Abtönungspartikeln als Supplemente

andere Bezeichnungen:

Modalpartikel, Einstellungspartikel, illokutive Partikel, Intensitätspartikel (frz.: particules modales; particules illocutoires)

Bestand:

aber, auch, bloß, bloß, denn, denn, doch, doch, eben, eh, eigentlich, eigentlich, einfach, etwa, fei, halt, ja, ja, mal, man, nicht, nur, ruhig, ruhig, schon, schon, überhaupt, überhaupt, vielleicht, wohl, wohl. (rot = betont)

fei (Das war fei lustig.) und man (Lass man den Erich machen.) sind regional begrenzt. Einige Abtönungspartikeln haben - wie aus der Liste oben ersichtlich - betonte Homographen, die aber eigenständige Mitglieder dieser Partikelsubklasse sind. Eh kommt nur betont vor.

Neben den Satzadverbialia und den Verbgruppenadverbialia können Abtönungspartikeln als Supplemente auftreten.

Abtönungspartikeln können nur als Supplemente und nicht als Komplemente fungieren. Als Supplemente sind sie für die Bildung eines korrekten Satzes nicht notwendig. Wie alle Partikeln bilden auch die Abtönungspartikeln keine Phrasen. Sie können - im Gegensatz zu den Adverbialia - nicht allein im Vorfeld stehen und sind nicht erfragbar.

Einige Abtönungspartikeln haben Homonyme in anderen Wortklassen, aus denen sie sich entwickelt haben. Z. B.: Konjunktoren (aber, denn), Gradpartikeln (nur, schon), Adverbien (vielleicht) oder Adjektive (einfach, ruhig).

Ich habe mich beworben, wurde aber leider nicht genommen.Ich bin aber auch ein Trottel! Ich habe schon wieder den Termin beim Zahnarzt vergessen!
Kommen Sie schon nächste Woche nach Paris?Kommen Sie schon!
Nun, das lässt sich schon einrichten.
Aber die Kosten übernehmen Sie doch? Ja, schon!
Ich weiß nicht, ob ich ihn heute erkenne, er hat vielleicht einen Bart.Er/Der hat vielleicht einen Bart! Schlimmer als Karl Marx!
Bleiben sie doch ruhig, regen Sie sich nicht auf!Bleiben Sie ruhig sitzen!

Die Abtönungspartikeln haben beim Wortartenwechsel aber die "ursprüngliche" Bedeutung weitgehend verloren. Dennoch ist die neu erworbene Funktion auf der Basis der gemeinsamen Grundbedeutung verständlich.

Die Abtönungspartikeln bilden zwar keine Phrasen. Möglich sind allerdings Kombinationen von verschiedenen Abtönungspartikeln:
Du hast doch wohl nicht etwa Angst?

Tonbeispiel

Abtönungspartikeln werden häufiger in der gesprochenen als in der geschriebenen Sprache verwendet. Bei einer Befragung von 82 Muttersprachlern empfand die überwiegende Mehrheit Dialog A als "natürlich, warm, flüssig, freundlich", Dialog B hingegen als "abweisend, hölzern, kontaktschwach". Da die beiden Dialoge bis auf die Abtönungspartikeln identisch sind, scheint die unterschiedliche Einschätzung auf diese 'unscheinbaren' Wörter zurückzuführen sein. Aus Weydt u.a., 1983: 11

Dialog A:
Dialog B:

Mit folgendem Test können Abtönungspartikeln von den beiden anderen Supplementtypen Satzadverbialia und Verbgruppenadverbialia unterschieden werden:

Test für Abtönungspartikeln
Wenn die Paraphrase eines Aussagesatzes mit einem Ausdruck a mit 'Es ist / war der Fall, dass ...' wie in den folgenden Beispielen nicht möglich ist, handelt es sich bei dem Ausdruck a um eine Abtönungspartikel.

Wenn die Paraphrase nicht möglich ist, handelt es sich beim Ausdruck um eine Abtönungspartikel.

Beispiele für eine Abtönungspartikel:

Es regnet ja.
* 'Es ist der Fall, dass es ja regnet.'

Es ist halt Winter und kalt.
* 'Es ist der Fall, dass es halt Winter und kalt ist.'

Wenn die Paraphrase möglich ist, handelt es sich um einen Satz mit Satzadverbiale oder mit Verbgruppenadverbiale.

Es regnet heute.
'Es ist der Fall, dass es heute regnet.'

Es regnet in Strömen.
'Es ist der Fall, dass es in Strömen regnet.'

Zur weiteren Unterscheidung zwischen den Satzadverbialia und den Verbgruppenadverbialia muss der Test analog eine Stufe tiefer angewendet werden (wenn die Paraphrase möglich ist, handelt es sich um ein Satzadverbiale):

'Es ist heute der Fall, dass es regnet.'
* 'Es ist in Strömen der Fall, dass es regnet.'

Abtönungspartikeln dienen dem Ausdruck von Erwartungen und Einstellungen der Sprecher. Sie unterstützen die Einordnung der Äußerungen in den jeweiligen Handlungszusammenhang. Damit verbunden ist oft eine bestimmte Abtönung oder Einfärbung der betreffenden Äußerung z. B. als Abschwächung einer Aufforderung durch doch und mal :

Kommen Sie doch mal wieder!

oder als Ausdruck des Erstaunens in Ausrufen durch (das unbetonte) ja :

Das ist ja unglaublich!

Die abtönende Wirkung kann aber auch eine Verstärkung sein, z. B. bei einer Warnung oder Drohung mit (dem betonten) ja :

Mach das ja nicht noch einmal!

Wie Satzadverbialia beziehen sich auch Abtönungspartikeln auf den ganzen Satz. In ihrem Status sind sie besonders den modalen Satzadverbialia ähnlich, indem sie sich auf die Äußerung beziehen. Sie unterscheiden sich allerdings von jenen durch ihre interaktive Komponente.

Die Abtönungspartikeln des Deutschen besitzen relativ selten eine direkte französische Entsprechung. Wenn es auch vorkommt, dass eine deutsche Partikel durch eine französische übersetzbar ist - wie etwa doch in Kommen Sie doch! durch "Venez donc!" -, kann aus diesem Beispiel nicht geschlossen werden, doch in der Funktion als Abtönungspartikel sei systematisch mit "donc" zu übersetzen, vgl.:

(1) Er kann nicht mit uns ins Restaurant gehen, er hat doch kein Geld.
"Il ne peut pas venir au restaurant avec nous, il n'a pas d'argent, tu le sais bien."

Tatsächlich wird in den französischen Übersetzungen deutscher Abtönungspartikeln die interaktive Komponente (das heißt die Stellungnahme des Sprechers zum Gesagten bei gleichzeitiger Aufforderung an den Adressaten, seinerseits Stellung zu beziehen, sei es z. B. durch Zustimmung, Verteidigung seines Standpunkts oder auch durch Handeln) häufig daran deutlich, dass die Semantik der deutschen Partikeln im Französischen durch Paraphrasen wiedergegeben wird, die eine direkte Anrede des Adressaten enthalten (siehe "tu" in Beispiel (1) oder "vous" in Beispiel (2)):

(2) Der neue Kollege soll den Vertrag aufsetzen? Kann der das denn überhaupt?
"Le nouveau collègue doit rédiger le contrat? Vous pensez vraiment qu'il en est capable?"

In manchen Fällen treten in solchen französischen Entsprechungen sowohl Sprecher als auch Adressat explizit als an der (sprachlichen) Interaktion beteiligt auf, so in Beispiel (3) in Form der Kommunikanten-Pronomina "je" (= Sprecher) und "vous" (= Adressat), in den Beispielen (4) und (5) durch das Personalpronomen "on", welches hier in der Bedeutung von "nous" verwendet wird und somit Sprecher und Adressat gleichzeitig umfasst:

(3) Bleiben Sie ruhig sitzen!
"Restez assis, je vous en prie."

(4) Mach dir keine falschen Hoffnungen. Es ist ja wohl klar, dass du nach dem Abendessen nach Hause gehst.
"Ne te fais pas d'illusions. On est bien d'accord: tu rentres chez toi après le dîner."

(5) Dass mir das ja nicht wieder vorkommt!
"On s'est bien compris: il ne faut pas que cela se reproduise!"

Die Sonderstellung der modalen Satzadverbialia innerhalb der Satzadverbialia wird besonders deutlich, wenn man die Ergebnisse der oben erwähnten Tests betrachtet:

Das ist diesmal wohl ein Irrtum. (= Abtönungspartikel)
Das ist diesmal wahrscheinlich ein Irrtum. (= Satzadverbiale)
= Es ist der Fall, dass es diesmal ein Irrtum ist.

(1a) *Es ist der Fall, dass es wohl ein Irrtum ist.
(2a) *Es ist der Fall, dass es wahrscheinlich ein Irrtum ist.
(1b) Es ist wohl der Fall, dass es ein Irrtum ist.
(2b) Es ist wahrscheinlich der Fall, dass es ein Irrtum ist.

Literatur: Harald Weydt, Maria Thurmair, Armin Burkhardt

Übung: Aussagen zu Abtönungspartikeln

Übung: aber, ruhig und halt als Abtönungspartikeln

Übung: einfach als Abtönungspartikel

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