Komplement

andere Bezeichnungen:

Ergänzung (frz.: complément), Aktant (frz.: actant), Mitspieler

Sätze werden regelhaft aus kleineren Einheiten, also "kompositional", aufgebaut. Die primären Komponenten des Satzes sind der Verbalkomplex, die Komplemente und die Supplemente. Jede Wortform bzw. jede Phrase im Satz muss zu einer dieser drei primären Komponenten gehören. Das bedeutet aber nicht, dass immer alle drei Komponenten gleichzeitig im Satz vorkommen müssen:

Pass auf!
Pass auf die Kinder auf!
Pass heute Nachmittag auf die Kinder auf!

Komplemente sind unterschiedliche Arten von sprachlichen Ausdrücken (Nominalphrasen, Pronominalphrasen, Präpositionalphrasen, Adjektivphrasen, Adverbphrasen, Subjunktorsätze und Infinitivkonstruktionen), die einen Verbalkomplex zu einem Satz "sättigen". Die einzelnen Komplemente werden zu Komplementklassen zusammengefasst. Welche Komplementklasse auftreten kann, wird vom Verb bzw. dem Verbalkomplex bestimmt. Diese Eigenschaft der Verben wird Valenz genannt.

Neben den vier Kasuskomplementen werden folgende Komplementklassen unterschieden:

Beispiele:

(1) Die Concorde (Ksub) steht im Museum (Kadv).
[die tageszeitung, 22.02.2005]
(2) Eine hervorragende Partie (Kakk) spielte dabei das junge Nachwuchstalent (Ksub).
(3) Eine gute Hausfrau (Ksub) achtet auf den Preis (Kprp).
(4) Der Sieger in dieser Auswahl (Ksub) steht schon fest: Germany's Topmodel (Ksub) heißt Barbara (Kprd)!

Erste Abgrenzungsprobleme

Es ist zuweilen schwierig, Komplemente von Supplementen abzugrenzen. Die Präpositionalphrase in Berlin ist z. B. in Satz (5) ein Adverbialkomplement, in Satz (6) dagegen aber ein Supplement.

(5) Er wohnt in Berlin.
(6) Die Sonne scheint in Berlin.

Von der Bedeutung des Verbs wohnen wird entweder ein sprachlicher Ausdruck für einen Ort verlangt, der durch eine Präpositionalphrase (z. B. in Berlin, am See, in Bayern) oder ein Lokaladverb (z. B. dort, nebenan, hier) realisiert wird (wie in Satz 6), oder aber es wird ein Ausdruck verlangt, der die Art und Weise des Wohnens näher charakterisiert (wie in Satz 7).

(7) Er wohnt allein.

Die Valenz des Verbs wohnen fordert einerseits ein Komplement im Nominativ - das Subjekt - und andererseits ein situatives Adverbialkomplement oder ein modales Adverbialkomplement, damit ein korrekter Satz des Deutschen entsteht. Folglich kann in Berlin in Satz (5) und allein in Satz (7) nur jeweils ein Komplement sein.

In Satz (6) allerdings ist die Präpositionalphrase in Berlin kein Komplement, sondern ein Supplement, weil das einwertige Verb scheinen eine andere Komplementforderung besitzt: Es genügt ein Komplement im Nominativ, um einen grammatisch vollständigen Satz mit scheinen zu bilden (Die Sonne scheint.).

Diese ersten Überlegungen zur Abgrenzung von Komplementen und Supplementen werden in einem zweistufigen Testverfahren nachprüfbar differenziert, und zwar mit Hilfe des Reduktionstests und des Folgerungstests; vgl. (7) bzw. (8):

(7) Lena wartet auf der Terrasse auf ihren Freund.

Reduktionstest

(7a) Lena wartet auf ihren Freund.
(7b) Lena wartet auf der Terrasse.
(7c) Lena wartet.
(7d) * wartet auf der Terrasse auf ihren Freund.

Zwischenbilanz: Lena = obligatorisches Komplement; auf der Terrasse und auf ihren Freund sind keine obligatorischen Komplemente; es muss sich also entweder um fakultative Komplemente oder um Supplemente handeln, was durch den Folgerungstest zu ermitteln ist:

Folgerungstest

(7e)Lena wartet auf jemanden. Das geschieht auf der Terrasse.
(7f) Lena wartet irgendwo.

Bilanz: auf ihren Freund, [hier:] auf ihren Freund = fakultatives Komplement, da aus der Bedeutung dieses speziellen Verbs erschließbar; irgendwo, [hier:] auf der Terrasse = Supplement, da bei vielen Verben möglich.

(8) Kirstin hat letztes Jahr den ersten Preis gewonnen.

Reduktionstest

(8a) Kirstin hat den ersten Preis gewonnen.
(8b) Kirstin hat letztes Jahr gewonnen.
(8c) Kirstin hat gewonnen.
(8d) * hat letztes Jahr den ersten Preis gewonnen.

Zwischenbilanz: Kirstin = obligatorisches Komplement; letztes Jahr und den ersten Preis sind keine obligatorischen Komplemente; beide fungieren also entweder als fakultative Komplemente oder als Supplemente, was durch den Folgerungstest zu ermitteln ist:

Folgerungstest

(8e) Kirstin hat etwas gewonnen. Das geschah letztes Jahr.
(8f) Kirstin hat irgendwann gewonnen.

Bilanz: etwas, [in (8):] den ersten Preis = fakultatives Komplement, da aus der Bedeutung des Verbs gewinnen erschließbar; irgendwann, [in (8):] letztes Jahr = Supplement, da bei vielen Verben möglich.

Die Komplemente werden in Komplementklassen eingeteilt. Ein Überblick über die Komplementklassen zeigt die Möglichkeiten der syntaktischen Realisierungsformen der Komplemente. Die Leitformen erleichtern die Zuordnung der Komplemente zu den einzelnen Klassen.

Übung: Komplemente

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