Korrespondenz zwischen koordinierten Subjekten und finitem Verb
Bei koordinierten Subjekten sind zu unterscheiden:
- additiv koordinierte Subjekte, z.B. Bruder und Schwester
- disjunktiv koordinierte Subjekte, z.B. Kopf oder Zahl
Additive Koordinationen
Das Mädchen und seine Freundin (= sie) freuen sich.
Weder seine Frau noch deren Hausfreunde (= sie) freuen sich.
Daher z.B. auch:
(Spiegel 9.2.2002, 27)
Additiv koordinierte Sätze erzeugen allerdings keine Plurale:
Daneben kommt bei additiv koordinierten Singularen gelegentlich die singularische Form des Verbs vor:
(Jaspers 1958: 210)
Weder die Verfassung der Republik Österreich noch jene der Deutschen Demokratischen Republik sieht einen "Beitritt" oder gar einen "Anschluss" vor.
(FAZ 27.7.1990, 3)
Dagegen sind bei Singularen, die mit Pluralen koordiniert werden, ausschließlich Pluralverbformen üblich:
Sowohl ihr Wille als auch ihre Auffassungen *hängt vom Richterspruch eines Gremiums ab.
Weil zumindest einige der nach dieser Grundregel konstruierten Sätze nicht als wohlgeformt erlebt werden, wird allgemein empfohlen, ein zusammenfassendes Pronomen verdeutlichend zum Subjekt des Satzes zu machen:
Du und dein Mann, seid ihr schon mal in Paris gewesen?
Wir drei werden noch viel erleben, der Porsche, du und ich.
(Bild 10.5.1967, 6)
Syntaktisch nicht als Plurale aufgefasst werden im Deutschen Kollektiva, die grammatisch singularisch sind, z.B. die Mannschaft, die Menschheit, die Schafherde. Kollektiva mit Singularstatus korrespondieren mit der 3. Person Singular des Verbs:
Auch Formulierungen mit mehr als u.ä. werden offensichtlich nicht als Plurale aufgefasst:
Disjunktiv koordinierte Subjekte
Bei disjunktiv koordinierten Subjekten wie das Mädchen oder seine Freundin sind weiter zu unterscheiden exklusive und inklusive Lesarten:
- In der exklusiven (= ausschließenden) Lesart gilt eine Aussage entweder für das eine (das Mädchen) oder das andere Subjekt (seine Freundin), aber nicht für beide.
- Dagegen ermöglicht die inklusive (=einschließende) Lesart auch die Gültigkeit für beide Subjekte.
Die exklusive Lesart besagt hier, dass entweder das Mädchen oder seine Freundin verliebt ist, aber nicht beide:
Entweder die roten oder die braunen Wildlederschuhe müssen zum Schuster.
Die inklusive Lesart besagt hier, dass entweder das Mädchen oder seine Freundin oder auch beide sich freuen:
Weder Einsamkeit noch Hunger oder Elend konnten ihrer Geschichte etwas anhaben.
(Doyle 2000: 13)
Liegt keine gemeinsame Verbform vor, weil es sich beim Subjekt um Verschiedenes handelt, z.B. um einen Sprecher und mehrere Dritte (ich oder die anderen) oder um mehrere und ein einzelnes Drittes (alle oder niemand), richtet sich die finite Verbform in der Regel nach dem Subjektteil, dem es im Satz am nächsten steht:
Niemand oder alle freuen sich.
Entweder niemand oder alle freuen sich.
Meist wird jedoch empfohlen, das gemeinsame Verb zu meiden, indem etwa ein indefinites Pronomen zum Subjekt gemacht wird, z.B. du oder ich, einer wird schon einen Grund zum Freuen haben. Die exklusive Lesart kann generell auf diese Weise verdeutlicht werden:
Weiter gilt für alle Koordinationen, dass ein gemeinsames Verb vermieden werden kann, indem man elliptische Formen bildet, die die korrekten ausführlichen Formulierungen kürzen. Eigentlich müsste es z.B. heißen: Ich komme und du kommst; ich freue mich oder du freust dich; alle freuen sich oder keiner freut sich. Ebenso wohlgeformt ist aber die Ellipse:
Ich freue mich oder du.
Alle freuen sich oder keiner.