Korrespondenz zwischen koordinierten Subjekten und finitem Verb

Bei koordinierten Subjekten sind zu unterscheiden:

Additive Koordinationen

Für additive Koordinationen gilt als Grundregel, dass sie immer Plurale ergeben und folglich plurale Verbformen verlangen.
Du und ich (= wir) freuen uns.
Das Mädchen und seine Freundin (= sie) freuen sich.
Weder seine Frau noch deren Hausfreunde (= sie) freuen sich.

Daher z.B. auch:

Edmund Stoiber sitzt im Fond eines BMW, vor ihm fährt ein Polizeiauto, hinter ihm fahren noch ein Polizeiauto und ein roter Wagen vom Rettungsdienst.
(Spiegel 9.2.2002, 27)

Additiv koordinierte Sätze erzeugen allerdings keine Plurale:

Dass (erstens) in französischen Filmen der 60er Jahre immer so endlos rumgequatscht wird und dass (zweitens) am Schluss dann immer auch noch irgendeiner auf absurd spektakuläre Weise zu Tode kommen muss, stört mich einfach.

Daneben kommt bei additiv koordinierten Singularen gelegentlich die singularische Form des Verbs vor:

Sowohl ihre Auffassung wie ihr Wille hängt nicht vom Richterspruch eines Gremiums ab.
(Jaspers 1958: 210)

Weder die Verfassung der Republik Österreich noch jene der Deutschen Demokratischen Republik sieht einen "Beitritt" oder gar einen "Anschluss" vor.
(FAZ 27.7.1990, 3)

Dagegen sind bei Singularen, die mit Pluralen koordiniert werden, ausschließlich Pluralverbformen üblich:

Sowohl ihr Wille als auch ihre Auffassungen hängen vom Richterspruch eines Gremiums ab.
Sowohl ihr Wille als auch ihre Auffassungen *hängt vom Richterspruch eines Gremiums ab.

Weil zumindest einige der nach dieser Grundregel konstruierten Sätze nicht als wohlgeformt erlebt werden, wird allgemein empfohlen, ein zusammenfassendes Pronomen verdeutlichend zum Subjekt des Satzes zu machen:

Er und ich, wir sind ein wunderbares Paar.

Du und dein Mann, seid ihr schon mal in Paris gewesen?

Wir drei werden noch viel erleben, der Porsche, du und ich.
(Bild 10.5.1967, 6)

Syntaktisch nicht als Plurale aufgefasst werden im Deutschen Kollektiva, die grammatisch singularisch sind, z.B. die Mannschaft, die Menschheit, die Schafherde. Kollektiva mit Singularstatus korrespondieren mit der 3. Person Singular des Verbs:

Die Mannschaft spielte miserabel.

Auch Formulierungen mit mehr als u.ä. werden offensichtlich nicht als Plurale aufgefasst:

Mehr als ein Kollege ist an diesem Thema gescheitert.

Disjunktiv koordinierte Subjekte

Bei disjunktiv koordinierten Subjekten wie das Mädchen oder seine Freundin sind weiter zu unterscheiden exklusive und inklusive Lesarten:

  • In der exklusiven (= ausschließenden) Lesart gilt eine Aussage entweder für das eine (das Mädchen) oder das andere Subjekt (seine Freundin), aber nicht für beide.
  • Dagegen ermöglicht die inklusive (=einschließende) Lesart auch die Gültigkeit für beide Subjekte.

Die exklusive Lesart besagt hier, dass entweder das Mädchen oder seine Freundin verliebt ist, aber nicht beide:

Das Mädchen oder seine Freundin ist verliebt.
Als Grundregel für disjunktiv koordinierte Subjekte gilt: Bei exklusiver Lesart richtet sich das Verb nach den Einzelsubjekten.
Entweder Leonore oder Konrad ist der erstgeborene Zwilling.
Entweder die roten oder die braunen Wildlederschuhe müssen zum Schuster.
Bei inklusiver Lesart wird ein Plural erzeugt, der eine plurale Verbform verlangt.

Die inklusive Lesart besagt hier, dass entweder das Mädchen oder seine Freundin oder auch beide sich freuen:

Das Mädchen oder seine Freundin freuen sich.

Weder Einsamkeit noch Hunger oder Elend konnten ihrer Geschichte etwas anhaben.
(Doyle 2000: 13)

Liegt keine gemeinsame Verbform vor, weil es sich beim Subjekt um Verschiedenes handelt, z.B. um einen Sprecher und mehrere Dritte (ich oder die anderen) oder um mehrere und ein einzelnes Drittes (alle oder niemand), richtet sich die finite Verbform in der Regel nach dem Subjektteil, dem es im Satz am nächsten steht:

Alle oder niemand freut sich.
Niemand oder alle freuen sich.
Entweder niemand oder alle freuen sich.

Meist wird jedoch empfohlen, das gemeinsame Verb zu meiden, indem etwa ein indefinites Pronomen zum Subjekt gemacht wird, z.B. du oder ich, einer wird schon einen Grund zum Freuen haben. Die exklusive Lesart kann generell auf diese Weise verdeutlicht werden:

Das Mädchen oder seine Freundin, eine von beiden ist verliebt.

Weiter gilt für alle Koordinationen, dass ein gemeinsames Verb vermieden werden kann, indem man elliptische Formen bildet, die die korrekten ausführlichen Formulierungen kürzen. Eigentlich müsste es z.B. heißen: Ich komme und du kommst; ich freue mich oder du freust dich; alle freuen sich oder keiner freut sich. Ebenso wohlgeformt ist aber die Ellipse:

Ich komme und du auch.
Ich freue mich oder du.
Alle freuen sich oder keiner.

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Autor(en)
Elke Donalies
Bearbeiter
Roman Schneider
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