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Das Vorfeld enthält typischerweise eine
informationelle Einheit (1), die aber syntaktisch nicht immer durch nur eine
funktionale Komponente besetzt sein muss (2). Eine Informationseinheit ist
immer auch eine intonatorische Einheit (3). So können mehrere
Stellungseinheiten im Vorfeld unter nur einem Akzent zu einer informationellen
Einheit zusammengefasst werden (4).
(1) Das
Bundesverfassungsgericht hat die Rolle von Fachhochschulen und ihrer
Professoren aufgewertet. [Süddeutsche Zeitung,
28.07.2010]
(2) Gestern im Bundestag vermieden sie die Konfrontation,
doch der Wahlkampf hat für Merkel und Steinmeier versteckt
begonnen. [Braunschweiger Zeitung, 18.09.2008]
(3) Aus dem
Inland kamen zwölf Prozent mehr
Bestellungen, die Orders aus dem Ausland legten um neun Prozent zu. [dpa,
01.04.2008]
(4) Nicht der
Zufall habe sie ja zusammengebracht –
sondern eine Idee. [Die Zeit (Online-Ausgabe), 03.01.2008]
Das Vorfeld ist nicht nur eine bestimmte syntaktische Position,
sondern übernimmt zugleich eine bestimmte Rolle bzw. bestimmte Rollen in
der Informationsstruktur also bei der kommunikativen Gewichtung eines Satzes.
Der wichtigste Aspekt der kommunikativen Gewichtung ist die Gliederung von
Sätzen in Hintergrundinformation und Vordergrundinformation. Das Vorfeld
kann beide Informationstypen enthalten.
Bei unmarkierter Informationsgliederung allerdings finden sich im
Vorfeld die Hintergrundinformationen. In der Regel entspricht diese unmarkierte
Variante in der „funktionalen Satzperspektive“ der
Thema-Rhema-Gliederung.
Hintergrundinformation
Das Vorfeld ist die bevorzugte Stelle für
Hintergrundinformationen, besonders wenn Vordergrundinformationen aus dem
vorhergehenden Satz mit deiktischen (5), anaphorischen Ausdrücken (6) oder
Nominalisierungen (7) wieder aufgenommen werden:
(5) Indirekte Schlüsse
zieht der kanadische Forscher nun aus Tierknochen, die aus der Fundstätte
Saint-Césaire in Frankreich stammen. Dort liegen mehrere
Schichten mit Fundstücken übereinander, die von Kulturen aus der Zeit
vor 43 000 bis 30 000 Jahren stammen. [Berliner Zeitung,
02.01.2008]
(6) Im August dann die
große Überraschung: IGP-Chef Erwin Hund gibt seine Kandidatur
bekannt. Er will die Wirtschaftsförderung stärken und
Defizite im kulturellen Bereich beheben. [Mannheimer Morgen,
02.01.2008]
(7) "Ich bringe keine Geschenke
mit, sondern komme einfach mit einer Absicht, einer Hoffnung: für das
wertvolle Geschenk der Einheit und des Friedens zu beten."
Beten sei aktive Hoffnung, erklärte Joseph Ratzinger.
[dpa, 08.05.2009]
Diese Vorfeldbesetzung ist dazu geeignet, neue Gegenstände
einzuführen, ein bekanntes Thema fortzuführen und den thematischen
Anschluss an das Vorangegangene herzustellen. Typische Ausdrücke sind
dabei Eigennamen, Possessiv-Artikel + Nomina, Demonstrativ-Pronomina,
anaphorische Personalpronomina, Formen der Anadeixis etc.
Es können auch Vordergrund-Einheiten, die normalerweise im
Mittelfeld bzw. am Ende des Mittelfeldes stehen, ins Vorfeld gesetzt werden und
werden dadurch als zum Hintergrundwissen gehörig gekennzeichnet:
(8) Selbst im beschaulichen
Bremen gibt es Geschichten, die sind einfach unglaublich:
Unglaublich ist z. B., daß ein Bundeskriminalamt V-Leute in
Anwaltsbüros schickt, um ausgerechnet bei den Verteidigern Beweismaterial
gegen deren Mandanten zu sammeln. Unglaublich ist aber auch,
daß angebliche Angehörige eines in Bremen angeklagten
Südamerikaners durch Zufall mit dessen Geständnis in der Hosentasche
herumlaufen, wenn sie in Las Palmas zufällig verhaftet werden.
[die tageszeitung, 05.07.1989]
Die Hintergrundinformation hat auf der Textebene eine themenbezogene
Funktion. Das Vorfeld fungiert dann z. B. als thematischer Anschluss an den
Vortext wie in (5-8) und im folgenden Beispiel:
(9) Wharton wurde
in eine aristokratische Familie hineingeboren, deren Geschlecht seit 300 Jahren
mit New York verbunden war. Ihre Kindheit drehte sich um perfektes
Benehmen und die gesellschaftliche Repräsentation. Sie wurde
ausschließlich zu Hause mit Hilfe der väterlichen Bibliothek
unterrichtet. [http://de.wikipedia.org/wiki/Edith_Wharton, gesehen am
04.08.2010]
Wie in (6) und (9) bildet sehr häufig das Subjekt
den thematischen Anschluss an den Vortext. Oft wird aber auch im Vorfeld durch
Satzadverbialia ein situativer Rahmen gesetzt, in dem der zu thematisierende
Sachverhalt zu sehen ist:
(10) Familienstreitigkeiten,
Ehekrisen, Selbstmordgedanken: An Weihnachten gehen die Emotionen
hinter den festlichen Fassaden hoch. [Nürnberger Nachrichten,
28.12.2009]
(11) 1936
promovierte er in München als Schüler von E. Buschor, (...).
Anschließend war er Reisestipendiat (...). Während
seiner Assistenzzeit am Deutschen Archäologischen Institut in Athen
(1937-1939) nahm er an den deutschen Grabungen in Olympia, Samos und
Kreta (...) teil. [Bild der Wissenschaft, 1/1967, 10]
(12) Einerseits sei
es des Menschen Natur, Ängste gegenüber Fremdem zu hegen.
Anderseits bestehe ein wesentlicher Teil unserer Identität
aus der Abgrenzung vom anderen, sowohl individuell als auch als Gemeinschaft.
[St. Galler Tagblatt, 12.11.2009]
Eine besondere Form der Theamtisierung kann durch die Aufspaltung
quantifizierter Nominalphrasen erreicht werden:
(13) Krimis, die ihre
Spannung aus Literaturvorlagen beziehen, sind schon viele
geschrieben worden. [Mannheimer Morgen, 27.01.1993]
Vordergrundinformation
Zur Hervorhebungsstelle kann das Vorfeld werden, wenn Teile des
Verbalkomplexes (14), andere Komplemente als das Subjekt (15, 16) oder
Infinitverbindungen (17) mit Akzentuierung dorthin gerückt werden. Mit
dieser Topikalisierung wird ein
für den Sprecher wichtiger bzw. der wichtigste Teil der Aussage an den
Anfang des linearen Rezeptionsvorgangs gestellt. Oft dient die Hervorhebung der
Aufmerksamkeitssteuerung oder der Kontrastierung. Dieses Verfahren findet
häufig in Zeitungstexten bzw. Schlagzeilen Anwendung. In der gesprochenen
Sprache wird die Hervorhebungsstelle durch einen Gewichtungsakzent markiert:
(14)
Abgestürzt sind gestern zwei Düsenjäger, die
vom Militärflugplatz Ramstein in der Pfalz gestartet waren. [Bildzeitung, 02.06.1967]
(15) Ecki, der schon fast alles
ist, was ein Koch überhaupt werden kann, (...), griff (...) zu noch
höheren Ehren. Cuisinier du siècle, Jahrhundertkoch sollte er werden. [Zeit, 25.03.1994]
(16)
Zornig konnte er allerdings werden, wenn seine Kinder in die
Presse gezerrt wurden.
(17) In dieser Situation ist ein
bevorzugter Studienzugang für angehende Landärzte eine schöne
Idee. Das Problem lösen wird er
nicht. [Süddeutsche Zeitung, 08.04.2010]
Fragewörter bei Ergänzungsfragen besetzen das Vorfeld und
erfragen Vordergrundinformationen, die Defizite im Wissen des Sprechers
ausgleichen sollen.
(18) Wer kann
selig werden?". Eigentlich müsste die Antwort heißen, dass niemand
aus eigener Kraft selig werden kann. Keiner wird es schaffen, so gut zu sein,
dass er einen Anspruch hätte, bei Gott selig zu werden.
[Rhein-Zeitung, 03.01.2009]
(19) Wohin kann ich
mich wenden, wenn ich weitere Informationen benötige? Zum einen an Ihren
Diabetologen oder die entsprechende Diabetes-Schwerpunktpraxis.
[Hannoversche Allgemeine, 26.11.2009]