorhebung gehört die Wortstellung. Dabei werden Ausdrücke in strukturell markierten Positionen durch einen Intonationsgipfel auf der prominenten Silbe des versetzten Elementes gekennzeichnet. Die syntaktischen Operationen, die zu markierten Strukturen führen, sind die Linksversetzung in ihren verschiedenen Formen, d. h.,
- mit resumptivem Pronomen (In quel negozio, ci vado spesso.; dt. In das Geschäft gehe ich oft hin.),
- ohne resumptives Pronomen (In quel negozio vado spesso.),
- mit freiem Thema (ital. Tema sospeso,Quel negozio, ci vado spesso.),
- die Rechtsversetzung (Ci vado spesso, in quel negozio.),
- sowie der Spaltsatz (ital. Frase scissa, È in quel negozio che vado spesso.).
Zu den lexikalischen Mitteln der Hervorhebung gehören Adverbien des Typs anche (auch), proprio (gerade), appunto (eben), persino/addirittura (sogar) sowie die Negation:
Anche lui è partito.
(Auch er ist weggefahren)
Persino Franca lo conosce. (Sogar Franca kennt ihn)
Proprio tre giorni fa ci siamo incontrate.
(Eben vor 3 Tagen haben wir uns getroffen)
Ritorno non
domani, ma dopodomani. (Ich komme nicht morgen,
sondern übermorgen zurück).